Ätzend und giftig
Das augenfälligste an der Giftschlammkatastrophe in Ungarn, die rote Farbe, ist noch das harmloseste an der Giftbrühe. Es handelt sich dabei in erster Linie um Eisenoxid, also Rost, dem der Rotschlamm auch seinen Namen verdankt. Akut gefährlich ist die extrem ätzende Natronlauge. Mittel- und langfristige Probleme erwarten Experten durch die enthaltenen Schwermetalle.
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Natronlauge wird dem Rohmaterial Bauxit zugegeben, um das begehrte Aluminium herauszulösen. Dabei lösen sich aber als Nebenprodukte Eisen und andere, mehr oder weniger giftige Schwermetalle in der alkalischen Flüssigkeit.
Schwermetalle werden nicht abgebaut
Die Natronlauge selbst ist zwar nicht giftig, aber in konzentrierter Form stark ätzend. In entsprechender Menge eingeleitet, können ganze Bach- und Flussabschnitte veröden. Um die Lauge unschädlich zu machen, kann sie mit Säure neutralisiert werden. Aber auch eine starke Verdünnung - etwa durch das Donauwasser - verringert die Gefahr durch die Lauge zunehmend.
Ein langfristigeres Problem sind allerdings die im Rotschlamm enthaltenen Schwermetalle. Im Gegensatz zu anderen Schadstoffen, etwa Pestiziden, können diese nicht abgebaut werden. Anders ausgedrückt, ein Atom Blei bleibt ein Atom Blei.
Bis in die Nahrungskette?
Das Material kann sich im Schlamm ablagern und irgendwann wieder freigesetzt werden. Die Metalle können aber auch direkt in die Nahrungskette bis hin zu den Fischen und Menschen gelangen. Eine weitere Gefahr ist, dass der Schlamm trocknet und dann vom Wind verblasen wird. Dann ist die Aufnahme der giftigen Metalle direkt über die Lunge möglich.
Wie weit sich die Katastrophe donauabwärts auswirken wird, ist laut Andreas Beckmann vom WWF noch nicht absehbar. Dass die Schadstofffracht das Delta erreicht, glaubt der Experte allerdings nicht. „Die Donau ist ein großer Fluss, da macht sich der Verdünnungseffekt rasch bemerkbar“, so Beckmann. Wesentlich bedenklicher sei allerdings die Situation in der unmittelbaren Umgebung der Katastrophe.
Arsen, Blei, Cadmium und Chrom
Vier Umweltgifte werden in Zusammenhang mit der Giftschlammkatastrophe in Ungarn immer wieder genannt: Arsen, Blei, Cadmium und Chrom. Auch Quecksilber könnte im ausgetretenen Rotschlamm enthalten sein.
Arsen wird in der Nahrungskette angereichert. Das Schwermetall selbst ist ungiftig, wird aber in Wasser und Körperflüssigkeiten leicht zu arseniger Säure oxidiert, die hochgiftig ist. Bei einer Belastung von mehr als 50 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser ist laut UBA langfristig mit Gesundheitsschäden zu rechnen. Ab 0,1 Milligramm Arsen pro Kubikmeter Atemluft wurden Reizeffekte beobachtet, bei chronischer Exposition werden Schleimhäute und Atemwege geschädigt.
Blei hat ein geringes akutes Vergiftungsrisiko, bei Aufnahme kleiner Mengen über einen längeren Zeitraum kommt es aber zu chronischen Vergiftungen; das Schwermetall und seine Verbindungen zählen daher zu den starken Umweltgiften. Typische Krankheitsbilder einer chronischen Vergiftung sind Nierenschäden und Muskelschwäche. Vor allem bei Kindern wurden Beeinträchtigungen des Zentralnervensystems, verminderte Intelligenz, Verhaltensauffälligkeiten und Lernstörungen mit Bleibelastung in Zusammenhang gebracht.
Cadmium mit langer Halbwertszeit
Cadmium ist für Menschen bereits in sehr geringen Konzentrationen giftig. Hauptquellen sind Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie Zigarettenrauch. Leber, Nieren und Muskulatur speichern das Schwermetall bis zu mehreren Jahrzehnten (Halbwertszeit zehn bis 35 Jahre).
Akut äußert sich eine Cadmiumvergiftung durch Einatmen in Husten, Kopfschmerz, Fieber, Lungenödeme und Pneumonitis können sich entwickeln. Bei oraler Aufnahme wurden Übelkeit und Durchfälle beobachtet. Bei chronischer Belastung tritt laut UBA vor einer Vergiftung Blutarmut auf. Weiters drohen u. a. Knochenerweichung, Nierenschäden und Atemwegserkrankungen.
Chrom wird vom Menschen vor allem über die Lungen (70 Prozent) aufgenommen und in Nieren, Leber und Gehirn gespeichert. Akut kann die Inhalation von mehr als zwei Mikrogramm pro Kubikmeter Luft über mehrere Stunden zu Geschwürbildung der Nasenscheidewand, Bronchitis, Staublunge und Asthma führen. Die chronische Exposition kann zu Bindehautentzündung, Bronchitis, Gastritis, Magen- und Darmstörungen führen und allergieauslösend wirken.