Ärger im „Village Naturiste“
Auf Europas bekanntestem FKK-Strand in Cap d’Agde an der südfranzösischen Mittelmeerküste köchelt ein Konflikt: Nachdem das Feriendorf immer mehr zu einem Anziehungspunkt für Swinger zu werden scheint, gehen nun die „traditionellen“ Nudisten auf die Barrikaden. Sie sehen ihr Paradies akut bedroht.
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Der Ansturm von Touristen, die mit sehr eindeutigen Absichten nach Cap d’Agde kämen, gleiche einer „Invasion“, berichtete am Donnerstag der britische „Independent“. Den „Traditionalisten“ der FKK-Gemeinde gefällt das offensichtlich gar nicht. Wegen des Ansturms der „Libertines“, die an nichts als Sex interessiert seien und sich kaum um Moral scherten, sei es in der vergangenen Woche zu öffentlichen Protesten während einer Stadtratssitzung gekommen.
Die Nudistengemeinde von Cap d’Agde, hieß es in der britischen Zeitung, beklage allerdings nicht erst jetzt die schleichende Verschandelung ihrer „Stadt der Nackten“ durch immer mehr Swingerclubs und Stundenhotels. Schon vor zwei Jahren soll es einige Brandanschläge auf Sexklubs gegeben haben, die den „Fundamentalisten“ der FKK-Kolonie zugeschrieben würden.
„Europäische Hauptstadt des freien Sex“
Derzeit ist die Situation zwar etwas ruhiger, aber doch gespannt. Bei einem Termin mit der Stadtverwaltung beschwerten sich die alteingesessenen Naturisten, sie und ihre Kinder würden andauernd durch „voyeuristisches“ und „exhibitionistisches“ Verhalten, das bis zu Sex unter freiem Himmel reiche, belästigt.
„Wenn die Sonne scheint, dann verwandelt sich ein Teil von Cap d’Agde in die europäische Hauptstadt des freien Sex“, zitierte der „Independent“ Stadträtin Florence Denestebe. „Kleiderlos ist erlaubt“, wirbt der Ferienort, aber die neue Invasion ist ihr dann offenbar doch zu viel. Stadträtin Denestebe appellierte daher dringend an Bürgermeister Gilles d’Ettore, einzugreifen, um eine „Explosion des ungezügelten Verhaltens“ zu verhindern.
40.000 Menschen im „Village Naturiste“
Das FKK-Dorf („Village Naturiste“), das in den 70er Jahren entstand, zieht jedes Jahr Zehntausende Touristen an. In dem Stadtviertel finden sich Apartment- und Reihenhäuser, Bars und Restaurants. Mit Banken, Postämtern, Arztpraxen, Supermärkten etc. verfügt das Stadtviertel über eine quasi vollständige Infrastruktur. Der Sandstrand des „Village Naturiste“ ist über zwei Kilometer lang. Während der Feriensaison hat Cap d’Agde bis zu 40.000 Bewohner.
Die „Invasion“ der Unmoral
Der - aus der Sicht der Naturistengemeinde - Niedergang der Siedlung begann vor rund zehn Jahren, als sich Swingerclubs mit Namen wie „Garten Eden“ und „Gärten Babylons“ anzusiedeln begannen. Danach, zitiert der „Independent“ eine Reportage einer irischen Journalistin vom Vorjahr, habe die Stadtverwaltung die Regeln gelockert, um die „Libertines“ nicht gleich wieder zu verprellen – aus ökonomischen Interessen. Mit ihren eindeutigen Absichten, die sie auch exhibitionistisch selbst in Restaurants zu Schau stellten, bringen die „Invasoren“ die gewohnte Welt der Nudistenkolonie nun gehörig durcheinander.
Verärgerte Traditionalisten
„Wir habe hier vor 34 Jahren eine Wohnung gekauft, weil wir nackt, mit der Sonne leben wollten. Wir wollten ein natürliches Leben. Jetzt sind wir von wilden Tieren umgeben“, beklagte sich eine Bewohnerin des Ferienortes am Languedoc gegenüber der Zeitung. „Oft sind hier mehr Menschen bekleidet unterwegs als nackt (...). Wenn Du nur ein normaler Nudist bist, sehen sie Dich an wie etwas Bizarres“, erklärte ein anderer Bewohner der „Stadt der Nackten“. Cap d’Agde ist ein Teil von Agde, einer 21.000-Einwohner-Stadt am Golf von Lion zwischen der Grenze zu Spanien und der Mündung der Rhone ins Mittelmeer.
„An die Gurgel gehen“
Bürgermeister D’Ettore erklärte, so der „Independent“, dass er die Bedenken der Einwohner ernst nehme, allerdings schon alles in seiner Macht Stehende getan habe, um zu verhindern, dass einander „die beiden Stämme an die Gurgel gehen“. Formale Beschwerden habe es in diesem Sommer keine gegeben, fügte D’Ettore hinzu. „Wir haben Partnertausch oder freizügiges Verhalten nicht in Cap d’Agde erfunden. Das ist seit zehn Jahren ein gesellschaftlicher Trend“, zitierte die britische Tageszeitung den Bürgermeister, der zugleich im französischen Parlament sitzt. „Ich weigere mich, Werturteile über das Sexualverhalten anderer Menschen abzugeben. Ich kann nicht hinter jeden von 40.000 Nudisten einen Polizisten stellen.“
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