Massenansturm in London erwartet
Hommage an die Porzellankunst seiner Heimat: Eine Installation aus 100 Millionen kunstvoll handgefertigten Sonnenblumenkernen aus Keramik zeigt der chinesische Künstler Ai Weiwei in London. Das Kunstwerk mit dem Titel „Sunflower Seeds“ ist eine Auftragsarbeit für die Londoner Tate Modern.
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Der Besuch der Installation, die ab Dienstag für Publikum zugänglich und bis 2. Mai 2011 zu sehen ist, ist kostenlos. „Wir erwarten mindestens zwei Millionen Besucher“, sagte Kuratorin Juliet Bingham. Nach Ende der Schau in London sollen die 150 Tonnen Porzellansamen, mit denen der Boden der Turbinenhalle zehn Zentimeter hoch aufgeschüttet wurde, zurück nach China gebracht werden.

AP/Lennart Preiss
Ai Weiweis Meer aus Porzellansamen
1.600 chinesische Arbeiter beschäftigt
„Vielleicht werde ich sie kochen“, sagte Ai Weiwei scherzhaft auf die Frage, was er dort mit ihnen vorhat, „und dann sehen, ob ein neues Projekt daraus wird“, sagte der 53-Jährige. Jeder einzelne Sonnenblumenkern wurde bei 1.300 Grad Celsius gebrannt, handbemalt und erneut bei 800 Grad gebrannt. Bis zu 1.600 Kunstarbeiter in der chinesischen Porzellanstadt Jingdezhen waren zweieinhalb Jahre lang beschäftigt.
„Ungefähr drei“ der Kerne habe er selbst bemalt - es handle sich um die am wenigsten gelungenen, meinte der Künstler. Das Werk entstand für die Unilever-Serie der Tate Modern. Seit zehn Jahren wird - gesponsert vom Mischkonzern Unilever - einmal jährlich ein Auftrag für einen Installationskünstler vergeben, der die Turbinenhalle füllt.

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Ai Weiwei ist ein chinesischer Konzeptkünstler, Bildhauer und Kurator. Er wurde 1957 in Peking geboren.
Mehr Freiheit: Appell an China
Mit den „Sunflower Seeds“ will Ai auch an die Not in seinem Heimatland China erinnern. Sonnenblumenkerne sind für viele Chinesen eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Von hohem Symbolgehalt ist auch die Änderung, die sich im Lauf der Ausstellung vollzieht. Ursprünglich sollten die Besucher in London auf der mühevollen Handarbeit herumtreten und auf diese Weise die Samen oder zumindest die Bemalung zerstören.
So sollte demonstriert werden, dass Zahlen, etwa Arbeitsstunden, in einem Land wie China keine Rolle spielen, meinte Ai gegenüber britischen Medien. Wegen gesundheitlicher Risiken wurde die Halle allerdings nach nur zwei Tagen wieder geschlossen - die Besucher können die Installation nur noch von einer Brücke betrachten.
Für Ai sind die Zahlen der Installation von Bedeutung: 100 Millionen, das ist etwa ein Viertel der Internetnutzer in China. Während der Dauer der Ausstellung will Ai auf Fragen von Ausstellungsbesuchern via Twitter antworten. Sein Weblog sei gesperrt, jetzt veröffentliche er seine Botschaften eben über den Kurznachrichtendienst. „China als Nation muss auf mehr Freiheit und eine demokratischere Gesellschaft hinarbeiten. Niemand kann das aufhalten“, sagte Ai.
Künstlerischer Berater für Olympiastadion
In Österreich waren Werke von Ai Weiwei bereits mehrfach zu sehen. So hat er diesen Sommer den 2.995 Meter hohen Dachstein in der Obersteiermark um ein Felsstück erweitert. Ein Hubschrauber transportierte den vier Tonnen schweren Brocken auf den Berg. Die Aktion - die mehrmals verschoben worden war und auch für Proteste gesorgt hatte - fand im Rahmen des steirischen Kulturfestivals regionale 10 statt. Der Fels war aus der chinesischen Provinz Sichuan - wo er sich während des verheerenden Erdbebens 2008 gelöst hatte - nach Österreich gebracht worden.
Auf der documenta 12 im Jahr 2007 in Kassel stellte Ai unter dem Titel „Template“ eine Skulptur aus, die aus antiken chinesischen Möbeln gefertigt war. Die Möbel stammten aus Häusern aus der Zeit der Ming-Dynastie, die von den Behörden in China abgerissen wurden. Ein Sturm zerstörte den Turm in Kassel, was die Skulptur beim Publikum noch begehrter machte. Ai war als künstlerischer Berater auch am Bau des „Vogelnest“ genannten Olympiastadions von Peking 2008 beteiligt.
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