Chemiekeulen in Amateurhand
Wanzen sind Menschen und Haustieren seit grauer Vorzeit dicht auf den Fersen. Jahrhundertelang waren die nur wenige Millimeter kleinen Blutsauger einer der häufigsten „Mitbewohner“, bis die Plage durch steigende hygienische Standards und wirksame Bekämpfungsmittel zurückgedrängt werden konnte.
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In den USA allerdings kehrt sie nun zurück. Hauptgrund dafür dürften zunehmende Resistenzen gegen Pestizide sein. Immer mehr Haus- und Wohnungsbesitzer würden, berichteten US-Medien, immer schwerere Geschütze gegen die Blutsauger auffahren. Weil andere kaum noch Wirkung zeigten, setzten wanzengeplagte US-Amerikaner bereits Schädlingsbekämpfungsmittel in ihren vier Wänden ein, die eigentlich in geschlossenen Räumen nichts zu suchen haben. Kammerjäger könnten sich vor Aufträgen kaum erwehren.
Umweltschutzbehörde warnt
Mittlerweile sei der Griff zur bedenklichen Chemiekeule derart häufig, dass die US-Umweltschutzbehörde EPA bereits offiziell vor einer möglichen Gesundheitsgefährdung für die Amateurschädlingsbekämpfer warnte. Die möglichen Folgen reichten von Reizungen der Augen und der Haut bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko, zitierte die Huffington Post die Behörde. Trotzdem bemühten sich einige Städte angesichts der Wanzenplage bei der EPA um die Wiederzulassung von Pestiziden, die wegen möglicher krebserregender Eigenschaften nur noch im Freien verwendet werden dürfen.
Wohnzimmer statt Weizenfeld
Eine Schädlingsbekämpfungsfirma in New Jersey griff sogar bei der Behandlung von Matratzen und Kinderspielsachen zu extrem aggressiven Giften. Im Bundesstaat Ohio habe ein Schädlingsbekämpfer ohne Lizenz in einem Wohnkomplex Pestizide, wie sie nur in der Landwirtschaft verwendet werden dürfen, eingesetzt. Mehrere Personen, so die Huffington Post, mussten wegen schwerer Übelkeit im Krankenhaus behandelt werden.
Äußerst anpassungsfähig
Bett- oder Hauswanzen (Cimex lectularius) sind 3,5 bis 5,5 Millimeter groß und ernähren sich vom Blut ihrer Wirte. In vollgesogenem Zustand kann sich die Größe annähernd verdoppeln. Die nachtaktiven Parasiten sind äußerst anpassungsfähig und vermehren sich rasch.
Die nachtaktiven Blutsauger, die nach ihren Bissen stark juckende Hautrötungen hinterlassen, darüber hinaus aber meist harmlos sind, hätten sich, heißt es, besonders seit dem Verbot des Schädlingsbekämpfungsmittels DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) wieder rasant zu vermehren begonnen. Das Mittel wurde in den meisten westlichen Ländern vor rund 40 Jahren aus dem Handel genommen. Gegen Produkte, die statt DDT verwendet wurden, hätten die Wanzen im Laufe der Jahre Resistenzen entwickelt. Außerdem hätten Schädlingsbekämpfer seither wegen allgemein strengerer Regeln für den Umgang mit Chemikalien „weniger Waffen in ihrem Arsenal“.
Kammerjäger haben Hochsaison
Die Folge: Wie eine „Einsatzstatistik“ des Unternehmens Ohio Extermination Co. zeigt, nimmt die Plage immer drastischere Ausmaße an. Waren es 2006 zwei Einsätze wegen Bett- oder Hauswanzen (zoologischer Name: Cimex lectularius), dürften es 2010 an die 3.000 werden. Ohne umfassende Bekämpfungsprogramme dürfte der Plage kaum noch wirksam beizukommen sein.
Dabei ist der Grund für einen Befall in den eigenen vier Wänden keineswegs immer eine Folge mangelnder Sauberkeit. Die Insekten, so die Huffington Post, seien „gut getarnte Anhalter“, die sich sehr leicht von allen möglichen Orten wie Hotels einschleppen ließen, indem sie sich unbemerkt in allen Arten von Textilien verstecken – nicht nur in schmutzigen.
New Yorker „Kriegserklärung“
In New York mussten im Sommer ein Kino und ein nobles Dessousgeschäft wegen Wanzenbefalls vorübergehend schließen. Darauf erfolgte, wie die „New York Times" schrieb, die „Kriegserklärung“. Die begann mit einer 500.000 Dollar (fast 400.000 Euro) teuren Aufklärungskampagne, um das Problem ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Auch Hausbesitzer kommt die Plage teuer. Er habe bereits Tausende Dollar für Kammerjäger ausgegeben, zitierte die Huffington Post den Hausverwalter Darrell Spegal. „Wir müssen eine andere Lösung finden“, sagte er. „Ich meine, sehen Sie sich um. Die Wanzen gewinnen diesen Krieg.“
Auch der Bürgermeister nicht verschont
In New York, berichtete zuletzt die „New York Times“, liefen bei den über 300 Hotlines der Stadt wegen der Wanzenplage die Telefone heiß. In diesem Jahr habe es bereits über 33.700 Anfragen gegeben. Einer Umfrage zufolge waren im letzten Jahr fast sieben Prozent der New Yorker mit dem Wanzenproblem konfrontiert.
Sogar Bürgermeister Michael Bloomberg habe sich an sie gewandt, sagte Stadträtin Gale Brewer der Zeitung. „Er sagte: ‚Gale, alle meine Freunde haben Bettwanzen, was soll ich tun?’“. „Es ist egal, ob du reich oder arm bist oder zur Mittelklasse gehörst. Du hast einfach Wanzen“, so Brewer. Die Stadt forderte ihre Bürger auf, Matratzen, Pölster, Vorhänge etc. genau unter die Lupe zu nehmen und bei einem Befall einen professionellen Schädlingsbekämpfer zurate zu ziehen. Doch bis sich der gewünschte Erfolg einstellt, so Brewer, ist es mitunter ein weiter Weg. „Sie sind nicht so schnell weg, wie wir das gerne hätten.“
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