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Wolken als Beweis

200 Millionen Dollar sollten die Fotos wert sein, die Rick Norsigian vor zehn Jahren auf einem Flohmarkt um 40 Dollar gekauft hatte. Sie wurden hauptsächlich von ihm selbst, jedoch auch von Experten dem berühmten amerikanischen Landschaftsfotografen Ansel Adams zugeordnet. Offenbar zu Unrecht, wie neue Erkenntnisse nahelegen.

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Die spektakulären Bilder wurden in den 20er Jahren im kalifornischen Yosemite-Nationalpark aufgenommen. Als Norsigian sie kürzlich bei einer Pressekonferenz stolz in die Kamera hielt, traute die 87-jährige Marian Walton ihren Augen kaum, wie die „Los Angeles Times“ berichtete. Den Abzug eines der Bilder konnte sie von ihrer Wohnzimmercouch aus ein zweites Mal sehen - wenn sie durch die offene Tür auf ihre Badezimmerwand schaute. Der direkte Vergleich machte sie sicher: Es handelt sich um ein Foto von ihrem längst verstorbenen Onkel, Earl Brooks.

Screenshot von latimesblogs.latimes.com Artikel

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Die beiden Fotos sind nahezu identisch und dürften in nur einer Minute Zeitabstand voneinander aufgenommen worden sein.

Abenteurer statt Starfotograf

Viel weiß sie nicht mehr über ihren Onkel. Nur, dass er ein Abenteurer war, gerne auf Reisen ging, zweimal verheiratet und Hobbyfotograf war: „Von der Schule hat er, glaube ich, nicht viel gesehen, aber er war ein guter Fotograf.“ Seine Bilder erbte Walton, als ihr Vater, der Bruder von Earl, in den 80er Jahren verstarb. An Norsigian gerichtet sagte sie: „Ich bringe vielleicht seinen Traum zum Platzen. Aber ich will nichts als die Wahrheit herausfinden. Ich hasse es, wenn jemand von etwas profitiert, das vielleicht gar nicht ist, wofür er es hält.“

Walton rief nach dem Beitrag beim Sender KTV an, der tags darauf gemeinsam mit dem Galeristen und Ansel-Adams-Experten Scott Nichols auftauchte. Vier Fotos von „Uncle Earl“ nahm er mit. Das Bild von einer Pinie glich einem der angeblichen Adams-Bilder aufs Haar. Nur die Wolken waren um ein paar Millimeter weitergezogen. Der Baumwuchs und alle Einstellungen, vom Fokus bis zur Belichtung, stimmten überein. Die Fotos müssen im Minutenabstand aufgenommen worden sein.

Vieles spricht für „Onkel Earl“

Nichols reichte das noch nicht als Beweis. Er sandte die Bilder an William Turnage, Adams früheren Manager, der bis heute für dessen Rechte zuständig ist, und an drei frühere Assistenten, die mit Adams in den zehn Jahren vor seinem Tod im Jahr 1984 eng zusammenarbeiteten. Einer der Assistenten, Alan Ross, war zuvor schon von Norsigian um eine Expertise gebeten worden - und hatte die Fotos nicht Adams zugeordnet.

Deshalb verfügte er über Abzüge von fast dem gesamten Fotofund Norsigians und konnte Vergleiche anstellen. Dabei kam heraus, dass eines der angeblichen Adams-Bilder praktisch identisch ist mit einem von „Onkel Earl“ und zwei weitere fast identisch und mit Sicherheit bei derselben Fotosession aufgenommen worden waren wie jene aus Norsigians Fundus. Zudem sehe man kleine Fehler auf den Bildern, die von Kratzern und Verschmutzungen auf der Kamera stammen dürften - und dieselben Spuren finden sich auf Norsigians Bildern und denen von „Onkel Earl“. Für Nichols reicht das als Beweis, dass der gesamte Fund auf „Onkel Earl“ zurückgeht.

Norsigians Geschäfte

Schon zuvor hatten Erben von Adams Zweifel an der Echtheit der Bilder angemeldet. Das Team rund um den ehemaligen Anstreicher Norsigian blieb jedoch dabei - die Fotos seien vom Meister selbst. Ein Handschriftenvergleich habe zu Adams’ Frau Virginia geführt, die die Papierhüllen der Negative beschriftet haben soll.

Ein ehemaliger Museumskurator sah im Stil und der Wahl der Motive einen „hohen Grad von Wahrscheinlichkeit“, dass es sich um Aufnahmen von Adams handelt. „Wir haben überwältigend viele Beweise“, versicherte Norsigians Anwalt, Arnold Peter, ungeachtet aller Zweifel. Aber selbst, wenn die Bilder keine 200 Millionen Dollar wert sind, hat Norsigian mit ihnen schon ein Geschäft gemacht. 7.500 Dollar verlangt er für einen handgemachten Abzug, 1.500 Euro für einen digitalen und 45 Euro für ein Poster.

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