Trends im Wandel der Zeit
Nach dem ersten großen Tattoo-Aufkommen in den 1990er Jahren haben Tätowierungen vorübergehend einen wenig glamourösen Ruf genossen. Doch der Schmuck, der unter die Haut geht, ist zurück und erobert dabei erstaunlich unterschiedliche Zielgruppen. Topmodels auf den Laufstegen und zwei First Ladys in Europa beweisen, dass Tattoos keineswegs mehr ein Ausdruck einer Subkultur sind.
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Was für Ehefrauen eines Staatsoberhauptes bisher schwer denkbar war, ist mittlerweile ohne Probleme akzeptiert: Sowohl die deutsche First Lady Bettina Wulff als auch die Frau des britischen Premierministers, Samantha Cameron, stehen zu ihren Körperverzierungen. Ein Blick auf die internationalen Laufstege zeigt, dass auch die Designer wieder Gefallen am Tattoo als Accessoire gefunden haben, wie das „New York Times Magazine“ berichtete.
Schon die Frühjahr/Sommer-Modenschau 2010 von Chanel kündigte den Trend mit Aufklebetattoos an: Ketten rund um Handgelenk und Dekolletee sahen täuschend echt aus und begeisterten das Publikum. Louis Vuitton sprang auf den Zug auf und setzte die Fake-Verzierungen großzügig für die Sommerkollektion 2011 ein: Chefdesigner Marc Jacobs ließ das von den Taschen bekannte Logo auf Brust, Hals und Arme seiner Models malen.
Motivwahl unterliegt Trends
Trotz der vergleichsweise praktischen und sicheren Variante der Klebetattoos boomt auch das Geschäft mit der gestochenen dauerhaften Variante. Schätzungen zu Folge sind in Österreich gut eine halbe Million Menschen tätowiert, Tendenz steigend. Der Großteil davon ist zwischen 20 und 50 Jahre alt und stammt aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten und Berufsfeldern.
Die beliebtesten Motive ändern sich laufend. Laut Auskunft von Alfred Putz, Gründer und Leiter des Wiener Tattoostudios Tattoo4You, sind kleine Sterne und florale Ornamente bei der weiblichen Kundschaft momentan ein Dauerbrenner und haben chinesische Schriftzeichen und die als „Arschgeweih“ bekanntgewordenen Tribal-Tattoos am Steiß längst abgelöst. Die Wahl der Männer ist da meist kreativer: Von Ornamenten, über figurale Motive gibt es kaum eine Einschränkung.
Eine generelle Tendenz zu bestimmten Körperteilen kann man derzeit nicht feststellen, so Putz. „Männliche Anfänger wählen oft den Oberarm, bei den Damen ist der Knöchel eine beliebte Stelle.“ Bei jungen Männern ist der Halsbereich beliebt und Motive, die leicht unter dem Hemd oder T-Shirt hervorblitzen. Ein häufig beobachtetes Phänomen ist die Sucht nach der Nadel: Wer sich einmal stechen lässt, kommt oft wieder. Ausschlaggebend ist dabei hauptsächlich die Zufriedenheit mit dem fertigen Produkt. Von zehn Kunden, so schätzt Putz, sind vier bis fünf Wiederholungstäter.
Erinnerung an die verflossene Liebe
Wer sich eine Tätowierung als Ausdruck tiefer und ewiger Liebe gönnt, sollte sich diesen Schritt auf jeden Fall sehr gut überlegen. Laut Auskunft der Wiener Hautärztin Brigitte Klein zählen Liebesbeweise wie Eheringe und der Name des verflossenen Partners zu den am häufigsten entfernten Tätowierungen. Neben solchen Trennungsopfern und uralten, selbst gestochenen Tattoos sind es aber oft verzweifelte Neuverzierte, die mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind und auf eine schnelle Entfernung hoffen.

APA/DPA/Jens Ressing
Ein Dermatologe entfernt ein Tattoo mit einem Laser.
Auch Tätowierungen, die weniger mit oft so vergänglichem Liebesglück zu tun haben, sind nicht komplett frei von Gefahr. Obwohl mittlerweile gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, gibt es immer noch Berufe, in denen eine offensichtliche Tätowierung ein Karrierehindernis darstellt. In vielen Branchen, meist mit Kundenkontakt, gilt zumindest die T-Shirt-Grenze. Auch für den Polizeidienst in Österreich gilt: keine Tätowierungen im sichtbaren Bereich. Alles, was nicht von der Uniform verdeckt wird, muss weg. Wegen der Einstellungsoffensive der Polizei sind Kandidaten momentan auch häufige Kunden in der Praxis, erklärt Klein im Gespräch mit ORF.at.
Ein besonders peinliches Fettnäpfchen birgt die Wahl eines Wortes oder Spruchs in einer fremden Sprache oder Schrift. Wer sich für ein derartiges Tattoo entscheidet, sollte die Rechtschreibung, Grammatik und Bedeutung sicherheitshalber mehrfach kontrollieren lassen, bevor die Nadel zusticht. Besonders unangenehm ist das, wenn der Tätowierte eine völlig andere Botschaft vermittelt als angenommen, wie die eindrucksvolle Fotosammlung im Blog Hanzi Smatter beweist.
Sophia Felbermair, ORF.at
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