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Gemeinsame Front der Opposition

Tausende Menschen haben am Samstag in Kaliningrad den Rücktritt des russischen Regierungschefs Wladimir Putin gefordert.

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An den Protesten in einem Park in der russischen Exklave beteiligten sich sämtliche Oppositionsparteien, wie der Chef der regierungskritischen Solidaritätspartei, Boris Nemzow, dem Rundfunksender Moskauer Echo sagte. Die Polizei sprach von etwa 700 Teilnehmern. Nemzow warf den Behörden vor, die wahren Zahlen auf Geheiß Putins zu verschleiern und sprach selbst von rund 3.000 Demonstranten. Auch ein Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters schätzte die Teilnehmerzahl auf 3.000.

„Radikaler als frühere Proteste“

Mit ihrem Protest wollten die Demonstranten ihrer Unzufriedenheit mit der Regierung Ausdruck verleihen, sagte Nemzow, der unter dem früheren Präsidenten Boris Jelzin einst stellvertretender Ministerpräsident von Russland war. Die Demonstration sei nicht die Größte ihrer Art gewesen, gestand auch Nemzow ein. Seiner Ansicht nach war sie aber aufgrund ihrer Entschlossenheit von einer neuen Qualität: „Dieser Protest war radikaler“ als vorangegangene, so Nemzow, der erst vor drei Wochen bei einer Demonstration gegen die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhaftet worden war.

Die Demonstranten forderten einen unverzüglichen Rücktritt der Regierung. Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete, sprachen sie sich zudem für niedrigere Strom- und Wasserpreise sowie für Lohnkürzungen bei Gouverneuren und lokalen Funktionären aus.

Außerdem forderten sie die Wiedereinführung der populären Direktwahl von Gouverneuren, die von Putin 2005 abgeschafft wurde, um die Gouverneure an die Kandare nehmen zu können.

Die Demonstration könnte auch deshalb weniger Zulauf erhalten haben, weil ihr eigentlicher Grund - der Protest gegen den amtierenden und von Putin ernannten Gouverneur von Kaliningrad - weggefallen war. Der Protest sollte sich gegen eine Wiederkandidatur von Putin-Mann Georgy Boos richten, doch wenige Tage zuvor hatte Putins Partei Vereintes Russland beschlossen, Boos nicht mehr auf die Kandidatenliste zu setzen.

Großdemo im Jänner

In Kaliningrad, dem ehemaligen deutschen Königsberg, hatte es bereits Ende Jänner Proteste gegen Ministerpräsident Putin gegeben. Damals gingen mindestens 10.000 Menschen auf die Straße.

Nach dieser Demo hatte Putin seine eigene Partei scharf dafür kritisiert, dass sie nicht auf die „normalen Wähler“ höre.

TV verschweigt Demo

Der Protest in der zwischen Polen und Litauen gelegenen 940.000-Einwohner-Exklave wurde vom russischen Staatsfernsehen völlig ignoriert. Nur Nachrichtenagenturen und Websites berichteten darüber.

Kaliningrad wurde von Russland abgeschnitten, als Litauen 1991 unabhängig wurde. Bewohner erreichen Russland auf dem Festland nur via Transit durch EU-Territorium. Zölle und Transitkosten treiben die Lebenshaltungskosten deutlich über das durchschnittliche russische Preisniveau. Dazu kommt noch eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit.

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