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Einwanderung gilt als heikles Thema

Bis 2055 werde die Bevölkerung Japans um fast ein Drittel schrumpfen, erwarten Demografen. In 50 Jahren werden 42 Prozent der Japaner über 65 Jahre alt sein. Das Land altert, und damit wachsen auch die Probleme beim Pensions- und Gesundheitssystem. Dennoch gilt die Einwanderungspolitik nahezu als Tabu.

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Zwar sei die Einwanderung in jedem Land ein heikles Thema, sagte Hidenori Sakanaka, früher Leiter des regionalen Einwanderungsbüros in Tokio, heute Chef eines Forschungsinstituts, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Aber es ist ziemlich sinnlos, über Wachstum zu sprechen, während man ignoriert, dass die Bevölkerung pro Jahr um 500.000 oder mehr zurückgeht.“ Er warnt vor einem Zusammenbruch des Pensions- und öffentlichen Krankenkassensystems.

Historische Ursachen

Die Scheu vor dem Thema hat auch historische und kulturelle Wurzeln. Japan schottete sich mehr als 200 Jahre lang von der übrigen Welt ab, bis es sich Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Druck der USA öffnete. Heute sind gerade einmal 1,7 Prozent der Bevölkerung Ausländer. Ihre Zahl ging 2009 wegen der Wirtschaftskrise sogar zum ersten Mal seit 48 Jahren zurück. Viele Japaner sind stolz auf die Homogenität ihrer Gesellschaft und befürchten, dass mehr Einwanderung auch mehr Gewalt und Streit bedeuten würde.

Häusliche Gewalt auf Rekordhoch

Gewalt steht dennoch an der Tagesordnung. Häusliche Gewalt war lange ebenfalls Tabuthema in Japan. Mittlerweile wird sie als gesellschaftliches Problem anerkannt. Über 28.000 Plätze wurden 2009 von der Polizei registriert - die höchste Zahl seit dem Start der Datenerfassung 2002.

Gesunde Ernährung, eine gute Gesundheitsversorgung und eine aktive Lebensweise werden als Gründe für die hohe Lebenserwartung der Japaner - Frauen über 86 Jahre und Männer über 79 Jahre - genannt. Demografisch ist das lange Leben der Japaner allerdings ein Problem. Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Pensionisten versorgen. Durch die Geburten alleine wird die Bevölkerung nicht wachsen.

2,1 Kinder müsste jede Frau bekommen, um die Zahl der Einwohner stabil zu halten. Die tatsächliche Zahl liegt bei 1,3 Kinder pro Frau. Mit einer Form von Kindergeld will die Regierung gegensteuern, offen ist noch, wie stark sich diese Maßnahme auswirkt. Sofort würde das Problem mit einem starken Geburtenschub auch nicht gelöst. Dem Arbeitsmarkt würden sie so und so erst 2030 zur Verfügung stehen. „Wir müssen uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir die kommenden 20 Jahre überleben werden“, betonte Atusis Okamura vom Nomura Research Institute und fordert eine längst überfällige Diskussion über Einwanderung.

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