Szene aus "Die Geburtstagsfeier"

Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig

„Die Geburtstagsfeier“ wirft Fragen auf

Wer sind diese Menschen, was wollen sie - und was ist in den vergangenen drei Stunden eigentlich passiert? Nach der Premiere von Harold Pinters „Die Geburtstagsfeier“ stehen den Festspielbesuchern am Freitag im Salzburger Landestheater die Fragenzeichen ins Gesicht geschrieben. Regisseurin Andrea Breth ist den absurden Abgründen des Stücks mit präzisem Handwerk, fokussiert auf die gefinkelte Sprache Pinters, zu Leibe gerückt - Antworten bleibt aber auch sie schuldig.

Es beginnt recht harmlos - mit simpel-sinnfreien Frühstücksdialogen über Cornflakes und Alltagsbelanglosigkeiten in der Pension des Ehepaars Meg (Nina Petri) und Petey (Pierre Siegenthaler). Der einzige Gast, den man dort seit über einem Jahr gesehen hat, lässt sich wenig später auch schon blicken: Stanley (Max Simonischek) ist eine ungepflegte Erscheinung, laut eigenen Angaben ein begnadeter (wenn auch trotzdem gescheiterter) Pianist, der seit Monaten bei Meg und Petey wohnt, dem aber gerade jetzt eine Welttournee angeboten worden sein soll.

Szene aus "Die Geburstagsfeier"

Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig

Pensionsgast Stanley (Max Simonischek) und das verschrobene Ehepaar Meg (Nina Petri) und Petey (Pierre Siegenthaler)

Die Endlosschleife der offensichtlich rituellen Abläufe im Haus am Strand wird mit dem Besuch von zwei neuen Gästen jäh unterbrochen - die grauen Herren Goldberg (Roland Koch) und McCann (Oliver Stokowski) quartieren sich im Auftrag „der Organisation“ in der Pension ein. Ab hier wird wenig erklärt - die beiden sind hier, um Stanley zu holen, wozu und wohin, bleibt genauso offen, wie die Frage, warum sie dafür vorab eine Geburtstagsfeier für ihr Opfer organisieren wollen - ein Fest, das unweigerlich eskalieren muss.

Nichts passiert zufällig

Wer Breths Inszenierungen kennt, weiß, dass auf dieser Bühne nichts zufällig passieren wird. Nach ihrer Inszenierung von Pinters „Der Hausmeister“ in München ist „Die Geburtstagsfeier“ nun ihre zweite Auseinandersetzung mit dem britischen Nobelpreisträger innerhalb weniger Jahre. Letzteres sei „das viel interessantere Stück“, betonte Breth in Interviews im Vorfeld - mutmaßlich wohl wissend, dass das Adjektiv „interessant“ für eine Inszenierung durchaus auch eine Drohung sein kann.

Ins Festspielmotto „Macht“ lässt sich das Stück, in dem es letztlich auch um einen Machtkampf auf zwischenmenschlicher Ebene geht, durchaus hinein argumentieren. „Die Geburtstagsfeier“ wird nur selten gespielt, und ganz klar wird auch in Salzburg jetzt nicht, warum man das Ende der 1950er Jahre uraufgeführte Stück heute erzählen will. Trotz der inhaltlichen Fragen: „Die Geburtstagsfeier“ ist sprachlich raffiniert und als solches bei Breth jedenfalls in guten Händen. Dialoge sind auf den Punkt genau gesetzt, jedes Wort ist Teil einer Partitur, in der die Pausen eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielen wie der Text.

Szene aus "Die Geburtstagsfeier"

Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig

Gleichzeitig komisch und unheimlich: Die zwei grauen Herren (Roland Koch und Oliver Stokowski) in undefinierter Mission

Fließend verschwimmen dabei immer wieder die Grenzen zwischen Groteske und Thriller, zwischen Komik, Beklemmung und Brutalität. Die Spitzenbesetzung setzt all das perfekt um - in Slapstick-Nummern und mit (nicht immer subtiler) Grausamkeit brillieren Koch und Stokowski, Petris Meg verwirrte Naivität als Pensionswirtin berührt, und Siegenthaler weiß als Petey am Ende glaubhaft zu vermitteln, dass er vielleicht der einzig halbwegs Normale auf der Bühne ist.

Simonischek ist als rätselhafter Dauerpensionsgast Stanley die zentrale Figur, wenn auch in Teilen des Stücks in einer McGuffin’schen Art. Er changiert zwischen unnahbarer Arroganz am Anfang und als völlig gebrochenes Opfer am Schluss, überzeugend auch in allen Stadien dazwischen. Partygast Lulu wird ebenfalls Opfer - wenn auch offenbar ein zufälliges - der beiden grauen Herren. Gespielt von Andrea Wenzl ist die Rolle der Nachbarin dabei nicht nur sexy-naiver Aufputz, sondern eine weitere rätselhafte Komponente des Abends.

Szene aus "Die Geburtstagsfeier"

Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig

Die Party muss eskalieren

Eindringlinge vom Strand

Martin Zehetgrubers - gewohnt vom Boden bis zum Plafond ästhetisches - Bühnenbild spielt mit der gleichen undefinierbaren Bedrohung und der Metapher des Eindringens. Dünen und Schilf haben sich den Weg in die Pension gebahnt, Innen und Außen gehen nahtlos ineinander über und verschieben sich im Laufe des Abends, bis nach der Pause plötzlich das vermodernde Holzschiff im Zimmer liegt. Jacques Reynauds Kostüme wirken stilistisch dazu wie aus einem Guss.

Hinweis

„Die Geburtstagsfeier“ ist bei den Salzburger Festspielen noch am 28., 30. und 31. Juli sowie am 2., 3., 5., 7., 19., 12. und 13. August jeweils um 19.30 Uhr im Landestheater zu sehen. Ab Herbst wird die Produktion im Burgtheater in Wien gezeigt.

Schön und gespenstisch zugleich trägt auch das Licht mit den dramaturgisch eingesetzten Blackouts (Lichtdesign: Friedrich Rom) genauso zum Spannungsaufbau bei wie Bert Wredes atmosphärische Musik, die in bester Suspense-Manier alleine schon einen Thriller machen würde.

Am Ende: Zermürbung

Beste Zutaten auf allen Ebenen also, bester Wille und große Ernsthaftigkeit sowieso - doch am Ende waren es wohl doch zu viele Fragen, zu wenige Antworten. Pinters Untertöne im zwischenmenschlichen Machtkampf der „Geburtstagsfeier“ scheint zumindest auf Teile des Publikums zermürbend gewirkt zu haben: Der Applaus am Premierenabend war freundlich, blieb für Festspielverhältnisse aber zurückhaltend.

Sophia Felbermair, ORF.at, aus Salzburg

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