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Wähler zwischen Trübsal und Skepsis

Nur gut zwei Monate sind es bis zu den US-Kongresswahlen und damit zum großen Test für Barack Obama. Die Stimmung im Land ist mies, rechte Positionen scheinen hoch im Kurs zu sein. Oder schaden sich die Republikaner mit Populismus a la Sarah Palin am Ende eher selbst?

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Vor ein paar Wochen noch sah es gar nicht gut aus für John McCain. Nach seiner Niederlage gegen Barack Obama im Kampf um das Weiße Haus 2008 drohte dem Republikaner-Urgestein nun auch sein Senatssitz für den Staat Arizona abhandenzukommen, schon lange vor den Kongresswahlen Anfang November.

Die Gefahr kam von rechts: Ein von der populistischen „Tea Party“-Bewegung unterstützter Kandidat machte dem 73-Jährigen das Leben bereits im parteiinternen Vorwahlkampf schwer. Am Dienstag setzte sich McCain dann doch klar gegen John David Hayworth durch - nach Einsatz von 20 Millionen Dollar (15,9 Mio. Euro) und einem kräftigen Rechtsruck.

„Referendum für Regierungspolitik“

Frust und Unmut sind groß im Lande angesichts zäher Arbeitslosigkeit oberhalb von neun Prozent und eines Aufschwungs nach der Großen Rezession, dem kurz nach seinem Beginn schon wieder die Luft auszugehen scheint. Die Demokraten müssen um ihre Mehrheiten in beiden Kongresskammern zittern, gerade 45 Prozent der Amerikaner sind mit Obama zufrieden. „Das wird zu einem Referendum über die Regierungspolitik“, frohlockt der republikanische Senator John Cornyn.

Bei der Wahl im November geht es nicht nur um die Neuvergabe von 37 der 100 Senatsmandate und aller 435 Sitze im Repräsentantenhaus. Auch stehen in 37 der 50 Staaten Gouverneurswahlen an.

Harte Konkurrenz: „Tea Party“-Aktivisten

Aber schon während der laufenden Primary-Saison, in der die Parteien ihre Kandidaten für die eigentliche Abstimmung in gut zwei Monaten ermitteln, haben Etablierte - wie John McCain - wenig zu lachen. In Utah, Kentucky, Nevada, Colorado, Connecticut und anderswo setzten sich bei Republikaner-Vorwahlen politische Newcomer durch. Aktivisten der „Tea Party“, wo der Bürgergroll unter anderem gegen zu viel Staat, Megabudgetloch und illegale Einwanderer ein Ventil gefunden hat, spielten oft eine entscheidende Rolle.

Nicht nur der Sieg McCains, auch die Ergebnisse anderer Vorwahlen vom Dienstag entkräfteten unterdessen den Trend ein Stück. In Florida beispielsweise setzte sich bei einer parteiinternen Abstimmung der Demokraten um einen Senatssitz ein Politprofi gegen einen milliardenschweren Aufsteiger durch. Bei den Republikanern in Alaska hatte ein „Tea Party“-Liebling indes arge Mühe, sich im Rennen um ein Senatsmandat gegen die Amtsinhaberin durchzusetzen - und das trotz Unterstützung des Stars der Rechtspopulisten, der einstigen Kandidatin für das Vizepräsidentenamt und Ex-Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin.

Amerika scheint zerrissen zu sein zwischen Trübsal und Skepsis: „Bei vielen Wählern gleicht das Misstrauen gegenüber politischen Aufsteigern die Frustration über die Zustände aus“, kommentiert trocken die „New York Times“ die Ergebnisse vom Dienstag, einem der letzten großen Vorwahltage, bevor der Wahlkampf zur Mitte der Präsidenten-Amtszeit („Midterms“) nach dem US-Feiertag Labor Day am 6. September so richtig in Schwung kommt.

Demokraten hoffen auf Unentschlossene

Die Demokraten finden es inzwischen gar nicht so schlecht, dass die Grenzen zwischen Republikanern und „Tea Party“-Populisten oft verschwimmen. In den USA werden Wahlen in der politischen Mitte gewonnen. Die Partei von Präsident Obama - als Hauptziel des Bürgerfrustes - kalkuliere nun, dass sich parteiunabhängige und unentschlossene Wähler angesichts extremer Positionen von den Konservativen abwenden, analysierte unlängst die „New York Times“.

Geht die Strategie auf, stehen die Republikaner vor einem Dilemma. Dann müssten sie sich von der „Tea Party“ distanzieren, ohne deren Anhänger zu vergrätzen. Und gerade von dort verspricht sich die Opposition im November kräftigen Rückenwind für ihr klares Ziel, beide Kongresskammern wieder zurückzuerobern - und Präsident Obama das Regieren dann erheblich schwerer zu machen.

Frank Brandmaier, dpa

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