Ursache nie vollständig geklärt
155 Menschen haben am 11. November 2000 im Feuerinferno in der Standseilbahn auf das Kitzsteinhorn den Tod gefunden. Zehn Jahre nach der Seilbahnkatastrophe von Kaprun sind die Wunden noch nicht verheilt. Endlose Prozesse konnten keine Schuldigen ausmachen. Noch immer warten Angehörige auf Anworten: Wie kam es wirklich zu dem Inferno? Wer ist verantwortlich?
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„Eine Garnitur der aufs Kitzsteinhorn führenden Gletscherbahn“ sei in Brand geraten, hieß es am 11. November 2000 um 10.19 Uhr in einer ersten Meldung der Austria Presse Agentur (APA). Rund 180 Personen seien eingeschlossen, der Seilbahnzug befinde sich in einem Tunnel. Eine knappe Stunde später hieß es, einige Leichtverletzte seien geborgen worden.
Punkt Mittag war dann zunächst von drei Toten die Rede, doch schon da wurde das Ausmaß der Katastrophe absehbar: Bei Rettungsteams sei bereits „von einer ‚Mega-Katastrophe‘ die Rede“. Um 13.19 Uhr wurde es per APA traurige Gewissheit: Bei einer Pressekonferenz in Kaprun war von bis zu 170 Toten die Rede.
Nur zwölf Überlebende
Kurz nach 9.00 Uhr war an dem November-Samstag im talseitigen Führerhaus der Zugsgarnitur im Heizstrahler Feuer ausgebrochen. Eine Hydraulikleitung zerriss wegen der Hitze, das ausrinnende Öl entfachte den Brand explosionsartig, und durch die Kaminwirkung im Tunnel breiteten sich die Flammen blitzschnell auf die komplette Seilbahngarnitur aus. Zwölf Menschen, die sich aus dem Zug befreien konnten und geistesgegenwärtig nach unten liefen, überlebten, für alle anderen gab es keine Rettung mehr.

APA/Pictures unlimited/J.Fesl
Die Einfahrt in den Unglückstunnel
Rund 1.000 Helfer strömten nach Kaprun. Für die zahlreichen Angehörigen wurde ein Krisenzentrum eingerichtet, wo diese psychologische Betreuung bekamen. Auch viele Helfer benötigten in der Folge selbst professionelle Begleitung, um die unfassbaren Eindrücke dieser Katastrophe verarbeiten zu können.
Jahrelanger Prozessmarathon
Ein jahrelanger Prozessmarathon folgte: Im Strafverfahren konnte die Justiz keine Schuldigen finden, alle 16 Verdächtigten wurden freigesprochen. Laut Urteil war der Brand wegen eines Gebrechens im Heizlüfter ausgebrochen, durch eine Verkettung von unglücklichen Umständen sei es in der Folge zu dieser Katastrophe gekommen.
Viele Hinterbliebene nahmen die Freisprüche mit Fassungslosigkeit auf und konnten nicht verstehen, dass es für ein solches Ereignis keine Schuldigen geben soll. Einige von ihnen bezweifeln das Ergebnis noch heute und kämpfen um ein neues Verfahren. Sie stützen sich dabei auf deutsche Gutachter, denen zufolge nicht ein Fehler im Heizlüfter das Unglück verursacht haben soll, sondern der unsachgemäße Einbau des Gerätes, das für eine Standseilbahn gar nicht geeignet sei.
Späte Entschuldigung
Zehn Jahre nach dem Unglück entschuldigten sich nun die Gletscherbahn-Verantwortlichen: „Mit anhaltender Trauer und Erschütterung bitten wir von den Gletscherbahnen Kaprun um Verzeihung.“ Die Katastrophe „geschah in unserem Betrieb, also unter unserer Verantwortung. Zu dieser Verantwortung bekennen wir uns“, hieß es in einer Stellungnahme vom Samstag.
„Wir werfen uns vor, dass wir vor dem Unglück nicht gewusst haben, was geschehen konnte, obwohl uns der Verstand sagt, dass wir erst im Nachhinein klüger sind. Aber leider nicht nur wir, sondern alle anderen auch. Niemand hat das Unglück vorhergesehen - und niemand konnte es uns vorhersagen“, hieß es weiter - auch wenn alle geltenden Anforderungen und Gesetze eingehalten worden seien. Und weiter: „Auch wenn wir nicht schuldig sind im juristischen Sinne, so plagen uns bis heute quälende Fragen des ‚Warum‘.“

APA/Barbara Gindl
Gedenkstätte bei der Talstation für die 155 Opfer
Schwere Vorwürfe
Für die Angehörigen der Opfer wird das wohl nur ein schwacher Trost sein – aber zumindest ist es eine der ersten klaren Aussagen. Trotzdem müssen sie sich weiter fragen: Wer ist für die Tragödie verantwortlich? Und: Hätte sie verhindert werden können? Opferanwalt Gerhard Podovsovnik hadert weiter mit der Justiz, die bis heute keinen Verantwortlichen ausfindig gemacht hat. Er spricht von einer befangenen Expertenkommission, voreingenommenen Richtern, zu geringen Versicherungssummen und fehlerhaften Ermittlungen.
Dreh- und Angelpunkt ist der in Brand geratene Heizlüfter. Dieser sei vor dem Einbau in die Gletscherbahn nicht nur in „manipulativer Art“ verändert worden, sondern auch mit einem nicht genehmigten und nicht geeigneten Flugzeughydrauliköl betrieben worden, sagt der Anwalt. Und das zuständig Ministerium für Verkehr, Technologie und Transport hätte seinen gesetzlich vorgeschriebenen Kontroll- und Aufsichtspflichten nachgekommen müssen.
„Wollen wissen, was passiert ist“
„Wir haben eingesehen, dass in Österreich kein faires Verfahren möglich ist“, stellten der deutsche Gutachter Hans-Joachim Keim, Opferanwalt Podovsovnik und der deutsche Opferangehörige Bernd Geier vom Verein „Gerechtigkeit für Kaprun“ fest.
Neben Gerechtigkeit wollen die rund 500 Opferangehörigen auch, dass die Öffentlichkeit „die wahren Hintergründe der größten Katastrophe in der Geschichte der Zweiten Republik Österreichs“ kenne. „Wir wollen wissen, was im Tunnel passierte“, sagte Geier. In Österreich sei „nichts anderes als Vertuschen und Verheimlichen in dieser Causa auf der Tagesordnung gestanden“.
In einer außergerichtlichen Einigung bekamen 451 Betroffene im Jahr 2008 immerhin 13,9 Millionen Euro zugesprochen. Das Geld wurde von den Gletscherbahnen Kaprun, der Republik Österreich und der Generali Versicherung gezahlt. „Wir wissen, dass Geld keinen Toten zurückholen kann“, sagt Harald Schiffl, der Sprecher der Gletscherbahnen. „Wir wollten ein Zeichen setzen und finanzielle Unterstützung zukommen lassen.“
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