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Auch Atomforschungszentrum bedroht

Bei den seit Tagen wütenden Bränden in Russland handelt es sich bereits jetzt um die schwerste Naturkatastrophe der letzten Jahrzehnte, bei der nach offiziellen Angaben bereits über 48 Menschen ums Leben kamen. Doch ein Ende ist derzeit trotz weit über Hundertausend Einsatzkräften nicht in Sicht. Vielmehr weiten sich die Feuer angesichts der anhaltenden Hitze weiter aus.

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Brände in Russland aus dem Weltraum

AP/NASA

NASA-Bild lässt Ausmaß der Feuerkatastrophe erahnen.

Wie der Leiter des nationalen Krisenzentrums, Wladimir Stepanow, am Dienstag bekannt gab, gibt es bis zu 400 neue Brände. Am Vortag sprach Stepanow von mehreren Tausend Bränden verschiedener Größe, wobei diese mittlerweile auch den großen Städten bedrohlich nahe gekommen sind. „Höllenfeuer: 50 Meter hohe Flammen“, titelten Moskauer Zeitungen am Montag. Selbst auf Satellitenbildern sind die Rauchschwaden zu sehen.

Wie die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS mit Verweis auf das Informationsamt des russischen Zivilschutzministeriums berichtet, toben derzeit noch Brände auf einer Fläche von mehr als 172.300 Hektar.

Von Moskau seien die Brände noch zehn Kilometer entfernt, hieß es. Weite Teile der Hauptstadt waren in beißenden Brandrauch gehüllt. Eine Feuerwalze bewege sich unter anderem auch auf die 840.000-Einwohner-Stadt Woronesch etwa 500 Kilometer südlich von Moskau zu, berichtete das Staatsfernsehen. Evakuierungen gab es bereits in der Großstadt Togliatti an der Wolga, wo das Feuer am Wochenende das Stadtgebiet erreichte. Wegen der Brände und der anhaltende Hitze legte auch das dortige Lada-Werk AvtoVAZ die Produktion für eine Woche still.

Moskau im Rauchnebel

Reuters/Sergei Karpukhin

Moskau ist seit Tagen in Rauch gehüllt.

Rund 180.000 Einsatzkräfte

Russland erlebt derzeit eine Hitze und Trockenheit wie seit mehr als 130 Jahren nicht. Die Temperaturen in vielen Gebieten sollen bis Ende der Woche auf mehr als 40 Grad Celsius steigen, sagten Meteorologen. Die Dürre hat bereits große Teile der Ernte vernichtet.

Im Raum Sarow nahe Nischni-Nowgorod wurde die Zahl der Rettungskräfte verzehnfacht, um ein Zentrum für atomare Forschung zu schützen. Die Brände rund um Sarow etwa 400 Kilometer östlich von Moskau seien aber unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax mit. Mehr als 2.200 Rettungskräfte waren im Einsatz, um das auch für die Waffenentwicklung wichtige Atomforschungszentrum zu schützen. Landesweit kämpfen neben Tausenden Armeeangehörigen rund 180.000 zivile Rettungskräfte gegen die Feuersbrunst.

Mann mit Brand im Hintergrund

Reuters/Mikhail Voskresenskiy

Betroffener in einem Außenbezirk der Stadt Vyksa (Nischni-Nowgorod)

Behindert wurden diese von der weiter anhaltenden Hitzewelle. „Das sehr heiße Wetter dauert an“, so Stepanow, der die Hitze als das Hauptproblem im Kampf gegen die Flammen bezeichnete. Hinzu kämen mancherorts ständig wechselnde Winde. „Wir arbeiten hart, Tag und Nacht. Es ist ein wahrer Kampf.“

„Große Tragödie“

Kremlchef Dimitri Medwedew sprach in einer Videobotschaft von „einer großen Tragödie“. Er hatte bereits am Vortag über sieben Provinzen den Notstand verhängt und die Sperrung der Waldgebiete für Unbefugte angeordnet. Medwedew forderte die Behörden auf, den Obdachlosen bis zum Beginn des Winters wieder ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Entsprechende Weisungen erließ auch Ministerpräsident Wladimir Putin.

Bei einer Krisensitzung in Moskau forderte Putin am Montag zudem die Gouverneure der betroffenen Regionen auf, ihm einen genauen Wiederaufbauplan vorzulegen. Den Behörden war in den vergangenen Tagen Schlamperei vorgeworfen worden. Unter anderem sollen Brandschutzgräben nicht rechtzeitig angelegt worden sein. Zivilschutzminister Sergej Schoigu kündigte Nachbesserungen an.

Im Kampf gegen die Wald- und Torfbrände nimmt Russland mittlerweile auch Hilfe aus dem Ausland an. Die Ukraine schickt zwei Flugzeuge vom Typ Antonow An-32. Außerdem sollen zwei Hubschrauber aus der Kaukasusrepublik Aserbaidschan mithelfen, die Flammen zu löschen.

Versprochene Hilfe als Betrugsfaktor

Von den Behörden wurden unterdessen erste Festnahmen von Brandstiftern und Plünderern gemeldet, die versucht hatten, sich an der Katastrophe zu bereichern. In zerstörten Dörfern seien Männer festgenommen worden, bei denen man Säcke mit gestohlenem Buntmetall gefunden habe, sagte ein Polizeisprecher. Zudem mehren sich Berichte über Betrug mit der versprochenen staatlichen Einmal-Entschädigung.

Neben dem Versuch, diese gleich mehrfach abzuholen, seien laut dem Online-Portal Russland-Aktuell einige Bürger zur Erkenntnis gekommen, dass die versprochene staatliche Hilfe mehr wert sein könnte als der alte Besitz. Bei einer geheimen Abstimmung habe man in einem Dorf im Gebiet Wladimir aus diesem Grund beschlossen, dem herannahenden Feuer keinen Widerstand mehr zu leisten. Auch seien Feuer bewusst gelegt worden.

Davon abgesehen berichten viele russische Medien aber auch über erstaunliche Solidarität und Nachbarschaftshilfe in den Brandgebieten. Stadtbewohner würden laut Russland-Aktuell Wasser, Lebensmittel und Kleidung in die betroffenen Orte bringen.

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