Wie lange hält sich Berlusconi?
Wenn nur sein Hang zu schönen jungen Frauen nicht wäre und wenn er sich doch gelegentlich im Zaum halten könnte - statt wie jetzt wieder die Schwulen zu beleidigen. Gereizt, nervös und kein bisschen leise versucht der angeschlagene Silvio Berlusconi die Welle neuer Enthüllungen um bezahlten Sex, Drogen und wildeste Partys in seinen Villen zu stoppen.
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Dabei hat Italiens Regierungschef schon alle Hände voll zu tun, seine bröckelnde Regierungsmehrheit zusammenzuhalten. Der Medienmogul sitze auf einem absteigenden Ast, meint der rechtsliberale „Corriere della Sera“. Götterdämmerung in Rom, neigt sich seine Zeit dem Ende zu?
„Sultan des Westens“
Im vergangenen Jahr ging es um die noch minderjährige Schülerin Noemi Letizia, die von dem Regierungschef reich beschenkt worden sein soll, sowie um das Escort-Girl Patrizia D’Addario - sie will für eine Nacht mit Berlusconi in dessen römischer Villa entlohnt worden sein. In der vergangenen Woche drehte sich plötzlich alles um eine andere 17-Jährige: Das marokkanische Partygirl „Ruby“, mit bürgerlichem Namen Karima und in ihrem zarten Alter schon auf schiefer Bahn, hatte in Berlusconi einen fürsorglichen Beschützer gefunden - der für sie seinen ganzen Einfluss eingesetzt haben soll. Die Opposition nennt das Machtmissbrauch.
Doch das ist längst nicht alles: Denn vergangene Woche taucht plötzlich das Callgirl Nadia Macri auf, spricht von Joints für die diversen Mädchen in Berlusconis sardischer Villa und von 5.000 Euro im Briefumschlag für nicht näher erläuterte sexuelle Leistungen. Jeder jungen Frau, die im Rummel um Berlusconis Privatleben auf die erste Seite der Zeitungen kommt, ist hartnäckiges Medieninteresse sicher. Und weil nun alle aus Nadias Mund hören wollten, was der „Sultan des Westens“ (Apuliens Präsident Nichi Vendola zu Berlusconi) mit ihr so gemacht haben könnte, beraumte das Callgirl für Donnerstag eine Pressekonferenz an - doch die Staatsanwaltschaft pfiff sie kurzfristig wieder zurück.
Ärger im eigenen Lager
Die sonst machtlose und zerstrittene Opposition heult auf vor Freude, zumal der Cavaliere die Welle der Enthüllungen und die Entrüstung darüber mit verbalen Entgleisungen krönt: „Eine Leidenschaft für schöne Mädchen ist immer noch besser, als schwul zu sein.“ Die Folge: Es gibt Proteste auch im eigenen Lager, Austritte aus seiner Partei „Volk der Freiheit“ (PdL). Vor allem die katholische Kirche ist entsetzt über das Bild, das der konservative Regierungschef mit seinem Lebensstil abgibt. Auch sind die Italiener nicht unbedingt stolz darauf, dass ihr „Bella Italia“ nur noch durch Sexaffären, die Mafia und Neapels Müllchaos im Ausland Schlagzeilen macht: Man nimmt wahr, wie die anderen Italien so sehen.
Showdown mit Fini?
Kann denn da niemand den Stecker ziehen? Derjenige, der das politisch wohl noch am ehesten könnte, sieht offensichtlich seine Zeit noch nicht als gekommen an: Gianfranco Fini, Präsident des Abgeordnetenhauses, jetzt mit eigener Partei, weil aus Berlusconis PdL verdrängt. Ein Showdown im Parlament steht da noch aus. Er dürfte spätestens dann kommen, wenn neue Justizgesetze wieder auf Berlusconi zugeschnitten scheinen. Denn über ihm schwebt zu allem Überfluss auch noch das Damoklesschwert seiner Korruptionsverfahren.
Im Moment stemmt sich Berlusconi gegen Neuwahlen, gibt Durchhalteparolen aus. Er will doch bis 2013 regulär regieren. Wie ihm das, umzingelt von fast allen Seiten, noch gelingen kann, ist etwas rätselhaft. Und nach der schwulenfeindlichen Breitseite des Cavaliere fragen sich italienische Kommentatoren, wie denn der am 12. Januar geplante deutsch-italienische Gipfel so ablaufen wird - wenn Berlusconi auf Bundesaußenminister Guido Westerwelle trifft. Sofern sich nicht bis Januar weit Dramatischeres in Rom tut.
Hanns-Jochen Kaffsack, dpa
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