Szenenbild aus den Persern

Salzburger Festspiele / FB

Ein Festspielsommer der Extreme

Salzburg 2018, das waren Festspiele der Extreme. Nicht nur weil es Wendungen gab wie einen historisch einmaligen Jedermann-Ausfall. Bei allen großen Namen, die es heuer zu sehen gab, war Risiko das Motto der Festspiele. Mit Unerwartetem umgehen - und mit Risiko, das zog sich wie ein roter Faden durch diese Festspiele der Tiefenpsychologie. Asmik Grigorian hat die Risiko-Feuerprobe als Salome mit so viel Bravour bestanden, dass ihr Licht auch so manchen schwächeren Moment überstrahlte. Und im Theater sprengten am Ende „Die Perser“ den Rahmen des alten Landestheaters. Und manch biedere Erwartung.

„Wir haben einen ziemlich gewaltigen Sommer bewältigt“, so brachte es der Intendant der Festspiele, Markus Hinterhäuser, beim abschließenden Pressegespräch am Dienstag auf den Punkt. Dass es einen Sommer ohne die erhoffte „Aida“-Wiederaufnahme gab, begründete Hinterhäuser schließlich so: „Die Neuproduktionen sind notwendig. Wir sind erst jetzt auf einem Produktionsniveau, das es möglich macht, an Wiederaufnahmen zu denken. Außerdem gab und gibt es immer Koproduktionen, dank denen die Inszenierungen nicht verschwinden, und schließlich kommt auch keiner nach Salzburg, um uns beim Sparen zuzusehen.“ Mehr dazu auch in salzburg.ORF.at.

Festspielintendant Markus Hinterhäuser

Franz Neumayr / APA

„Wir sind erst jetzt auf einem Produktionsniveau, das es möglich macht, an Wiederaufnahmen zu denken“, so die Bilanz von Intendant Markus Hinterhäuser am Ende der Festspiele 2018

„Salome“ als Produktion dieses Sommers

Für das kommende Jahr, so hörte und las man es schon gerüchteweise, könnte es ein Dacapo für die „Salome“ geben, die wohl als Produktion des heurigen Festspielsommers bei der Kartennachfrage, aber auch der Akzeptanz bei Publikum und Kritik gelten kann. Genaueres wird man aber erst Mitte November erfahren.

97 Prozent Auslastung

97 Prozent betrug die Platzauslastung. Mit knapp über 35.000 Besuchern war der „Jedermann“ die meistbesuchte Produktion. Auch der Konzertzyklus der Wiener Philharmoniker mit über 21.000 Besuchern stellt sich in die Riege der beliebtesten Veranstaltungen. Bei den Opern teilen sich die „Zauberflöte“ und „Pique Dame“ mit jeweils um die 13.000 Besucher den ersten Platz.

Hinterhäuser hat mit dieser Produktion voll riskiert. Einerseits, weil Romeo Castellucci ein aufregender wie intellektuell spannender Zeitgenosse ist, aber nicht eine feste Bank im Opernbetrieb darstellt. Andererseits setzte er mit Asmik Grigorian auf ein neues Talent, das im vorjährigen „Wozzeck“ aufgezeigt hatte, und heuer dem Premierendruck, auch dank großartiger Unterstützung durch Franz Welser-Möst, standhielt.

Überhaupt war im Bereich der Oper das mutige Motto: die Jüngeren vorn auf die Rampe. So zeigte Sean Panikkar in Hans Werner Henzes „The Bassarides“ auf - und auch bei der „Picque Dame“, dieser Neuenfels/Von-der-Thannen-Sicheren-Bank war die Entscheidung, Evgenia Muraveva die Rolle der Lisa anzuvertrauen, auf jeden Fall ein mutiger Move.

Auftritt der großen Namen

Die Diven fehlten der Oper heuer dennoch nicht (auch wenn es eine Saison ohne Anna Netrebko war, die dank eines Liederabends mit Gatten auch keine ganz groß Abwesende darstellte): Hanna Schwarz als Gräfin war in der „Pique Dame“ der eigentliche Star, und Sonya Yoncheva glänzte als stimmlich wie sinnlich großartige Poppea in der zweiten großen Opernsensation dieses Jahres, der Monteverdi-Umsetzung durch Jan Lauwers und die Needcompany.

Szenenbild Salome

Ruth Walz

Asmik Grigorian als Salome. Sie wurde in diesem Sommer auch zu einem Liebling des Publikums. Und das zu Recht.

Turbulentes Festspieltheater

Im Theater kam es heuer dicht und unerwartet, nicht nur weil der „Jedermann“ in diesem Jahr als Inszenierung fertig und ausgeschlafen prägnant war. Der Ausfall von Tobias Moretti und das Einspringen von Philipp Hofmair hat sich als Publikumsmagnet und irgendwie auch zusätzlicher Werbebringer für Salzburg erwiesen.

Was nun die Theaterproduktion dieses Jahres neben dem „Jedermann“ war, wird umstritten sein. Bei Castorf wussten die einen schon vorher, dass sie „Hunger“ lieben würden. Andere sahen eine gute Stunde auf einer großartigen Bühne mit brillanten Schauspielern, mussten aber durch eine fünfstündige Hitzeschlacht, die sich nicht immer für das Publikum erschloss.

Die versöhnliche „Penthesilea“ von Johan Simons als „Hörtheaterstück“, wie ein Kritiker ätzte, entzweite das Publikum. Die einen fanden, nur so könne eine „Penthesilea“ glücken. Die anderen mussten gestehen, dass sie Sandra Hüller möglicherweise interessant fanden, aber ohne englischen Obertext vielleicht auch nicht genau wussten, wo die mittlerweile aus dem Film so bekannte Schauspielerin gerade herumteichoskopierte.

Sandra Hüller und Jens Harzer als Penthiselea und Achill

Monika Rittershaus

Jens Harzer als Achill, Sandra Hüller als Penthesilea: Teichoskopie und Kuschelkurs

„Die Perser“ als Fingerzeig

Bleiben eigentlich „Die Perser“ als markantester Fingerzeig auf der Bühne - nicht nur weil Ulrich Rasches Dreh-Kreisel-Stück alle bisher in Salzburg bekannten Technikdimensionen von Theater sprengten. Sein Versuch, der Durs-Grünbein-Übersetzung dieses Aischylos-Klassikers einen neuen Downbeat-Takt zu geben und zugleich den ältesten Klassiker fundamental zwischen (unaffirmativer) Fascho-Kriegsästhetik und Wehklage einer Gesellschaft auf den Grund zu bringen, überzeugte.

David Grossmans Roman „Kommt ein Pferd in eine Bar“ mit Samuel Finzi und Mavie Hörbiger auf die Bühne zu wuchten war ein ebenfalls gelungener Akt, auch wenn man in Salzburg noch das Gefühl haben konnte, dass so manches Detail auf der Bühne noch nicht fertig gedacht war. Ab dem Herbst kann man das Stück am Wiener Burgtheater erleben.

Zuspruch wie nie

Was den Zuspruch zu einem Hochkulturfestival jedenfalls anlangt, bleiben die Festspiele des Sommers außergewöhnlich. Denn selten hat das Publikum mit den Stars so mitgelitten. Die Berichte über die Einspringer, Hochmair beim „Jedermann“, aber auch Emma Posman als Königin der Nacht in der heurigen „Zauberflöte“, waren von der Nachfrage her überwältigend. Und auch dass der Premierenbericht der „Salome“ zu einem Quotenevent an einem heißen Sommersonntag werden sollte (mit einer Viertelmillion Abrufe alleine hier), kann als durchaus sensationell verbucht werden.

Resümee von Barbara Rett

Barbara Rett zieht ein Resümee über die erinnerungswürdigsten Momente der diesjährigen Salzburger Festspiele.

Noch nie in der Geschichte von ORF.at wurde ein Kultursonderschwerpunkt derart stark nachgefragt wie in diesem Jahr (1,2 Mio. Abrufe in fünf Wochen). Und vielleicht darf Österreich das ja auch als Hinweis lesen, dass die Behauptung von der Kulturnation mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist. Und die Neugierde nicht vor dem Format Hochkultur zurückschreckt. Im Gegenteil. Diese Festspiele hatten für alle Geschmäcker etwas im Talon. Die Latte für 2019 liegt also hoch.

Gerald Heidegger, ORF.at

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