Mit Gips gegen Giftschlamm
Nach dem Bersten eines mit giftigem Schlamm aus dem Bergbau gefüllten Beckens in Westungarn sind die langfristigen Folgen für Menschen und Umwelt noch nicht absehbar. Nahe der Stadt Ajka im Komitat Veszprem war am Montag nach einem Dammbruch eine riesige Menge an Rotschlamm, einem Abfallprodukt aus der Aluminiumherstellung, ausgetreten.
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Die Schlammlawine ergoss sich über mehrere Dörfer. Nachdem in der Region nördlichen des Balaton (Plattensees), rund 150 Kilometer Luftlinie von Wien und 60 Kilometer von der österreichischen Staatsgrenze entfernt, Hochwasser herrschte, breitete sich der Schlammsee binnen kurzer Zeit über mehrere Ortschaften aus.
Gips gegen Gift im Fluss
Besonders schlimm traf es die ans Werk angrenzenden Gemeinden Kolontar, Devecser und Somlovasarhely. Die giftige Brühe wurde auch in Gewässer gespült, wo sie Katastrophenschutz, Militär und Feuerwehren zu binden versuchen.

Graphi-Ogre/ORF.at (Montage)
Unglücksort im Bezirk Veszprem
„Wir haben viele Tonnen Gips in den Fluss Marcal geschüttet und hoffen, so den giftigen Fluss einzudämmen“, sagte eine Sprecherin des nationalen Katastrophenschutzes am Dienstagnachmittag. Die Toxizität des Schlamms nehme mit jedem Kilometer ab. Ungarns Innenminister Sandor Pinter erklärte am Dienstagnachmittag, die unmittelbare Gefahr sei „abgewendet“.
Menschen erlitten Verätzungen
Welche Folgen das Unglück längerfristig auf die Umwelt hat, ist allerdings noch völlig unklar. Die Umweltschutzorganisationen Global 2000 und Greenpeace warnten u. a. vor einer Vergiftung des Grundwassers. „Diese Stoffe sind extrem giftig, aber nicht radioaktiv. Die Umweltbelastung ist aber erheblich“, hieß es von Global 2000. Nicht nur das, warnte Greenpeace. In getrocknetem Zustand könnte der Schlamm als Staub über Kilometer vertragen werden. Über den Fluss Raab könnte der giftige Schlamm auch in die Donau gelangen.

APA/EPA/Gyoergy Varga
Damm des Rückhaltebeckens ist gebrochen.
Laut offiziellen ungarischen Angaben floss bis Dienstag rund eine Million Kubikmeter Rotschlamm aus dem Rückhaltebecken aus. Aus dem österreichischen Umweltministerium hieß es, für die Anlage des Betreibers MAL AG (Magyar Aluminium) existierte lediglich ein Schutzplan für 300.000 Kubikmeter.
Wie giftig ist der Schlamm?
Das große Problem sei, so der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter gegenüber der ZIB2, dass bisher niemand wisse, welche Substanzen der Schlamm tatsächlich enthält. Möglich sei eine Beimengung von Schwermetallen wie Blei, Quecksilber oder Arsen, aber auch toxische chemische Verbindungen.
Sollte tatsächlich eine hohe Giftkonzentration in dem Schlamm nachgewiesen werden, sieht Hutter massive Probleme. In diesem Fall müsse man damit rechnen, „dass diese ganzen Flächen, die jetzt betroffen sind, für den Anbau von Nutzpflanzen auf die nächsten Jahre, für viel Jahre verloren sind“, so Hutter. Ein Abtragen von Erdmassen in einem derart großen Gebiet sei so gut wie unmöglich. Das primäre Problem sei nun das Grundwasser, über das Giftstoffe irgendwann in die Trinkwasserversorgung gelangen könnten.
Notstand über drei Bezirke verhängt
Von der Verseuchung betroffen war vorerst ein Gebiet von mindestens 40 Quadratkilometern. Die Behörden verhängten über drei Bezirke den Notstand. In der Gemeinde Kolontar und der benachbarten Kleinstadt Devecser stand der rote Bauxitschlamm meterhoch. Die Schlammlawine begrub Hunderte Häuser, Autos und Gärten unter sich. Im Fluss Marcal verendeten Fische.

Reuters/Bernadett Szabo
Schlammlawine ergoss sich über mehrere Ortschaften.
Die MAL AG musste nach dem Unfall auf Anordnung von Umweltstaatssekretär Zoltan Iles ihre Tätigkeit im Werk bei Ajka einstellen. Illes forderte laut ungarischer Presseagentur MTI das Unternehmen auf, umgehend mit den Reparaturarbeiten an dem geborstenen Becken zu beginnen. Es bestehe der Verdacht, dass im Speicher mehr Rotschlamm gelagert war als erlaubt. Die ungarischen Behörden ermitteln inzwischen wegen Fahrlässigkeit.
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