Philipp Hochmair als Jedermann

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Hochmair brilliert als Jedermann

Es war eine Nervenprobe. Und sie brachte eine doppelte Erlösung zum Leben und Sterben des reichen Mannes. Im vielleicht flottestgespielten und kürzesten „Jedermann“ der Salzburger Festspiele hat sich Philipp Hochmair selbst das größte Geschenk gemacht. Als Einspringer für den erkrankten Tobias Moretti überzeugte er ohne einen Hänger - und erntete stehende Ovationen für einen Jedermann, wie man ihn bisher noch nie gesehen hat.

Gerade einmal 30 Stunden habe er Zeit gehabt, die Rolle einzustudieren. Als sich die Schauspielchefin der Festspiele, Bettina Hering, auf dem Domplatz beim Einspringer Hochmair vor der Aufführung bedankte und dem an einer Lungenentzündung erkrankten Moretti mit dem Publikum die besten Genesungswünsche schickte, lag eine große Spannung in der Luft. Einen Tag wurde in Foren in Österreich darüber diskutiert, ob Hochmair denn den Jedermann ‚könne‘.

Philipp Hochmair als Jedermann

„Jedermann“ Tobias Moretti leidet an einer Lungenentzündung. Eine Zweitbesetzung gibt es bei den Festspielen nicht, aber Phillip Hochmair war bereit, mit nur einem Tag Vorbereitung einzuspringen.

Und wie Hochmair konnte. Hering hatte einen speziellen, einen besonderen „Jedermann“ versprochen, ein Welttheater als spezielles Teamwork. Doch alle Vorsicht hätte sie gar nicht in Stellung bringen müssen, denn Hochmair gab einen eigenwillig furiosen, tänzelnden, ja, diabolischen Jedermann. Schon ein bisschen auch so, wie man es aus seiner „Jedermann reloaded“-Performance bei den Festspielen 2013 kannte. Doch diesmal musste er ins Versmaß des Hofmannsthal’schen Originaltexts schlüpfen, und da gibt es nun einmal kein Überspielen oder Ausflüchten in die Prosaform.

Stefanie Reinsperger und Philipp Hochmair

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So sieht Erleichterung aus: Stefanie Reinsperger umarmt Philipp Hochmair

Hochmair zog sich am Text hoch

Hochmair zog sich richtig hoch am Text - und er tat das mit großer Lust und Spielfreude. Tempo war sein Motto - und Forcierung seine Kunst. Die Rhythmik der Inszenierung von Michael Sturminger half dabei. Hochmair taktete den Jedermann neu. Und er zündete, wenn man im diabolischen Gestus seines Auftretens formulieren wollte, die Buhlschaft Stefanie Reinsperger. Alles Gerede, ob Reinsperger denn die Richtige für die Rolle sei und eine Verführung im Sinne des Salzburger Welttheaters, war hinfällig. Sie und Jedermann waren ein schrilles Couple für den schnellen Genuss.

Als Jedermann zum Glauben findet

Umso dramatischer wirkt in dieser Konstellation auch das vom Regisseur gewollte Kippen der Szenerie, bevor Jedermann seine bekannte „Reise“ antreten muss. Und siehe da: Auch leise und nachdenklich konnte dieser Jedermann sein.

#jedermann

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Eine großartige Mavie Hörbiger trug den Einspringer dann auch dramaturgisch in Richtung Glauben. So will es ja das Salzburger Welttheater, das schließlich umso überzeugender und still im Dunkeln endet.

Hochmair und Silberschneider

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Auf der Bühne und hinter der Bühne zum Glauben gefunden: Hochmair mit Johannes Silberschneider

Hochmair hat der Hofmannsthal’schen Vorlage die Blähungen genommen. Das war längst an der Zeit und ist wohltuend, wenn man dieses doch sehr aus der Zeit gefallene Stück irgendwie in der Gegenwart ankommen lassen will. Hüten sollte man sich vor dem Vergleich, wer denn der bessere Jedermann sei. Moretti und Hochmair sind zu unterschiedliche Charaktere. Und im Moment einer Krankheit den anderen als den Besseren zu loben wäre ohnedies fehl am Platz. Das Publikum wird entscheiden, ob es eher einen schnellen oder reflektierten Jedermann haben will.

Hochmair über „Jedermann“ als seine „Traumheimat“

Der „Ersatz-Jedermann“ beschreibt, warum er die Rolle „leichtsinniger“ als Moretti anlegt. Die Rolle könnte für ihn „Wahlheimat“ oder „Traumheimat“ werden.

„So wahrscheinlich wie ein Papst-Rücktritt“

Erst ein einziges Mal in der beinahe hundertjährigen Geschichte des „Jedermann“ musste ein Jedermann im laufenden Aufführungsbetrieb ersetzt werden. Oder wie es Festspiele-Kenner Siegbert Stronegger auf den Punkt bringt: „Einen Jedermann zu ersetzen, das ist so wahrscheinlich wie ein Papst-Rücktritt.“ Vor Hochmair sprang Raul Lange, der davor die Stimme Gottes gesprochen hatte, am 28. August 1932 für den damaligen Jedermann Paul Hartmann ein - der aber möglicherweise durch ein UFA-Engagement verhindert war.

Das, was der 9. August 2018 gezeigt hat, ist die Bandbreite, mit der eine Inszenierung ausgestattet ist. Und dass der Jedermann eine Traumrolle für den raunenden Hochmair ist, das wusste man eigentlich vor dem Stück. Er hat sich und Salzburg viel geschenkt. Und Moretti die Zeit, in Ruhe genesen zu können.

Gerald Heidegger, ORF.at

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