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„Politik mit der Angst des Bürgers“

Die österreichischen Rechtsanwälte warnen vor dem schleichenden Verlust der rechtsstaatlichen Kriterien durch politische Unbedachtheit. „Es besteht die Gefahr, dass der Rechtsstaat beschädigt und in manchen Bereichen sogar ausgehöhlt wird.“ Mit diesen Worten hat der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Gerhard Benn-Ibler, den diesjährigen Anwaltstag in Salzburg eröffnet.

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Vor 250 Vertretern aus Justiz, Politik und Wirtschaft warnte Benn-Ibler vor einer drohenden Rückentwicklung des Rechtsstaats. Als unübersehbaren Angriff auf den Rechtsstaat bezeichnete er etwa die immer stärker werdenden Tendenzen, persönliche Freiheiten gegen eine nur scheinbare Sicherheit zu tauschen. Nach jedem Anlassfall werde immer tiefer in Grundrechte eingegriffen, um immer neue Überwachungsmaßnahmen durchzusetzen - nach dem Motto: „Wer nichts zu verbergen hat, braucht keine Angst zu haben.“ „Wir wollen keinen durchsichtigen Staatsbürger“, sagte der ÖRAK-Präsident. Hier werde mit der Angst des Bürgers Politik gemacht.

Gesetzeslandschaft „unübersichtlich“

Generell sei zudem eine Verstrafrechtlichung immer weiterer Lebensbereiche zu beobachten, so Benn-Ibler. „Zwischen erlaubtem und strafbarem Handeln gibt es einen Bereich, in dem ein solches Handeln zwar sittlich verwerflich, aber noch nicht strafbar ist“, so Benn-Ibler. Dieser Bereich werde immer schmäler. Die Folge: Der Bürger könne nicht mehr klar erkennen, wo die Grenze zur Strafbarkeit verläuft. Dadurch verliere das Gesetz seine Wirkung. „Was man nicht mehr beachten kann, davor verliert man die Achtung“, so Benn-Ibler.

Die für die Bürger immer unübersichtlichere Gesetzeslandschaft verursache ein Gefühl der Unsicherheit. „Wir wollen daher klare, scharf abgegrenzte Straftatbestände, die das strafbar Verbotene eindeutig erkennen lassen“, sagte Benn-Ibler. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Kritik der Rechtsanwälte am geplanten Terrorismuspräventionsgesetz.

Bereits im Vorfeld des Anwaltstages kritisierte Benn-Ibler im Gespräch mit der APA das geplante Gesetz. Durch dieses könne es zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit kommen. Die Tatbestände im entsprechenden Entwurf seien nicht exakt genug definiert, es gebe „keine klare Grenzlinie, was erlaubt und was verboten ist“. Wenn etwas einmal Gesetz werde, habe man nicht mehr im Griff, bei welchen Sachverhalten es angewendet wird. Damit ziele er auch auf den umstrittenen „Mafia-Paragrafen“ 278a StGB, der im Tierschützerprozess angewandt wurde, ab, bestätigte Benn-Ibler auf Nachfrage.

„Tausende Euro Kopierkosten“

Auch die finanzielle Enge, in der sich die heimische Justiz seit geraumer Zeit befinde, schade dem Standort Österreich sowie der Rechtsstaatlichkeit. „Eine funktionierende Justiz bedarf entsprechender Ressourcen“, so Benn-Ibler. Die Justiz sei seit einigen Jahren über ihre Grenzen hinaus belastet, weitere budgetäre Maßnahmen seien daher unumgänglich.

„Bei der Justiz darf es kein Kaputtsparen geben“, so der ÖRAK-Präsident in Hinblick auf die bevorstehende Sanierung des Staatshaushaltes. Eine Budgetsanierung auf Kosten des Rechtsstaates sei strikt abzulehnen. Schließlich sei die Justiz bereits jetzt selbsttragend, sieht man vom Bereich des Strafvollzugs ab.

Es sei aber ebenso abzulehnen, wenn dem Bürger durch drastische Gebührenerhöhungen, wie etwa für Aktenkopien, immer größere Hürden in den Weg zu seinem Recht gestellt würden. „Wenn für umfangreiche, aber nicht ungewöhnliche Aktenumfänge plötzlich mehrere tausend Euro Kopierkosten anfallen, trägt auch das zur Einschränkung des Rechtsstaates bei“, so Benn-Ibler. Für viele Menschen in diesem Land seien diese Hürden nur mehr schwer zu überwinden.

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