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Parteichef für Austritt

Die SPD möchte ihr ordentliches Mitglied, Thilo Sarrazin, Bundesbank-Vorstand und Vertreter provokanter und rassistischer Thesen über Migranten und Juden, am liebsten gestern statt heute loswerden. Doch so einfach ist das nicht: Sarrazin denkt gar nicht daran, den Empfehlungen von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel nachzukommen und freiwillig auszutreten.

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Sarrazin betonte vielmehr am Wochenende, er wolle SPD-Mitglied bleiben. Damit könnte Sarrazin ein neues Parteiausschlussverfahren drohen - denn bereits vor Monaten war der frühere Berliner Finanzsenator nur knapp einem Rauswurf entgangen.

Ein Parteischiedsgericht war im Frühjahr nach ähnlich provokanten Äußerungen zum Schluss gekommen, diese seien zwar provokant, nicht aber rassistisch gewesen. Sarrazin hatte von der „Produktion von Kopftuchmädchen“ gesprochen. „Die Volkspartei SPD muss solche provokanten Äußerungen aushalten“, entschied das Parteigericht. Die Bundesbank hatte damals die Kompetenzen von Sarrazin deutlich eingeschränkt.

„Sehr sozialdemokratisch“

Sarrazin betonte am Wochenende gegenüber der „Welt am Sonntag“, in seinem neuen Buch entwerfe er „bei der Armutsbekämpfung doch genau ein Szenario, das den Arbeitslosen den Einstieg in die Arbeitswelt und sozialen Aufstieg ermöglichen soll“. Das sei „sehr sozialdemokratisch“. Im Bildungsteil des Buches, das er am Montag in Berlin vorstellen will, vertrete er ein „rigides Programm, das bürgerliche Wähler bestimmt für den endgültigen Tod der Familie halten“, sagte Sarrazin. Aber er sehe keinen anderen Ausweg. „Und keiner kann sagen, dass das nicht sozialdemokratisch wäre“, sagte Sarrazin.

Warnung vor „bildungsfernen“ Muslimen

Sarrazin vertritt in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ unter anderem die These, dass muslimische Einwandererfamilien überproportional von Sozialleistungen profitierten und keinen Beitrag zum Wohlstand leisteten. Sarrazin warnte in der „Welt am Sonntag“ auch davor, dass die für die deutsche Wirtschaft benötigte Einwanderung nach Deutschland künftig zu einseitig sein werde.

Aus Osteuropa würden künftig weniger Menschen nach Deutschland kommen. Dort steige der Lebensstandard, zudem sänken auch dort die Geburtenraten. Für Einwanderer aus Indien, China und Vietnam wiederum sei Deutschland nicht attraktiv, diese gingen in die USA. Es sei problematisch, wenn das Gewicht von „bildungsfernen Gruppen“ bei den Einwanderern nach Deutschland zunehme. Solche Einwanderer gebe es unter Muslimen kulturell bedingt besonders viele.

Linke: Sarrazin abberufen

Die Linke fordert eine parteiübergreifende Initiative für eine Abberufung des Bundesbankvorstands Sarrazin, der mit immer neuen Äußerungen über Juden und Muslime für Empörung sorgt. „Ich schlage eine parteiübergreifende Resolution aus der Mitte des Parlaments vor, die Sarrazin zum Rücktritt oder Bundesbankvorstand, Bundesregierung und Bundespräsident zu seiner Abberufung auffordert“, sagte Parteivize Katja Kipping am Sonntag in Berlin laut einer Mitteilung. Besonders SPD und Grüne sollten eine solche Resolution unterstützen. „Ein Rassist und Volksverhetzer ist als Vorstandsmitglied der Zentralbank nicht tragbar.“

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