„Schwarze Null bis 2013 machbar“
Die finanzielle Situation der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ist alles andere als rosig. Nach einer Sitzung des Aufsichtsrats der ÖBB Holding hat das Management zuletzt die Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2010 und gleichzeitig ein Konzept präsentiert, mit dem der seit Juni amtierende ÖBB-Chef Christian Kern das Unternehmen in die schwarzen Zahlen zurückbringen will.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Die ÖBB haben Zukunft, wenn das Unternehmen sich konsequent ändert“, lautete das Fazit zur derzeitigen wirtschaftlichen Situation der Bahn in einer Aussendung der ÖBB Holding vor rund drei Wochen. „So wie bisher geht es nicht mehr weiter“, die „Lage ist ernst“, Ziel müsse ein rascher Turnaround sein.
Wie „anspruchsvoll“ die Situation ist, zeigen die Zahlen für das erste Halbjahr 2010: Von Jänner bis Juli fuhr der Gesamtkonzern laut Aussendung trotz eines um 13 Prozent gestiegenen Umsatzes (3.127 Mio. Euro) einen kräftigen Verlust ein. Das Vorsteuerergebnis (EBIT) lag bei minus 46 Mio. Euro. Die Teilbereiche Personenverkehr und Infrastruktur schrieben mit 19 und 21 Mio. Euro schwarze Zahlen, während die Rail Cargo Austria infolge der schwachen Konjunktur 77 Mio. Euro Verlust machte.
Ernüchternder Ausblick
„Die ÖBB sind schon heuer mit einem signifikanten Ergebniseinbruch konfrontiert“, hieß es in der Aussendung. „Das Halbjahresergebnis ist schlechter als geplant, das voraussichtliche Jahresergebnis nicht besser. Ein negativer dreistelliger Millionenbetrag ist Ende des Jahres zu erwarten.“ Als Ursache führte das Management steigenden Wettbewerbsdruck, den kontinuierlichen Verlust der Monopolstellung und den Sparkurs der öffentlichen Hand an, gestand aber auch eigene Versäumnisse ein.
„Extreme Aufblähung“
So seien etwa - Kostensenkungsprogramme „zwar konzipiert, aber nur zögerlich umgesetzt“ worden, die Bahnreform 2003 habe „zu einer extremen Aufblähung geführt“, mit dem Effekt, dass „ein zu großer Apparat immer stärker mit sich selbst beschäftigt“ gewesen sei und „dabei die Bedürfnisse der Kunden vernachlässigt“ habe. „Die rechte Hand wusste nicht mehr, was die linke Hand tut.“
Rasen und „Wurstsemmelbeschaffung“
Als Beispiel für die Folgen der Zersplitterung in verschiedene Teilgesellschaften nannte Kern eine 1.000 Quadratmeter große Rasenfläche, die von drei verschiedenen ÖBB-Organisationen bewirtschaftet werde. Konkret komme jeden Tag ein anderer ÖBB-Mitarbeiter, um ein anderes Stück der Grünfläche zu mähen. „Die permanente Selbstbeschäftigung hat dazu geführt, dass wir das Wesentliche aus den Augen verloren haben, nämlich unsere Kunden.“
Das frühere Bahnmanagement habe sich der Ausreden bedient, dass die Zurufe der Politik und die starke Gewerkschaft alles verhinderten. „Man hat sich vor jeder Wurstsemmelbeschaffung gefürchtet“, meinte Kern - wobei er seinen direkten Vorgänger Peter Klugar ausdrücklich von der Kritik ausnahm.
Teure Verträge und Pensionen
Schließlich sei auch die Pensionierungspraxis, die bis 2015 jährlich bis zu 123 Mio. Euro kosten könne, viel zu teuer. Ein „zentraler Problemfall“ schließlich sei die Rail Cargo Austria, bei der „650 Millionen Eigenkapital (...) innerhalb von drei Jahren vernichtet“ worden seien. Die seien nicht nur im krisenbedingten Einbruch des Güterverkehrsaufkommens zu suchen, sondern seien teils auch „hausgemacht“.
Sparstift beim Personal
Kern will nun kräftig den Sparstift ansetzen. Einerseits sollen Geschäftsfelder, die sich nicht rechnen, „der strengsten betriebswirtschaftlichen Prüfung“ unterzogen, auf Dreijahressicht 1.000 Verwaltungsjobs gestrichen werden, und der externe Beratungsaufwand soll drastisch gekürzt werden. Die „sogenannte Bahnreform“ 2003 habe annähernd 100 Mio. Euro für externe Beratungsleistungen verschlungen, hatte Kern schon Mitte August festgehalten. Auch beim Einkauf will die Bahn den Sparstift ansetzen.
„Kaum manövrierbare Masse“
Vor allem aber will die Bahn ihre enormen Personalkosten, eine mit 43 Prozent der Gesamtausgaben „kaum manövrierbare Position“, drücken. „Das Pensionsantrittsalter muss jedes Jahr weiter steigen, es muss deutlich weniger betriebsbedingte Pensionierungen geben, im Lauf des Jahres 2011 wird ganz darauf verzichtet. Die Mitarbeiter sollen länger im aktiven Arbeitsprozess gehalten werden, das Personal produktiver und effizienter eingesetzt werden“, heißt es. Die Anhebung des Pensionsantrittsalters sei eine gemeinsame Aufgabe der Politik als Gesetzgeber, der ÖBB und ihrer Betriebsräte. Letztere dürften mit diesen Plänen aber keine große Freude haben.
Auf der Einnahmenseite müsse das Motto „Kampf um jeden einzelnen Kunden“ heißen. „Jeder ist im Kundendienst - vom Portier bis zum Manager, vom Zugbegleiter bis zum Wagenmeister.“ Für mehr Kundenzufriedenheit sei bereits ein Katalog von „70 Sofortmaßnahmen“ – von der Reduktion von Wartezeiten bis zur Vereinfachungen von Onlinebuchungen – erstellt worden. Alles in allem glaubt Kern, dass das Sanierungskonzept bereits in drei Jahren Erfolge zeigen kann. „Wenn man die ÖBB arbeiten lässt, ist eine schwarze Null bis 2013 machbar.“
Link: