Ein Film ohne Antworten
Man nennt ihn Mr. Butterfly oder schlicht Americano - sein Auftraggeber nennt ihn Jack, seine Geliebte Eduardo - so wenig wie seinen wahren Namen erfährt man auch über die Vergangenheit des Profikillers, gespielt von George Clooney in „The American“.
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Nach seinem Debütfilm „Control“, der gefeierten Hommage an den Joy-Division-Sänger Ian Curtis, hat der niederländische Starfotograf Anton Corbijn mit seinem zweiten Kinofilm „The American“ Martin Booths Roman „A Very Private Gentleman“ im Stil einer Kurzgeschichte verfilmt. Unaufgeregt, mit Liebe zum Detail und ohne einen Hauch von Special Effects erzählt er die Geschichte des Killers, der des Mordens überdrüssig ist.

Tobis Film
Anton Corbijn inszeniert den Thriller mit starker Bildsprache.
Anstatt auf wilde Verfolgungsjagden oder Stunts setzt Corbijn auf subtile Gefühle und das Psychogramm eines von Unsicherheiten geplagten Mörders, das Clooney mit schweigsamer Präzision transportiert. Nicht ein einziges Mal sieht man ihn lächeln, umso geheimnisvoller ist die Aura, die ihn umgibt, und die im Laufe des Films immer stärker wird.
Der letzte Auftrag eines Mörders
Auf der Flucht nach einem nicht näher definierten, verpatzten Auftrag zieht sich der Auftragsmörder Jack (Clooney)in das mittelitalienische Dorf Castel del Monte zurück. Dort will er eine letzte Präzisionswaffe für eine ebenso geheimnisvolle wie unheimliche Kollegin (Thekla Reuten) anfertigen, bevor er sich endgültig aus dem blutigen Job zurückzieht.
Namenlose Fremde verfolgen ihn, er wird gejagt, ohne dass man erfährt, warum. Er besucht regelmäßig eine klischeehaft heißblütige Prostituierte namens Clara (Violante Placido), die sich in ihn verliebt und von einem gemeinsamen Leben fern von italienischer Kleinstadtstille träumt. Langsam gerät Jacks selbst gewählte Welt aus Misstrauen und Isolation ins Wanken.
Clooney beim Work-out ohne T-Shirt
Über weite Strecken inszeniert Corbijn Clooney wie eine äußerst dekorative Figur in einem Gemälde. Aus nahezu jeder möglichen Perspektive darf das Publikum den Darsteller ausgiebig studieren. Seinen täglichen Routinen - Krafttraining, Waffen bauen, Kaffee trinken - folgt die Kamera ohne jede Distanz und aus oft ungewöhnlichen Blickwinkeln.

Tobis Film
Profikiller Jack (George Clooney) taucht in Italien unter.
Der Film wird dominiert durch starke Farben, ruhige Nahaufnahmen, Einstellungen aus der Vogelperspektive und dem Spiel mit der Unschärfe. In anderen Momenten wiederum verzichtet Corbijn auf aufwendige Ausleuchtung, bleibt puristisch und erzielt so den größten Effekt. Bestes Beispiel: Clooneys Work-out ohne T-Shirt, wort- und farblos, weder ausgeleuchtet noch glänzend präsentiert.
Star des Thrillers ist neben Clooney die italienische Landschaft, die manchmal als fast surreal anmutende Kulisse dient. Enge Gassen, die grauen Fassaden und labyrinthartigen Treppen der Häuser stehen in Kontrast zur endlosen Weite der kargen Landschaft und werden vor Corbijns Kamera zu einem ästhetischen Gesamtkunstwerk.
Italo-Western im Thriller
Die Spannung baut Corbijn dadurch auf, dass sich die Unsicherheit und Unwissenheit des Publikums im Laufe des Films - unterstützt durch die suggestive Musik aus der Feder Herbert Grönemeyers - stetig aufbaut. So wie Clooney als Killer immer mit der Waffe im Anschlag auf der Hut ist, kann sich der Zuschauer keine Sekunde in Sicherheit wiegen. „Ich denke, das bringt die Einsamkeit mehr zur Geltung. Es wird alles bis auf die Basis zerlegt. Da ist immer diese Angst, dass jemand von irgendwo kommt, dass Gefahr lauert“, erklärte der Regisseur im Interview mit der APA.
Filmhinweis:
Anton Corbijns Film „The American“ mit George Clooney ist ab 17. September in österreichischen Kinos zu sehen.
Überraschend und letztendlich zum Schaden des Thrillers ist Corbijns Hang zum Klischee, der sich im letzten Drittel einschleicht. Eine Verfolgungsjagd mit der Vespa und durch die Marienprozession des kleinen italienischen Städtchens, die angestrebte Erlösung durch Liebe - und im Fernsehen läuft „Spiel mir das Lied vom Tod“ - Szenen wie diese lassen die ansonsten mit Hang zur Perfektion aufgebaute subtile Spannung gegen Ende hin bröckeln, ohne sie gänzlich zu zerstören: „The American“ ist ein Film ohne Antworten - ein ungewohnt langsamer Thriller.
Sophia Felbermair, ORF.at
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