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Sechs Jahre langes Verfahren

In Portugals spektakulärem Kinderschänder-Prozess hat ein Gericht sechs von sieben Angeklagten für schuldig befunden. Sieben Menschen, unter ihnen mehrere Prominente, waren in der „Casa Pia“-Affäre wegen Kindesmissbrauchs sowie Vergewaltigung und Kuppelei angeklagt.

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Das Richterkollegium sprach am Freitag in Lissabon sechs der sieben Angeklagten in mehreren Punkten schuldig. Die älteren Männer aus der High Society sollen zwischen knapp sechs und 18 Jahren ins Gefängnis. Eine Frau, deren Haus als Tatort diente, wurde freigesprochen. Der Mammutprozess hatte sechs Jahre gedauert.

Die Täter wurden unter anderem der Vergewaltigung, des Kindesmissbrauchs sowie der Kuppelei für schuldig befunden. Sie vergingen sich jahrelang an mindestens 32 Minderjährigen des staatlichen Waisenhauses „Casa Pia“ in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon.

TV-Showmaster, Diplomat und Arzt

Der bekannteste unter den Tätern ist Showmaster Carlos Cruz, der bei Ausbruch des Skandals im November 2002 einer der beliebtesten Fernsehmoderatoren Portugals war. Der 68-Jährige muss für sieben Jahre hinter Gitter. Der einzige Geständige, der ehemalige Gärtner und Fahrer des Heimes, Carlos Silvino, bekam 18 Jahre.

Politiker Jorge Ritto, ein früherer UNESCO-Botschafter und mit 73 Jahren ältester Angeklagter, wurde zu sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Der Arzt Joao Ferreira Diniz bekam sieben Jahre, Anwalt Hugo Marcal sechs Jahre und zwei Monate und der Unternehmer Manuel Abrantes fünf Jahre und neun Monate.

Gestanden hat im Laufe des Verfahrens aber nur einer der Angeklagten, und zwar der ehemalige Gärtner und Fahrer des Heimes, Carlos Silvino, der im Verfahren die anderen Verurteilten belastete.

Schock nach Enthüllung

Der Skandal schockierte die Nation nach ersten Enthüllungen der Wochenzeitung „Expresso“ im November 2002 und hielt das Land bis zum Ende des Prozesses in Atem. Erste Vorwürfe sollen bereits in den 80er Jahren bekanntgeworden sein, blieben jedoch ohne Konsequenzen.

Völlig skrupellos

Die Täter seien „völlig skrupellose Menschen“, sagte eines der mutmaßlichen Opfer der Zeitung „Publico“. Der heute 23-jährige Miguel fügte an: „Die bereuen das alles immer noch nicht. All diese Sachen sind immer noch in meinem Kopf, tauchen in meinen Alpträumen immer wieder auf.“ Mit einer Laufzeit von fünf Jahren und zehn Monaten war das Verfahren der längste Prozess in der Geschichte Portugals. Das Gericht tagte 450-mal, fast 1.000 Zeugen und Sachverständige wurden gehört. Immer wieder gab es Kritik an den schleppenden Ermittlungen.

Jahrzehntelanger Missbrauch

Die vor 230 Jahren gegründete Institution war nach Klagen älterer ehemaliger Heimbewohner bereits in früheren Jahrzehnten Schauplatz von Kindesmissbrauch gewesen.

Der Anwalt und Menschenrechtler Pedro Namora war den Tränen nahe, als er während einer Pause in der langen Urteilslesung vor laufenden TV-Kameras forderte: „Die müssen alle verurteilt werden, auch im Namen Hunderter früherer anonymer Opfer des Heimes, die heute immer noch darunter leiden.“ Eines der jüngsten Opfer habe neben ihm im Gerichtssaal gesessen und „so sehr gezittert, dass die Bank sich bewegt hat“. Auch Namora wurde als Kind im Heim sexuell missbraucht.

Spekulation auf Verjährung?

Beobachter erklärten jedoch, das Verfahren werde mit der ersten Urteilsverkündung noch längst nicht zu Ende gehen. Die Anwälte der Angeklagten würden auf jeden Fall Berufung einlegen, um irgendwann auf Verjährung pochen zu können, hieß es in den Medien. „Die werden alles versuchen, aber heute sind wir sehr zufrieden“, sagte Namora.

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