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Die erfundene „Sammlung Jägers“

Fälschungen von Gemälden berühmter Maler werden offenbar immer besser. Anders ist nicht zu erklären, warum große Auktionshäuser wie Christie’s jahrelang übersehen haben, was nun ans Licht kommt: der offenbar größte Fälschungsskandal aller Zeiten. Unter Sammlern macht sich Unruhe breit.

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Während der letzten Jahre wurden einige - die genaue Zahl weiß freilich niemand - Werke großer Künstler verkauft, die sich nun nach und nach als Fälschungen entpuppen. Über 30 Gemälde wurden gefälscht, darunter solche von Max Ernst, Raoul Dufy und Fernand Leger, wie der britische „Observer“ berichtet. 30 Millionen Pfund (34 Mio. Euro) machen nur jene Bilder aus, deren falsche Provenienz publik wurde. Wie viele Vorfälle dieser Art von Auktionshäusern und Sammlern vertuscht werden konnten, steht in den Sternen.

Vier der Gemälde wurden demnach von Christie’s weitergegeben, darunter Ernsts „La Horde“, das für 3,5 Millionen Pfund (vier Mio. Euro) verkauft wurde, und Andre Derains „Bateaux a Collioure“ für zwei Millionen Pfund. Sechs Gemälde wurden um 2,8 Millionen Pfund (3,2 Mio. Euro) vom deutschen Auktionshaus Lempertz versteigert. Die Strategie der Fälscher scheint gewesen zu sein, Gemälde zu Titeln von als verschollen geglaubten Kunstwerken zu malen.

Deutsche Familie verdächtigt

Eine deutsche Familie wird verdächtigt, hinter zumindest einigen dieser Fälschungen zu stehen, die allesamt mit höchster Kunstfertigkeit und kulturhistorischem Wissen angefertigt wurden. Ein Mann, seine Frau und deren Schwester befinden sich in Haft, die Untersuchungen laufen. Die Fälschungen waren so gut, dass offenbar die meisten Auktionshäuser und Sammler so überzeugt waren, dass sie keine tiefergehenden Analysen anstellen ließen.

Ein Herkunftsaufkleber auf einem vermeintlichen Werk des rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk führte auf die Spur des Skandals. Aus einer Sammlung namens Werner Jägers sollte das über Jahrzehnte verschollene Tiergemälde „Rotes Bild mit Pferden“ (1914) stammen, das vor vier Jahren für einen Rekordpreis von 2,4 Millionen Euro beim Kölner Auktionshaus Lempertz versteigert wurde.

Insgesamt seien zwölf Bilder aus der vermeintlichen „Jägers“-Sammlung in den Handel geschleust worden, sagte der Inhaber von Lempertz, Henrik Hanstein, gegenüber der deutschen Nachrichtenagentur dpa. Bereits im Juli hatte der Fachmann Ralph Jentsch im Lehmbruck-Museum die Rückseiten der Bilder der Kubismus-Schau nach verdächtigen Aufklebern abgesucht, die den jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim zeigten. Jentsch war es, der die Fälschungsaffäre anhand dieser Aufkleber aufdeckte, die immer wieder auf den Rückseiten von Werken aus der „Jägers“-Sammlung zu finden waren.

„Sind alle nicht davor gefeit“

Die Fälschungen seien „genial“, sagte Hanstein. Und: „Wir haben uns alle auf maßgebliche Experten verlassen.“ Diese hätten die Werke, von denen es jeweils nur Erwähnungen in der Fachwelt gegeben hatte, für echt befunden. Die Bilder seien „in homöopathischen Dosen“ über mehrere Jahre in Köln, London und Paris verkauft worden. Festgenommen wurden unter anderen zwei Enkelinnen „Jägers“, der in Wirklichkeit ein rheinischer Kaufmann war und auf einem Kölner Friedhof bestattet ist.

Hanstein weist Vorwürfe, Lempertz habe nicht sorgfältig genug geprüft, zurück. „Wir sind im Kunsthandel alle nicht davor gefeit.“ Wie der „Observer“ berichtet, sind sogar Skizzen und vorgeblich verworfene Bildideen im Stil der Maler auf die Rückseite der Leinwände gemalt worden, weil das bei echten Gemälden oft ähnlich sei.

„Wir sind die Opfer“

Die Verunsicherung angesichts des dreisten Fälschungscoups sei in der Branche groß, sagte Hanstein. „Wir sind die Opfer und werden alle darunter zu leiden haben.“ Auch der Berner Galerist Wolfgang Henze, der das Pechstein-Werk „Liegender Akt mit Katze“ 2003 für 500.000 Euro bei Lempertz ersteigert hatte, sagte: „Die Fälschungen sind wirklich von höchster Qualität.“ Henze schloss sich dennoch einer Klage des Käufers des Campendonk-Bildes gegen Lempertz an.

Als der Verdacht der Fälschung des Pechsteins aufkam, engagierte Henze einen Privatdetektiv. „Nach zwei Tagen war alles klar, es gibt keine Sammlung Jägers“, sagte Henze der dpa. „In diesem Fall sind die Quellen nicht einwandfrei überprüft worden.“ Mit „schlichter Sorgfalt“ und der Devise „Im Zweifel nein“ könnten sich die Kunsthäuser vor Fälschungen schützen, sagte Henzes Cousin Robert Ketterer, der das gleichnamige renommierte Auktionshaus in München leitet.

„Qualität spitze, Provenienz super“

Vor zwei Jahren seien bei Ketterer zwei angebliche Werke von Schmitt-Rottluff und Max Beckmann angeliefert worden. „Qualität spitze, Provenienz super.“ Und gerade das machte ihn misstrauisch. Letztlich stellten sich die Bilder als „fantastische Fälschungen“ heraus. Beim Campendonk war es übrigens neben dem Aufkleber das Titanweiß, das auf die Spur der Fälscher führte. Zum Zeitpunkt der Entstehung 1914 gab es das Pigment noch gar nicht.

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