Noch keine Verbesserung
Amnesty International hat erst im Juli erneut schwere Vorwürfe gegen Griechenland erhoben. Das Land behandle Asylwerber und illegal Eingereiste wie Kriminelle. Laut dem im Sommer veröffentlichten 60-seitigen Bericht der Menschenrechtsorganisation würden Flüchtlinge häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten. Zugang zu Hilfe und rechtlichem Beistand werde ihnen verweigert.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Bis zu sechs Monate könne die Haft vor einer Abschiebung dauern. Zudem kriminalisiert das Land die Menschen automatisch: Auf die illegale Ein- oder Ausreise stehen in Griechenland bis zu drei Monate Haft.
In Lagern festgehalten
Nur 36 von über 30.000 Asylanträgen wurden im Vorjahr positiv beschieden, 128 Antragsteller erhielten subsidiären Schutz. Mittlerweile kündigte die griechische Regierung eine Gesetzesänderung und Verbesserungen für Flüchtlinge an. Doch noch stellt sich für Amnesty die Lage dramatisch dar.
Zehntausende Flüchtlinge erreichen jährlich Griechenland, viele aus Kriegsgebieten wie Afghanistan, Somalia, Irak und Eritrea. Nachdem sie aufgegriffen werden, landen sie direkt in Flüchtlingslagern oder einfach in Grenzwachstationen, zumeist ohne Chance auf Hilfe von Übersetzern, einem rechtlichen Beistand und Sozialarbeitern. Von einer genauen Prüfung der Fälle kann laut Amnesty keine Rede sein. Es gibt auch Berichte, wonach sie nicht einmal die Chance bekommen, einen Asylantrag zu stellen.
Menschenunwürdige Bedingungen
Falsche Daten, kein Anwalt
Amnesty listet auch eine Fallstudie auf: Ein 16-jähriger unbegleiteter Afghane wurde im November 2009 wenige Wochen nach seiner Ankunft in Athen mit einem Taschenmesser aufgegriffen. In den Akten führte man ihn als 26-jährigen Iraner. Wegen Waffenbesitzes wurde er zu einem Monat Haft in einem Gefängnis für Erwachsene und einer Geldstrafe verurteilt. Ihm wurde nach eigenen Angaben kein Verteidiger zur Seite gestellt, auch seine Familie konnte er nicht verständigen.
Sie werden auch nicht informiert, wie lange sie festgehalten werden. Die von Amnesty untersuchten Hafteinrichtungen wiesen laut dem Bericht mangelhafte bis schlicht unzureichende Bedingungen auf und waren chronisch überfüllt. Der Zugang zu medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und Hygieneprodukten ist beschränkt. Unbegleitete Minderjährige werden gemeinsam mit Erwachsenen „verwahrt“.
Gegenüber Amnesty erhoben die Flüchtlinge auch immer wieder Vorwürfe, vom Personal misshandelt zu werden. Im Bericht wird auch auf die Proteste und Hungerstreiks von in Lagern Einsitzenden verwiesen, so etwa im Februar in Venna im Nordosten Griechenlands und auf Samos im April.
Abschiebungsstopp gefordert
Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und andere Flüchtlingsorganisationen weisen schon seit Jahren auf die untragbaren Zustände in Flüchtlingslagern und schwere Verfahrensmängel hin.
Keine Chance auf Beistand
Einen weiteren Fall dokumentiert der Bericht: 2008 wurde eine Familie aus Afghanistan beim Versuch, Griechenland mit gefälschten Dokumenten zu verlassen, aufgegriffen. Die Eltern wurden - ohne Anwalt und Übersetzer - zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Vier Monate waren sie in einer Grenzstation unter schlechten Bedingungen und als Familie getrennt in Haft, ehe sie einen Asylantrag stellen konnten. Mutter und Tochter waren insgesamt 15 Monate eingesperrt, damit sie anschließend gesetzeskonform abgeschoben werden konnten.
Das UNHCR rief schon im April 2008 EU-Staaten zum Stopp der Überstellungen von Asylbewerbern nach Griechenland auf. Laut der Dublin-Verordnung ist für das Verfahren jener Staat zuständig, in dem der Flüchtling zunächst registriert wird.
Die Kritik von Amnesty International richtet sich an die griechische Regierung, die routinemäßig Neuankömmlinge inhaftiere, aber auch an EU-Länder wie Österreich, das weiterhin „eifrig in ein Land abschiebt, das derzeit kein funktionierendes Asylsystem hat“, wie Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, damals sagte.
Erst kurz vor der Veröffentlichund des Amnesty-Berichts hatte der UNHCR-Vertreter für Deutschland und Österreich, Michael Lindenbauer, deswegen scharfe Kritik geübt. Die Situation in Griechenland sei „unhaltbar“.
Langer Forderungskatalog
Amnesty fordert die griechische Regierung auf, Alternativen wie offene oder halboffene Zentren für die Neuankömmlinge in ihre Pläne für künftige Erstaufnahmestellen aufzunehmen. Athen müsse zudem den freien Zugang zu Rechtsberatung, Übersetzern und medizinischer Versorgung sicherstellen. Besonderer Schutz wird für unbegleitete Minderjährige, Schwangere und Opfer von Folter und Menschenhandel gefordert. Alles das gibt es laut Amnesty derzeit in Griechenland kaum.
Dass Griechenland gerade an der Reform seines Asylgesetzes arbeitet und auch die Praxis im Umgang mit Flüchtlingen und illegal eingereisten Menschen verbessern will, begrüßt die Menschenrechtsorganisation.
Links: