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Das Äh und Öh der Sprache

Seit 1647 - und einem scherzhaften Buchtitel des Dichters Georg Philipp Harsdörffer - träumen Lehrende und Lernende vom „Nürnberger Trichter“, dem Einflößen von Inhalten in Hirne ohne jede Mühe. An der US-Universität Princeton will man diesem Traum ein Stück näher gerückt sein.

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Das Zauberwort dabei ist „disfluency“ (also etwa: Unflüssigkeit), seit einiger Zeit ein äußerst beliebtes Thema bei Sprachwissenschaftlern und Psychologen. Untersucht wird dabei, wie sich Störungen im Rede- und Lesefluss auf Zuhörende und Leser auswirken. Der Zwischenstand der Forschung lässt sich auf den einfachen Punkt bringen: meistens gut.

Schlechter lesbar, besser merkbar

Vor allem im englischsprachigen Raum ist die Forschung bereits weit gediehen - bis hin zu detaillierten Untersuchungen, was Einschübe wie „äh“ und „öh“ in gesprochenen Sätzen bewirken. Die psychologische Fakultät von Princeton nahm sich des Themas nun in Schriftform an - mit Lerntexten in bewusst schwer lesbaren Schrifttypen.

Die Resultate überraschten selbst die Studienautoren, wie Uniprofessor Daniel Oppenheimer gegenüber der britischen BBC einräumte. Demnach reicht es einfach, einen Text in einer mühsam zu lesenden Schriftart vorzulegen, um durchschnittlich 14 Prozent höhere Lernerfolge zu erzielen. Die Detailresultate sollen demnächst im Fachjournal „Cognition“ veröffentlicht werden.

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Tests mit Außerirdischen

Für ihre Tests verfassten die Psychologen fiktive Biologietexte über verschiedene Gattungen von Außerirdischen. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass die Resultate durch Vorwissen der Versuchspersonen verfälscht werden. Eine Gruppe bekam die Texte in der Schriftart „Arial“, dem Klassiker der leicht lesbaren Schriften, eine andere in den oft geschmähten Schrifttypen „Comic Sans“ und „Bodoni“.

Tests mit Freiwilligen und später Hunderten Schülern ergaben regelmäßig, dass die Gruppe mit den schlechter lesbaren Texten sich mehr gemerkt hatte, auch mit den Schriften „Haettenschweiler“, „Monotype Corsiva“, und „Comic Sans Italicised“. Oppenheimer betonte jedoch, man dürfe es nicht übertreiben; sonst bleibe nur noch Anstrengung übrig und die positiven Lerneffekte auf der Strecke.

„Kostet weder Geld noch Mühe“

Wer sich beim Zuhören oder Lesen anstrengen muss, muss mehr denken und tut das dann auf allen Ebenen, fasst Oppenheimer die „dem Hausverstand widersprechenden“ Studienresultate zusammen. Aus seiner Sicht hätte die Erkenntnis zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können, mit weltweit krisenbedingt knappen Bildungsbudgets.

„Die Tatsache, dass wir Lernerfolge mit einem Eingriff verbessern können, dessen Umsetzung weder Geld noch Mühe kostet, bedeutet möglicherweise, dass wir das Bildungsniveau schnell und billig erhöhen können“, meinte Oppenheimer gegenüber der BBC. Aus der Sicht seines britischen Kollegen Dylan Wiliam braucht es das jedoch nicht einmal.

Gebremstes Hirn

Wiliam wollte gegenüber der BBC zwar nicht die Studienresultate infrage stellen, seiner Meinung nach ist alles jedoch noch viel einfacher: Lesehürden würden einfach die Aufmerksamkeit erhöhen. Er zieht daraus jedoch den Schluss: „Es braucht keine schlechte Druckqualität, sondern bewussteres Lesen.“

Man müsse manchmal einfach „das Hirn verlangsamen“, ist Wiliam überzeugt. Das könne man auch ohne beschwerliches Lesen erreichen, etwa durch altgediente Volksschulpraktiken wie lautes Lesen in Gruppen. Und wer allein daheim etwas lernen müsse, solle - ebenfalls wie am Beginn der Bildungskarriere - einfach mit dem Finger dem gelesenen Text folgen.

Lukas Zimmer, ORF.at

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