Billige Flucht aus der Realität
Gewalt und Armut haben im Krisenland Afghanistan die Zahl der Drogenabhängigen in den vergangenen Jahren auf etwa eine Million Menschen steigen lassen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des UNO-Büros für Drogen und Verbrechen (UNODC) und der afghanischen Regierung, die Ende Juni in Kabul vorgestellt wurde.
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Der Anteil der Süchtigen an der Bevölkerung sei demnach mit acht Prozent etwa doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. „Viele Afghanen nehmen Drogen, um die Härten des Alltags zu bewältigen“, sagte UNODC-Direktor Antonio Maria Costa. Neben Opium und Heroin würden vor allem Marihuana sowie Schmerz- und Beruhigungsmittel verwendet.
„Grenzenlos verfügbar und billig“
Allein die Zahl der Opium- und Heroinabhängigen sei seit 2005 von 200.000 auf insgesamt 350.000 gewachsen, so Costa weiter. Ein Grund dafür sei auch die „grenzenlose Verfügbarkeit billiger Drogen“ in Afghanistan. Nach UNO-Angaben ist das Land der mit Abstand größte Opiumproduzent. In den vergangenen Jahren stammten weltweit mehr als 90 Prozent des Grundstoffes für Heroin vom Hindukusch. Die massiv gestiegene Produktion habe inzwischen aber auch verheerende Auswirkungen im Inland, denn Afghanen würden zu immer wichtigeren Kunden ihres eigenen Opiums, berichtete Costa.
Keine Möglichkeit zur Therapie
Ein weiteres Problem seien die fehlenden Behandlungsmöglichkeiten. „Mehr als 700.000 Drogenabhängige haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung“, sagte Costa. Er rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich nicht nur beim Kampf gegen den Anbau von Rohopium zu engagieren, sondern zusätzliche finanzielle Mittel für Prävention und Behandlung der Sucht in Afghanistan bereitzustellen.
„In den Augen der eigenen Bevölkerung“
Die traditionelle Landwirtschaft liegt in dem seit drei Jahrzehnten von Kriegen und Krisen geschüttelten Land darnieder. Viele Bauern und Kriegsherren bauen nun Mohn an. „Das Antlitz des afghanischen Drogenproblems ist nicht nur in den Straßen von Moskau, London oder Paris zu sehen“, sagte Costa. „Es ist in den Augen der eigenen Bevölkerung zu finden, die ihre tägliche Dosis Opium und Heroin braucht.“ „Wir stehen vor einer nationalen Tragödie“, erklärte die afghanische Regierung.
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