Themenüberblick

Der Vielfilmer der Nouvelle Vague

Claude Chabrol mochte Leichen, Fassaden, hinter denen es bröckelt, und er fand die Dummheit der Menschen unendlich viel interessanter als ihre Intelligenz: persönliche Vorlieben, die er gekonnt in seinen Filmen verarbeitete und die ihn zu einem zynischen Betrachter der französischen Bourgeoisie machen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Mehr als 50 Jahre lang entlarvte der Regisseur Unaufrichtigkeit, Falschheit, Engstirnigkeit und Egoismus des Bürgertums; für ihn ist das der Stoff für hintergründige Provinz- und Familiendramen, gern angereichert mit Inzest und Mord. Kein anderer Regisseur seiner Generation hat eine solche Produktivität aufzuweisen, kein anderer seiner französischen Kollegen der legendären Nouvelle Vague der 50er Jahre hat Anspruch, Intelligenz, Popularität und Unterhaltsamkeit auf der Leinwand so gelungen zusammengeführt wie der gebürtige Pariser, der Hitchcock zum Vorbild hatte und selbst eine Handschrift fand.

1957 ersten Spielfilm gedreht

Nach dem Wunsch seiner Eltern wäre Chabrol wie sein Vater Apotheker geworden, doch nach zwei Semestern Pharmazie entschied er sich doch für den Film. Erst wurde er Kritiker, dann lieferte er 1957 mit „Die Enttäuschten“ seinen ersten Spielfilm ab, ein Dorfdrama um die Verderbtheit der Menschen in der Provinz. Zwei Jahre später gewann der Franzose mit seinem nächsten Werk „Schrei, wenn du kannst“ bei der Berlinale schon den Goldenen Bären.

Abgründige Krimis

In seinen besten Jahren zwischen 1967 und 1973 schuf Chabrol mit den Meisterwerken „Die untreue Frau“, „Der Schlachter“ und „Blutige Hochzeit“ nur vordergründig melodramatische Kriminalgeschichten. In Wahrheit waren es allesamt Expeditionen in die Abgründe des französischen Klein- und Großbürgertums.

Der Filmemacher, ein Kenner und großer Bewunderer der Werke von Georges Simenon, war in jenen Jahren des kulturellen Umbruchs auf der Höhe seiner künstlerischen Kraft. Und er hatte eine Botschaft, die verstanden wurde: „Ich möchte dem Publikum sagen, dass der Mensch in seinem kurzen Leben die verdammte Schuldigkeit hat, danach zu trachten, glücklich zu sein.“

Schlechte Filme sind „nicht schlimm“

Wer viel arbeitet, dem gelingt nicht alles. Chabrol gab freimütig zu, auch missglückte und einige schlichtweg schlechte Filme verantwortet zu haben: „Es ist nicht schlimm, solche Filme zu machen, man muss es nur wissen.“ Im Gegensatz zu den eher intellektuell orientierten Weggefährten Francois Truffaut, Jean-Luc Godard und Eric Rohmer war Chabrol stets der Mann mit der größten Offenheit für ganz verschiedene Stoffe und Projekte.

Selbst für ganz banale Auftragsproduktionen war er sich nicht zu schade: „Ich glaube, es ist ein Beruf, bei dem man sich die Hände schmutzig machen muss. Gelegentlich kann man etwas machen, was man machen möchte, aber nur gelegentlich.“

Links: