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Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) unternimmt - in der Woche vor der Wien-Wahl - in der Dienstag-Ausgabe der „Kronen Zeitung“ einen Vorstoß für eine Volksbefragung über die Wehrpflicht.

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Und aus seiner Partei kam Montagabend sofort Unterstützung: Verteidigungsminister Norbert Darabos plädierte ebenfalls für eine Volksbefragung - und Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) versicherte Häupl und Darabos seiner „vollen Untersützung“. Das ist wenige Tage vor der Gemeinderatswahl einerseits wenig überraschend, angesichts des strikten Nein der SPÖ in dieser Frage - erst vor wenigen Tagen hatte Faymann vehement eine Abschaffung abgelehnt - aber eine regelrechte Kehrtwende.

„Direkte Demokratie leben“

Häupl erklärt in der „Kronen Zeitung“, er werde in der SPÖ für eine Volksbefragung werben und Druck machen, denn „bei einem so wichtigen Thema muss man die Stimme des Volkes hören“. Die „Krone“ kampagnisiert seit Wochen gegen die Wehrpflicht. Die gesamte Spitze der Bundespartei reagierte umgehend - und natürlich positiv auf den im Wahlfinish stehenden Häupl.

Faymann zeigte sich ganz einer Meinung mit seinem früheren Mentor: „Bürgermeister Michael Häupl und Minister Norbert Darabos haben meine volle Unterstützung. Denn direkte Demokratie ist nicht nur etwas für Sonntagsreden, die sollte auch gelebt und eingesetzt werden - gerade bei Themen, die unsere Bevölkerung besonders stark interessieren“, meinte er in einer ersten Reaktion.

Darabos legt sich nicht quer

SPÖ-Verteidigungsminister Darabos will sich ebenfalls nicht querlegen und plädierte für eine offene Diskussion „ohne Tabus“. Alle Varianten sollten von Experten - auch internationalen aus Ländern wie Deutschland, Schweden, Finnland und der Schweiz - geprüft werden. Und „am Ende dieser Debatte soll auch eine Volksbefragung stehen“, von deren Sinnhaftigkeit man dann die ÖVP überzeugen wolle.

Er bezeichnete den allgemeinen Wehrdienst einmal mehr als sinnvolles System, mit dem man „gut gefahren ist“. Am Ende der Diskussion über eine neue Sicherheitsstrategie für Österreich könne aber eine Volksbefragung stehen.

Bei der aktuellen Diskussion gehe es nicht darum, ob die Wehrpflicht abgeschafft wird, sondern um eine Einbindung der Bevölkerung, so Darabos. Er selbst stehe zur Wehrpflicht, und es habe ihm bisher keiner näherbringen können, dass es etwas Besseres gebe. Für Darabos ist es auch nicht gesagt, dass bei einer Volksbefragung die Abschaffung herauskommen wird. Es stehe 50:50. Er wollte auch nichts von einem „Kniefall“ vor der „Kronen-Zeitung“ wissen.

Cap: „Zeitgemäßer Vorschlag“

SPÖ-Klubobmann Josef Cap begrüßte den Häupl-Vorstoß in der ZIB2 als „sehr zeitgemäß“. In der SPÖ habe es in der Vergangenheit viele unterschiedliche Meinungen gegeben - aber er könne sich vorstellen, dass seine Partei von der Unterstützung für die Wehrpflicht abgeht, wenn die Volksbefragung eine diesbezügliche Mehrheit ergibt, sagte Cap. An einen Alleingang ohne ÖVP denke man freilich nicht.

Häupl räumte im ORF-Interview ein, dass der zeitliche Zusammenfall seines Vorschlags mit der Wien-Wahl am kommenden Sonntag „nicht unbedingt ein Zufall“ sei. Aber die Diskussion werde jetzt geführt, und da habe er sich eingemischt.

Nicht der erste Schwenk

Schon einmal - vor ziemlich genau elf Jahren - hat eine bevorstehende Wahl für einen Schwenk damals beider Regierungsparteien in Richtung Abschaffung der Wehrpflicht gesorgt. Vor der Nationalratswahl vom 3. Oktober 1999 beteuerten sowohl Bundeskanzler Viktor Klima (SPÖ) als auch Vizekanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), dass die Wehrpflicht nach der Wahl abgeschafft werde. Geschehen ist das freilich nicht - zumal die ÖVP damals in Koalition mit der FPÖ und die SPÖ in die Opposition ging.

SPÖ und ÖVP schwenkten in der Folge wieder zum Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht zurück. Zuletzt beteuerten Darabos und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) beim Ministerrat vor zwei Wochen, dass die Wehrpflicht außer Diskussion stehe. Darabos - der jetzt, nach Ende der Debatte, eine Volksbefragung für sinnvoll hält, erklärte am 21. September, dass für ihn weder eine Abschaffung noch ein Aussetzen der Wehrpflicht vorstellbar sei.

Abfuhr von der ÖVP

Spindelegger sprach nun von einem ihm unverständlichen „Hin- und Her-Tanzen“. Er zeigte sich aber „erstaunt“ darüber, dass Darabos plötzlich über die Wehrpflicht diskutieren wolle, was aber vor ein paar Wochen für ihn ein „Sakrileg“ gewesen sei. Er frage sich, „was in zwei Wochen sein wird: wird er dann aktiv für eine NATO-Beitritt eintreten?“, fragte Spindelegger.

ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf meinte, es handle sich um einen „plumpen Wahlkampfgag“. „Schockiert“ ist er über die Unterstützung für den Häupl-Vorschlag durch Faymann und Darabos, hätten die doch ihre Position innerhalb von 14 Tagen um 180 Grad gedreht. Kopf hält es für verantwortungslos, wenn man fünf Tage vor einer Wahl in einer sicherheitspolitisch so bedeutenden Frage einfach in die Luft schieße, wie das Häupl tue. Derzeit werde eine Sicherheitsdoktrin erarbeitet, da sei es völlig kontraproduktiv, mit Wahlkampfgags punkten zu wollen. Daher wolle er sich pro oder contra Wehrpflicht auch nicht festlegen, weil damit der Diskussion zur Doktrin vorgegriffen würde.

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