Big Ben und die britische Flagge

APA/AFP/Justin Tallis

Liveticker

„Brexit“ rückt auf die lange Bank

Nach dem „Brexit“-Votum in Großbritannien tut sich auch innerhalb der EU eine immer deutlichere Trennung zwischen jenen auf, die nun einen klaren Schnitt fordern - und jenen, die den „Brexit“ tunlichst abfedern und in eine fernere Zukunft rücken wollen. Unter Letzteren sind auch die größten vormaligen Austrittsbefürworter in Großbritannien selbst. Wie es aussieht, hat das Lager der „Brexit“-Hinauszögerer derzeit die Oberhand.

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Uneinigkeit auch unter EU-Nachbarn

Darüber, wie man nun mit den Briten umgehen soll, herrscht auch unter benachbarten EU-Ländern Uneinigkeit: Der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak fordert Großbritannien auf, zügig den Artikel 50 des EU-Vertrages zu aktivieren. Dort ist der Rahmen für den Austritt eines EU-Mitglieds geregelt.

Mit einem raschen offiziellen EU-Austrittsgesuch werde der politische Wille zum „Brexit“ auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, sagte Lajcak.

Der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek spricht sich dagegen aus, die EU-Integration schnell und überhastet voranzutreiben. Das wäre die falsche Antwort auf das Votum, meint er.

Heimische Firmenwerte unter Druck

Die Aktien von Wienerberger und Zumtobel sind am Montagvormittag erneut eingeknickt, nachdem sie am Freitag im Zuge des britischen EU-Austrittsvotums die größten Kursverluste auf dem Wiener Prime Market erlitten hatten. Die Wienerberger-Aktie fällt bis gegen 11.00 Uhr um 7,48 Prozent auf 13,24 Euro, jene von Zumtobel um 6,51 Prozent auf 10,19 Euro.

Die fortgesetzte Talfahrt ist laut Händlern der höheren Verwobenheit beider Unternehmen mit dem britischen Markt geschuldet. So ist Großbritannien für den Vorarlberger Leuchtenhersteller Zumtobel der wichtigste Absatzmarkt. Beim Ziegel- und Baustoffhersteller Wienerberger ist die Abhängigkeit vom britischen Markt nicht derart groß. Analysten sprechen in diesem Fall von einer „Überreaktion“ der Anleger.

Asiens Börsen stabilisiert

Hoffnungen machen der Wirtschaft die zu Ende gehenden Handelstage an den asiatischen Börsen, die im Zeichen einer einigermaßen raschen Stabilisierung nach dem „Brexit“-Schock stehen. Der japanische Nikkei-225-Index, der am „Black Friday“ nach dem Votum der Briten für den EU-Austritt um 7,9 Prozentpunkte abgesackt ist, schließt 2,39 Prozent höher bei 15.309,21 Punkten.

Der als Fluchtwährung gefragte Yen legt zum US-Dollar jedoch weiter zu. Zusammen mit den negativen Auswirkungen durch den „Brexit“ belastete dies weiterhin die Aktien von Exportunternehmen wie etwa die Autohersteller. Kursgewinne konnten vor allem Unternehmen verbuchen, die regional gebunden sind, etwa Eisenbahngesellschaften.

In Festlandchina legen Rohstoffwerte in Erwartung sinkender Überkapazitäten insbesondere im Kohlesektor zu. Die Hongkonger Börse mit ihrer traditionell engen Bindung an London gibt indes weiter nach.

Mann vor Börsewerten

Reuters/Toru Hanai

Vor der Börse von Tokio am Montag

Vorsichtiger Kurs Merkels zeichnet sich ab

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich nach Teilnehmerangaben in einer Telefonkonferenz des CDU-Bundesvorstands für einen vorsichtigen europapolitischen Kurs nach dem „Brexit“-Votum ausgesprochen. Man müsse die Fliehkräfte in der EU der 27 verbleibenden EU-Staaten bekämpfen, habe sie gemahnt.

Es gebe große Sorge auf den internationalen Finanzmärkten, dass die gesamte EU nicht mehr regierbar sei, wird Merkel zitiert. Diese Regierbarkeit müsse aber unbedingt erhalten werden. Das spreche gegen eine schnelle Vertiefung der Euro-Zone als Antwort auf den „Brexit“. Derartige Vorstößte sind zuletzt aus Brüssel gekommen.

Die EU solle sich nun vor allem um die Themen kümmern, bei denen die Bürger große Erwartungen an die Union hätten: Das betreffe etwa den Schutz der EU-Außengrenzen, die Arbeitsplätze und die innere Sicherheit, soll Merkel betont haben. Generelle Kritik soll am Koalitionspartner SPD lautgeworden sein, der auf ein rasches Durchziehen des „Brexit“ drängt.

27 Staaten suchen „eine klare Linie“

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Sehr viel Zeit, den „Brexit“-Schock zu verdauen, ist den EU-Spitzen nicht geblieben. Schließlich hat in der aktuellen Situation jede Äußerung Gewicht.

Morgen und übermorgen wollen die 27 Mitgliedsländer beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs auch ohne Großbritannien darüber beraten, wie sie mit dem Ergebnis des Referendums weiter umgehen.

Egal was dort beschlossen werde, es gebe nur eine mögliche Botschaft, die man danach senden könne, ist von einem hohen EU-Beamten zu erfahren: „Am wichtigsten ist, beim Gipfel zu signalisieren, dass wir eine klare, gemeinsame Linie verfolgen.“

So ganz klar und gemeinsam ist die Linie derzeit noch nicht. Das will EU-Ratspräsident Donald Tusk noch ändern - indem er seit dem Wochenende quer durch Europa reist.

Boris Johnson

APA/AFP/Ben Stansall

„Brexit“-Galionsfigur Boris Johnson verlässt sein Haus in London Montagfrüh. Zuvor hat er, der sich große Hoffnungen auf das Amt des Premierministers macht, gesagt, es habe „keine große Eile“ mit der Umsetzung von Großbritanniens Abschied aus der EU.

Berlin will auf offizielles Austrittsgesuch warten

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert hat konkrete Vorgespräche mit London über das Austrittsverfahren aus der EU ausgeschlossen. „Bevor Großbritannien diese Mitteilung geschickt hat, gibt es keine informellen Gespräche über die Austrittsmodalitäten. Die Reihenfolge muss eingehalten werden“, sagt er in Berlin.

Jetzt müsse alles dafür getan werden, „nicht die Fliehkräfte in Europa zu stärken, sondern die Kräfte des Zusammenhalts“. Deutschland will von Großbritannien nach dem „Brexit“-Referendum baldige Klarheit über den weiteren Fahrplan zum Austritt aus der EU. „Die Bundesregierung will keine Hängepartie“, betont Seibert. „Das kann auch in niemandes Interesse in Europa sein. Wir haben ein klares Verhalten. Daran sollten wir uns halten.“

Seibert verweist darauf, dass nach Artikel 50 der europäischen Verträge die Mitteilung über einen Austritt nur von Großbritannien selbst kommen könne. Zugleich macht er deutlich, dass die deutsche Regierung nicht übermäßig lange darauf warten will. Wenn die britische Regierung dafür „noch eine überschaubare Zeit“ brauche, werde das respektiert.

Der Austrittsprozess wäre schnell eingeleitet

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Um den vielzitierten Artikel 50, der den Scheidungsprozess in Gang setzt, auszulösen, braucht es nicht viel: Es reicht, wenn der britische Premier David Cameron „dem Rat seine Absicht mitteilt“. Das genügt mündlich und relativ formlos.

Dass es schon morgen auf dem Gipfel passiert, wo Cameron beim Abendessen „über den Ausgang des Referendums“ informieren will, ist unwahrscheinlich bis nahezu ausgeschlossen. Das nächste offizielle Treffen der Staatschefs ist erst im Oktober - dann wird schon Camerons Nachfolger in Brüssel sein.

Treffen der Außenminister

APA/AFP/Michal Cizek

Die europäische Diplomatie arbeitet am Montag arbeitsteilig: Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault halten die Achse zu den zentral- und osteuropäischen Visegrad-Staaten, von links nach rechts: Polens Außenminister Witold Waszczykowski, am Pult Tschechiens Außenminister Lubomir Zaoralek, halb verdeckt Ayrault, der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak, sein ungarischer Kollege Peter Szijjarto und Steinmeier.

Larry auf Camerons Spuren

Larry, die Downing-Street-Katze

Reuters/Peter Nicholls

Auch Larry, der Hauskater in Downing Street 10, bereitet sich offenbar auf den Rücktritt vor und hat am Montag zumindest kurzfristig den traditionellen Wohnsitz des britischen Premiers verlassen.

Renzi drängt auf raschen Austritt Großbritanniens

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi drängt auf rasche Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Die EU dürfe „jetzt nicht eine einjährige Diskussion über die Austrittsprozeduren in Hinblick auf ein neues Referendum starten. Man darf die Botschaft des britischen Referendums nicht aus den Augen verlieren.“

„Was in Großbritannien geschehen ist, kann für Europa die größte Chance werden, wenn wir nicht nur auf Abwehr setzen“, so Renzi in einer Ansprache vor dem Senat in Rom. Zugleich betont er: „Die Gründe, aus denen Italien die EU intern kritisiert hatte, sind stärker denn je. Die EU muss sich mehr mit sozialen Angelegenheiten und weniger mit bürokratischen Fragen befassen.“

„Höflich und freundlich“

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem britischen Premier herrsche nach wie vor ein „höflicher und freundlicher Ton“, so ein Sprecher der Kommission.

Besonders dicke Freunde waren die beiden nie: Cameron ist (neben Viktor Orban) einer von zwei Staatschefs, die sich gegen die Wahl von Juncker zum Kommissionspräsidenten gesträubt haben. Mit dem „Brexit“-Referendum hat Cameron auch Juncker keinen Gefallen getan - auch sein Rücktritt wird bereits vereinzelt gefordert.

Standortfrage der anderen Art

Frau vor einer Imbissbude

APA/AFP/Oli Scarff

„Adi’s Diner“ muss sich vielleicht bald einen neuen Platz suchen: Der Imbissstand ist genau auf der britisch-schottischen Grenze platziert - angesichts der nun neu befeuerten Autonomiebestrebungen der Schotten könnten in nicht allzu ferner Zukunft auf einer Seite EU-Gesetze und auf der anderen rein britisches Recht gelten.

Alain Juppe: „EU muss sich neu erfinden“

Der konservative französische Politiker Alain Juppe spricht sich für einen Neuaufbau der EU aus. Erst wenn sich die Union praktisch neu erfunden habe, sollte dieses Projekt in allen Staaten den Völkern zur Abstimmung vorgelegt werden, findet Juppe, der sich um die Kandidatur für die nächste Präsidentenwahl bemüht. Damit tritt er auch Stimmen in Frankreich entgegen, die zum jetzigen Zeitpunkt ein Referendum für die Vertiefung der EU fordern.

„Das Europa von morgen wird noch mehr als bisher in verschiedenen Geschwindigkeiten vorangehen“, so Juppe. Der Austritt Großbritanniens sollte jenen, die schneller vorankommen wollen, diese Möglichkeit geben. Das sei eine Gelegenheit, die man packen müsse. Juppe war von 1995 bis 1997 Premierminister und ringt derzeit mit seinem innerparteilichen Rivalen Nicolas Sarkozy um die nächste Präsidentschaftskandidatur bei den Konservativen.

Donald Tusk und Francois Hollande

APA/AP/Kamil Zihnioglu

EU-Ratspräsident Donald Tusk nach einem Zweiergespräch mit Frankreichs Präsident Francois Hollande am Montagvormittag im Elysee-Palast in Paris.

Tschechiens Zeman von „Ende Großbritanniens“ überzeugt

Der tschechische Staatspräsident Milos Zeman geht davon aus, dass das „Ende Großbritanniens, wie man es kennt“, bevorsteht, da die Abspaltung Schottlands nur noch eine Frage der Zeit sei. Zeman, selbst nie um antieuropäischen Populismus verlegen, weist in einem Interview mit dem tschechischen Privatsender Prima allerdings der EU die Schuld am Ausgang des Votums zu.

„Die EU hat dazu mit ihrer unsinnigen Politik der Unterstützung der Massenmigration, der Relokationspolitik, Quoten und so weiter beigetragen“, so Zeman, und weiter: „Wären die EU-Spitzen tatsächlich prägende Persönlichkeiten, wäre es nie zum Brexit gekommen.“

Zeman glaubt, der Austritt Großbritanniens aus der EU werde vor allem den kleineren Mitgliedsländern der Union schaden, da Deutschland und Frankreich nun noch mehr Macht hätten. Er fordert bereits die Schaffung einer „mindestens so starken“ Gruppe von Ländern, die über die Möglichkeit einer Sperrminorität verfügten.

Britisches Pfund fällt weiter

Das britische Pfund fällt weiter und liegt nun unter dem - ohnehin bereits historischen - Tiefststand von Freitag. Zu Mittag kostet die britische Währung noch 1,3222 US-Dollar und damit so wenig wie seit 1985 nicht mehr.

Auf dem längeren Ast

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Spekulationen über Szenarien, wie ein „Brexit“ doch noch abgewendet werden könnte, gibt es viele. Neuwahlen und ein zweites Referendum sind da zum Beispiel immer wieder im Gespräch. Obwohl die EU inständig auf ein „Bremain“-Voting und einen Verbleib Großbritanniens in der EU gehofft hätte, signalisiert man jetzt: Die Entscheidung ist getroffen, ein Zurück gibt es nicht mehr.

Dass Großbritannien noch einmal umschwenken würde, sei auch nicht Teil der Beratungen zwischen den Mitgliedsländern und auch nicht in der Kommission, ist einhellig aus EU-Kreisen zu vernehmen. „Großbritannien hat sich für einen Ausstieg entschieden, wir bereiten uns darauf vor - ein anderes Szenario ist nicht Teil der Überlegungen“, so ein hochrangiger EU-Vertreter.

Die kalte Schulter, die man Großbritannien damit jetzt zeigt, ist Teil einer Strategie, die zeigen soll: Brüssel sitzt auf dem längeren Ast. Die von Cameron mühsam ausgehandelten Reformvereinbarungen hätten nur im Falle eines „Bremain“-Votings gegolten und sind vom Tisch - auch wenn es jetzt noch einen Schwenk der Briten gäbe. Wenn Großbritannien doch bleiben will, dann zu den Bedingungen der EU. Dasselbe gilt auch für Verhandlungen über die Beziehung und Abkommen nach einem Austritt: Die Zeiten der britischen Sonderrechte sind wohl Geschichte.

Tusk soll Verhandlungen mit Großbritannien führen

Die EU-Austrittsverhandlungen mit Großbritannien sollen nach Worten eines ranghohen EU-Diplomaten von EU-Ratspräsident Donald Tusk geleitet werden. Laut Aussagen eines EU-Diplomaten eines osteuropäischen Staates seien die Verhandlungen „Chefsache“ und müssten vom Rat und nicht von der EU-Kommission geführt werden.

Vom EU-Gipfel morgen und Mittwoch ist indes noch keine endgültige Klarheit über die britische Position zu erwarten. „Es scheint, dass sich die Situation von Stunde zu Stunde ändert“, so ein EU-Diplomat. Der Gipfel sei erst als Start einer viel allgemeineren Diskussion zu sehen.

Milliardär Branson für zweites Referendum

Der britische Milliardär Richard Branson setzt sich für ein neues EU-Referendum ein. Das britische Parlament müsse die Petition für ein zweites Referendum über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU „ernst nehmen“, fordert der Virgin-Chef in seinem Blog. Die Bevölkerung sei bei der Abstimmung auf „falsche Versprechungen“ der EU-Gegner hereingefallen.

Branson will, dass sich das britische Parlament mit einer Resolution befasst, die unter großem Zuspruch ein zweites Referendum fordert. Die Alternative sei, einem „schnellen Verfall“ des Landes zuzusehen. Der „Brexit“ habe schon jetzt „massive Konsequenzen“ für die britische Wirtschaft und Gesellschaft. Das Referendum habe das Land zerrissen.

Karikaturen

Reuters/Toby Melville

Britische Straßenkünstler passen ihr Angebot der Lage an. Von links nach rechts Karikaturen von Schatzkanzler George Osborne, Premier David Cameron und Labour-Parteichef Jeremy Corbyn als „Bruchpiloten“.

Britischer „Sherpa“ nicht eingeladen

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Nur 27 statt 28 „Sherpas“ - wie die Chefunterhändler der Mitgliedsländer genannt werden - sind gestern in Brüssel zusammengekommen. Der britische Vertreter wurde gar nicht eingeladen - „er hat das aber verstanden“, sagt ein Vertreter des EU-Rats. Schließlich wurde primär die gemeinsame Linie der übrigen Staatschefs vorbereitet.

Wie solche Treffen aussehen? Der schwedische Botschafter Anders Ahnlid hat von der Konferenz getwittert:

Abstürze an den Börsen setzen sich fort

Der „Brexit“-Schock setzt den Börsen in Europa weiter zu. In London brechen die Kurse von Banken, Fluggesellschaften und Immobiliengesellschaften ein: Der Aktienkurs der Royal Bank of Scotland verzeichnet ein Minus von mehr als 15 Prozentpunkten, die Papiere der Großbank Barclays gut zehn, die Billigfluglinie easyJet mehr als 16 Prozentpunkte.

Auch zu Wochenbeginn wiederholt sich aber das Szenario von Freitag: Insgesamt sind die Verluste an der Londoner Börse geringer als jene etwa beim deutschen Aktienindex DAX, der weitere zwei Prozentpunkte ins Minus rutscht - eine Folge der politischen und damit auch unternehmerischen Unsicherheit darüber, wie die EU mit dem „Brexit“ umgehen wird.

Menschen vor dem Wolkenkratzer Shard

APA/AFP/Odd Anderson

Nicht nur das Wetter macht den Montag zu einem unerfreulichen Arbeitstag im Londoner Finanzdistrikt.

Ruf nach Erklärung von Bundeskanzler Kern

Die Grünen wünschen sich nach dem EU-Gipfel mit Hauptthema „Brexit“ eine Erklärung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) im Nationalrat. „Es besteht die absolute Notwendigkeit, auch im österreichischen Parlament ausführlich und transparent darüber zu berichten, wie es weitergehen soll“, zitiert die APA heute Klubchefin Eva Glawischnig.

Zeit für eine entsprechende Erklärung Kerns wäre kommende Woche, am 6. und 7. Juli sind Plenartage angesetzt. Glawischnig geht davon aus, dass es diese Erklärung zu den Folgen des britischen EU-Austrittsreferendums tatsächlich geben werde.

Theoretisch sei es auch möglich, den Kanzler per Dringliche Anfrage dazu zu bewegen. Im Bundeskanzleramt gibt es zu dem Wunsch der Grünen vorerst keine Reaktion.

Menschen picknicken am Rasen bei Wimbledon

Reuters/Paul Childs

Picknick mit Champagner am Montagvormittag hin oder her - nicht einmal das berühmte Tennisturnier von Wimbledon bleibt vom „Brexit“-Votum verschont: Der Wert der Preisgelder ist seit Freitag um insgesamt über zwei Millionen Euro gesunken, Tendenz weiter fallend.

Eskalierender Fremdenhass gegen Polen in Großbritannien

Die polnische Botschaft in London beklagt Fälle von „xenophoben“ Ausfällen gegen ihre Landsleute in Großbritannien seit der Abstimmung vom Donnerstag. Es geht vor allem um Flugzettel und Grafitti. „Kein polnisches Ungeziefer mehr“, ist dabei etwa zu lesen. Die Polizei bestätigt die Vorfälle und ermittelt wegen Volksverhetzung.

Merkel warnt vor EU-„Vielstimmigkeit“

Angesichts der Vielzahl von Reaktionen auf das „Brexit“-Votum in der EU ruft die deutsche Bundeskanzlerin Merkel die verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten zur Geschlossenheit auf. Regierungssprecher Seibert warnt vor der Zurschaustellung von „europäischer Vielstimmigkeit“ und fordert „möglichst eine gemeinsame Reaktion auf diese Herausforderungen“.

Auf dem EU-Gipfel morgen und Mittwoch müssten die Positionen der 27 Länder „zusammengeführt werden“, so Seibert. Dass Merkel selbst die Forderungen nach einer beherzten klaren Reaktion aus EU-Parlament und -Komission bremst, interpretiert Seibert als „Werben für eine besonnene Reaktion“ und nicht wegen Deutschlands Sorge um die eigenen wirtschaftlichen Verbindungen zu Großbritannien.

Angela Merkel

APA/AP/Markus Schreiber

Merkel am Montag im deutschen Kanzleramt

Kommissarin: EU-Budget um 15 Prozent niedriger

Durch den „Brexit“ werde das Budget der EU nach 2020 um 15 Prozent niedriger ausfallen, sagt die EU-Kommissarin für Regionalpolitik, Corina Cretu. Das sei beunruhigend. Regionalpolitik werde von den Bürgern am meisten beachtet.

Wer soll 2017 den Ton angeben?

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Eine der offenen Fragen, die noch diese Woche geklärt werden müssen, ist die nach dem EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2017. Eigentlich wäre dann Großbritannien an der Reihe, dass es dabei bleibt, ist aber unrealistisch.

Es wäre auch eine sehr absurde Situation, egal ob der Scheidungsprozess dann schon im Gange ist oder nicht. Schließlich übernimmt ein Land mit dem Vorsitz maßgeblich die Prioritätensetzung des Rates und leitet die Ministertreffen, auf denen viele Schlüsselentscheidungen fallen.

Umschichten im Turnus ist gar nicht so einfach, schließlich bereitet sich ein Land mehrere Jahre auf einen Vorsitz vor - Österreich, das nächste Mal 2019 an der Reihe, plant etwa längst.

Statt also einen Ersatz zu suchen, probiert man, entweder Malta (es wäre vor Großbritannien an der Reihe) oder Estland (für Anfang 2018 geplant) zu einer Verlängerung auf ein ganzes Jahr zu überreden. Malta hat eher abgewunken - Estland überlegt noch. Es gäbe aber, so EU-Kreise, durchaus einige Mitgliedsländer, die derzeit prüfen, ob sie die Aufgabe übernehmen könnten.

Australien und Neuseeland umwerben Briten schon

Der australische Premier Malcolm Turnbull ist laut eigenen Aussagen mit seinem neuseeländischen Kollegen John Key übereingekommen, gemeinsam über neue Abkommen mit den Briten zu verhandeln, etwa zu den Themen Handel und Einwanderung.

Der Handel zwischen Australien und Großbritannien hatte von Juli 2013 bis Juni 2014 einen Wert von umgerechnet 55,5 Milliarden Euro. Mit Neuseeland machte Großbritannien Geschäfte im Wert von 12,5 Milliarden Euro. Mit der EU verhandeln beide Länder jeweils getrennt über Freihandelsabkommen.

Kern und Mitterlehner versprechen Erklärung nach EU-Gipfel

Beim Plenum des Nationalrats Anfang Juli wird sich die Regierungsspitze zu Europa erklären, teilt das Bundeskanzleramt mit. Konkret ist eine gemeinsame Erklärung - nach dem Europäischen Rat diese Woche - von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) geplant. Eine solche Erklärung haben die Grünen gefordert.

Farage will sich Triumph in Brüssel nicht nehmen lassen

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: „I am going out now and I may be some time“: Mit diesen Worten hat UKIP-Chef und „Brexit“-Kampagnenführer Nigel Farage vor drei Wochen das EU-Parlament mit viel Pathos verlassen.

Offenbar hat er damals selbst nicht an einen Referendumssieg der Ausstiegsbefürworter geglaubt - denn schließlich ist es jetzt genauso ausgegangen, wie er sich erhofft hat, und trotzdem wird Farage schon morgen, bei einer Parlamentssondersitzung wieder vor dem Plenum sprechen.

Wie es danach mit ihm, seinen europakritischen Kollegen und allen anderen britischen EU-Abgeordneten weitergeht, ist nach wie vor unklar. Bis zum endgültigen Ausstieg dürften sie rein rechtlich alle bleiben. Zu welchen Konditionen, ist die Frage - die Debatte wird in den nächsten Sitzungen hochkochen: Stimmrechtsentzug oder Entzug von Funktionen wie Berichterstatter und Ausschussvorsitzender werden von verschiedenen Seiten gefordert.

Andererseits dürften doch einige Fraktionen froh sein, wenn sich die britischen EU-Parlamentsmitglieder nicht gleich verabschieden: Ihr Ausscheiden verschiebt auch die Machtverhältnisse zwischen den Fraktionen.

Am stärksten betroffen sind die, die über den Ausstieg am meisten jubeln würden: die Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie, der auch die deutsche AfD und die italienische Bewegung Fünf Sterne angehören. Sie verliert mit Farage und seinen UKIP-Kollegen fast die Hälfte aller Mandatare.

Grafik zu den britischen Abgeordneten im eurpäischen Parlament

Grafik: ORF.at; Quelle: Europäisches Parlament

Ein Auslaufmodell?

Oxford Street

APA/AFP/Odd Andersen

Die Londoner Oxford Street am Montag mit dem „Union Jack“ beflaggt - vielleicht auch schon ein Auslaufmodell: Immerhin steht das Weiß und Blau darin für Schottland, das offenbar lieber bei der EU als bei England bleiben will.

US-Finanzminister Jack Lew erklärt, der „Brexit“ sei ein zusätzlicher Gegenwind. Aber die USA, Großbritannien und die EU seien in der Lage, damit umzugehen. Es sei im Interesse der USA und Europas, die offenen Handelsbeziehungen beizubehalten. Sein Haus beobachte die Wechselkurse sehr genau, einseitige Interventionen seien aber nicht angebracht.

Obama und Kerry hätten sich anderes Ergebnis gewünscht

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: US-Außenminister John Kerry hat heute Früh außerplanmäßig einen Zwischenstopp in Brüssel eingelegt, um sich höchstpersönlich über die Post-„Brexit“-Referendumslage zu informieren.

Das Ergebnis sei ein anderes, als sich US-Präsident Barack Obama und er erhofft hätten - „aber das ist Demokratie“, sagt Kerry bei einer kurzen Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche. „Wir legen Wert auf eine starke EU“, ergänzt er mit betonter Zuversicht, dass der Prozess in den kommenden Wochen und Monaten geordnet ablaufen werde.

John Kerry und Federica Mogherini

APA/AFP/John Thys

Kerry an der Seite von EU-Außenbeauftragter Francesca Mogherini

Innerdeutscher Zwist über „Brexit“-Linie offensichtlich

Die Bruchlinien, wie mit einem „Brexit“ umzugehen sei, ziehen sich bis in die einzelnen Regierungen hinein: Zusehends deutlich befürwortet in Deutschland Kanzlerin Merkel und die CDU eine abwartende Position, während die SPD die EU-Kommission und das -Parlament in ihrem Wunsch nach einer beherzten Antwort auf das britische Votum unterstützt.

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley fordert Großbritannien auf, das Austrittsverfahren unverzüglich einzuleiten. Es werde für das Vereinigte Königreich keine Verbesserung im Status geben. Für die EU fordere sie eine „wirtschaftspolitische Wende“.

Merkel hat kurz zuvor erklärt, man müsse London nun Zeit zu einer „Analyse“ geben, außerdem sei Großbritannien bis auf Weiteres ein EU-Mitglied wie jedes andere auch.

Anträge auf irische Pässe verzwanzigfacht

Sonst liegen Antragsformulare für irische Pässe fast unbeachtet auf den Postämtern in Nordirland, heute ist kein einziges mehr verfügbar: Nach dem „Brexit“-Votum haben laut Angaben der irischen Regierung allein heute 4.000 Menschen einen irischen Pass beantragt. Normalerweise gibt es um die 200 Anträge pro Tag.

Laut irischem Recht hat jeder Brite, der in Nordirland geboren wurde oder irische Großeltern hat, das Recht auf einen irischen Pass - und damit die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes. Sogar der nordirische (probritische) Protestantenführer Ian Paisley junior meint via Twitter: „Mein Rat ist, wenn Sie das Recht auf einen zweiten Pass haben, holen Sie sich einen!“

Polens Kaczynski attackiert Landsmann Tusk

Der Chef der rechten polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, fordert den Präsidenten des EU-Rates, den polnischen Politiker Donald Tusk, zum Rücktritt auf. Tusk sei direkt verantwortlich für den „Brexit“, so Kaczynski.

Die Attacke ist wohl im Licht einzelner EU-Mitgliedsstaaten zu sehen, die eine beherzte Antwort Brüssels an London verhindern wollen, da das die EU-Institutionen stärken und eigene Positionen - etwa bei der Verweigerung einer solidarischen Haltung im Flüchtlingsthema - schwächen würde.

Downing Street gegen neues Schottland-Referendum

Die britische Regierung weist - wenig verwunderlich - Forderungen nach einem erneuten Unabhängigkeitsreferendum in Schottland energisch zurück. Die Gründe, deretwegen Schottland zu Großbritannien gehöre, seien „noch genauso stark wie vor 18 Monaten“, als das erste Referendum abgehalten wurde, sagt eine Regierungssprecherin heute in London.

„Das Letzte, was Schottland jetzt braucht, ist ein weiteres spaltendes Referendum“, so die Regierungssprecherin. Bei dem „Brexit“-Referendum hatten am Donnerstag knapp 52 Prozent aller Briten für einen Ausstieg aus der Europäischen Union gestimmt. Dabei sprachen sich die Wähler in Schottland allerdings mit 62 Prozent klar für einen Verbleib des Königreichs in der EU aus.

Mann putzt Fenster des schottischen Parlaments

APA/AFP/Oli Scarff

Fensterputzer am schottischen Parlament verschaffen den dortigen Abgeordneten am Montag einen klareren Blick auf ihre Umwelt.

„Brexit“-Kampagne löscht Website mit Versprechen

Die Website der „Brexit“-Kampagne ist offline und durch ein statisches Bild ersetzt worden. Bisher fanden sich darauf vor allem Versprechen über die positiven Folgen für Briten im Fall eines EU-Austritts, etwa täglich Zuschüsse von mehreren Millionen Pfund für die britische Sozialversicherung. Die Versprechen sind von den „Brexit“-Befürwortern in den letzten Tagen relativiert beziehungsweise zurückgenommen worden.

Nachfolge für Cameron bis Anfang September gefordert

Einflussreiche Kreise der britischen Konservativen wollen Anfang September den Nachfolger des scheidenden Premierministers David Cameron wählen. Das Verfahren zur Wahl eines neuen Parteichefs solle nächste Woche beginnen, erklärt heute der Vorsitzende der mächtigen 1922-Gruppe konservativer Abgeordneter, Graham Brady.

Spätestens am 2. September solle dann der Parteichef zum Regierungschef gewählt werden, so Brady. Cameron hatte nur Stunden nach Bekanntgabe des Ergebnisses des Referendums am Freitag erklärt, er wolle sein Amt niederlegen. Als Nachfolger wird unter anderen sein Kontrahent in der Frage des EU-Austritts Großbritanniens, der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson, gehandelt.

David Cameron

APA/AP/Matt Dunham

Cameron beim Verlassen seines Amtssitzes, auf dem Weg zu seiner Rede über das Referendum vor dem britischen Parlament

Vorerst keine Austrittsverhandlungen mit Briten

Die diplomatische Verhandlungsrunde der 27 EU-Mitgliedsstaaten - ohne Großbritannien - hat sich dem Vernehmen nach darauf geeinigt, vorerst nicht über den britischen EU-Austritt zu verhandeln. Erst ein offizielles Austrittsersuchen gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags werde die Verhandlungen in Gang setzen, heißt es seitens der französischen Delegation.

Was ein britischer Kommissar künftig machen soll

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Der britische EU-Kommissar Jonathan Hill hat direkt nach dem Referendum seinen Rückzug bekanntgegeben. Bis Mitte Juli bleibt er noch im Amt, dann will er Brüssel den Rücken kehren. Es ist nun eigentlich an London, einen Nachfolger zu bestimmen - denn wie jedes EU-Land hat auch Großbritannien nach wie vor einen Anspruch auf einen Sitz in der Kommission.

Das Ressort kann man sich dabei freilich nicht aussuchen. Hills Zuständigkeit für Finanzmärkte und -dienstleistungen wurde bereits an den Letten Valdis Dombrovskis übergeben. Wer auch immer von Cameron oder seinem Nachfolger nach Brüssel geschickt wird, wird jedenfalls wohl kaum mit derart wichtigen Bereichen betraut werden. Spöttische Kommentare zu möglichen Ressorts machen die Runde: Kommissar für Gartengestaltung und Rasenpflege? Oder für Teezeremonien und Gin-Tonic-Bereitung?

Wäre es nach Kommissionspräsident Juncker gegangen, hätte Hill auch bleiben dürfen.

Kein Englisch mehr als Amtssprache?

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Der Verfassungsausschuss des EU-Parlaments findet die aktuelle Situation „frustrierend“, schließlich sei es angesichts der langfristigen Planungen recht mühsam mit der unsicheren Lage 27 plus ein Land kalkulieren zu müssen.

Die Vorsitzende des Ausschusses, die EVP-Abgeordnete Danuta Hübner brachte bei ihrer Pressekonferenz am Nachmittag auch ein Thema auf’s Tapet, das bisher wenn nur scherzhalber angesprochen wurde. Ohne Briten gäbe es in der EU „kein Englisch mehr.“ Jedes Land könne bisher nur eine Sprache als offizielle Amtssprache einbringen, bei Irland sei es Gälisch, bei den Maltesern Maltesisch. Um Englisch also als eine der derzeit 24 Amtssprachen zu behalten, bräuchte es - ganz theoretisch - nach dem „Brexit“ eine Einigung, dass ein Land auch zwei offizielle Amtssprachen beantragen dürfe.

Jean-Claude Juncker und Pierre Moscovici

Reuters//Francois Lenoir

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat seinen Humor nicht verloren, bewiesen etwa heute bei der Begrüßung von EU-Währungskommissar Pierre Moscovici vor der nachmittäglichen Sitzung der Kommission.

Cameron bekräftigt Zuwarten mit „Artikel 50“

Bei seiner Rede vor dem britischen Parlament bestätigt Premier David Cameron ein weiteres Mal die Vermutung, dass es bis zu einer offiziellen EU-Austrittserklärung der Briten gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages noch dauern wird. Man werde „den Artikel 50 zu diesem Zeitpunkt noch nicht auslösen“, die Entscheidung über den Zeitpunkt liege allein bei Großbritannien.

Finnische Regierungspartei will „Fixit“

In Finnland bringt ein führender Abgeordneter der mitregierenden Partei Die Finnen ein Referendum nach britischen Vorbild über den Verbleib des Landes in der EU ins Spiel. Dies sollte eine der Fragen bei der nächsten Parlamentswahl 2019 sein, sagt Sampo Terho. Seine Partei ist Teil der Koalitionsregierung in Helsinki und verfolgt einen EU-kritischen Kurs.

Schottische Kampfansage in britischem Parlament

Der Sprecher der schottischen Regierungspartei SNP im britischen Parlament erklärt, man werde nicht dabei zusehen, wie „Schottland gegen seinen Willen aus Europa herausgenommen wird“. Zuvor am selben Tag hatte es in Brüssel ein Treffen zwischen Vertretern Schottlands und der Europäischen Union gegeben, bei dem die Schotten ihre EU-Treue unterstrichen.

Eine asiatische Touristin in schottischem Gewand

APA/AFP/Oli Scarff

In den Straßen der schottischen Hauptstadt Edinburgh am Montag

Zumindest seinen Humor scheint Cameron nicht verloren zu haben. Bei der Angelobung der neuen Labour-Abgeordneten Rosena Allin-Khan riet er ihr, ihr Mobiltelefon heute nicht abzuschalten. Schon am Abend könnte sie Teil des Labour-Schattenkabinetts sein, witzelte der Premier angesichts der Auflösungserscheinung bei den oppositionellen Sozialdemokraten von Jeremy Corbyn.

Jeremy Corbyn

Reuters/Neil Hall

Corbyn auf dem Weg zur Parlamentsdebatte

Briten stehen zu Militärmissionen von NATO und EU

Das Brexit-Votum hat der britischen Regierung zufolge keine Konsequenten für das britische Engagement in NATO- und EU-Missionen. Das Land werde seinen Verbündeten in Europa und der Welt nicht den Rücken kehren, sagte Verteidigungsminister Michael Fallon heute im Parlament in London. Die Marine werde sich weiter am Kampf gegen Schmuggler und illegale Migration beteiligen, etwa am Horn von Afrika und auf dem Mittelmeer.

Corbyn sieht Land „gespalten“

Der nach dem Brexit-Votum schwer unter Druck stehende Labour-Chef Jeremy Corbyn hat die politischen Machtkämpfe in den Parteien scharf kritisiert. „Unser Land ist gespalten“, sagte Corbyn den Abgeordneten des britischen Unterhauses. Die Leute würden den Abgeordneten beider Parteien in dieser Zeit das Taktieren nicht danken.

Seit dem Wochenende hat ein erheblicher Teil des Labour-Schattenkabinetts dem Oppositionschef den Rücken gekehrt, weil er für möglichen Neuwahlen nicht ausreichend führungsstark sei. In der Tory-Partei läuft nach der Rücktrittsankündigung von Premierminister David Cameron das Rennen um seine Nachfolge.

Eurotunnel erwartet kritische Lage in Calais

Im französischen Calais wird nach Einschätzung des Betreibers des Eurotunnels der Migrationsdruck infolge des Brexit-Votums zunehmen. Flüchtlinge dürften um jeden Preis versuchen, nach Großbritannien zu gelangen, bevor das Land aus der Europäischen Union austritt, warnte Eurotunnel-Chef Jacques Gounon auf einer Pressekonferenz in Calais.

Vermutlich im Sommer werde sich die Lage problematisch entwickeln, glaubt Gounon. Er stellte in der nordfranzösischen Hafenstadt zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen zur Aufrechterhaltung des Betriebs im Eurotunnel vor. Nach dem „Brexit“-Referendum haben die Eurotunnel-Aktien 27 Prozent an Wert verloren.

Eine Drohne

APA/AFP/Denis Charlet

Eine der Drohnen zur Überwachung des Eurotunnels

Schlusskurse: Talfahrt an den Börsen

Der Schock über das „Brexit“ war auch heute auf den Finanzmärkten spürbar. Die Aktienbörsen in Europa setzten ihre Talfahrt fort, das Pfund Sterling brach auf ein frisches 31-Jahres-Tief ein. Der deutsche Leitindex DAX sackte um drei Prozent ab, der EuroStoxx50 fiel um 2,8 Prozent.

Der britische „Footsie“ verlor mit 2,6 Prozent etwas weniger, da die Aktien von Goldminenkonzernen wie Randgold und Fresnillo angesichts des Anstiegs des Goldpreises hoch im Kurs standen. An der Wall Street notierten der Dow-Jones und der S&P500 zum europäischen Handelsschluss je etwa 1,5 Prozent schwächer.

Trader an der New Yorker Börse

APA/AP/Richard Drew

Gibraltar und Schottland schließen sich kurz

Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo sagte der BBC, er habe mit seiner schottischen Amtskollegin Nicola Sturgeon Optionen besprochen, wie man beide Regionen, die deutlich gegen den „Brexit“ gestimmt haben, in der EU halten könnte. Nordirland könnte sich diesen Gesprächen ebenfalls anschließen. Sturgeon hatte gestern ein Veto des schottischen Parlaments ins Spiel gebracht. Ob eine Blockade rechtlich möglich wäre, ist aber umstritten.

Aus für die „Brexit“-Task-Force

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Seit ungefähr einem Jahr war in der Kommission eine „Taskforce Strategische Fragen im Zusammenhang mit dem Referendum im Vereinigten Königreich" im Einsatz - jetzt wird sie aufgelöst, gab Kommissionspräsident Juncker heute Nachmittag bekannt.

Die Arbeitsgruppe rund um den Briten Jonathan Faull war primär mit den Verhandlungen um den - jetzt hinfälligen - Reformdeal mit David Cameron beschäftigt. Nach dem Gipfel im Februar bestand ihre Aufgabe in der Beratung der Kommission während der „Brexit“-Kampagnen in Großbritannien. Jetzt sollen sie sich nur mehr der administrativen Aufarbeitung und Archivierung widmen.

Eine Task Force, die den Ausstiegsprozess begleiten soll, gibt es im Moment laut Kommissionssprecher Margaritis Schinas noch nicht.

Comeback des „Post-it Wars“?

Sophia Felbermair

ORF.at/Sophia Felbermair

ORF.at-Korrespondentin Felbermair, Brüssel: Im Sommerloch 2011 haben gelangweilte Büroangestellte in Frankreich den „Post-it War“ erfunden - sie haben mit bunten Zetteln Bilder an die Fenster ihrer Büros geklebt und ihre Nachbarn gegenüber zum mitmachen herausgefordert. Über zu wenig Arbeit kann sich dieser Tage in den EU-Institutionen wohl keiner beklagen - im EU-Parlament findet trotzdem irgendjemand gerade die Zeit eine Botschaft zu kleben. Noch nicht ganz fertig, aber der Inhalt lässt sich bereits erahnen:

Zettel am Bürofenster im EU-Parlament

ORF.at/Sophia Felbermair

Krisentreffen und EU-Gipfel

Es geht Schlag auf Schlag weiter: Gerade treffen einander Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, Italiens Regierungschef Matteo Renzi und Frankreichs Präsident Francois Hollande um über das weitere Vorgehen zu beraten. Sie werden wohl auch für den EU-Gipfel am Dienstag und Mittwoch eine Marschroute vorgeben. Mit Spannung kann jedenfalls der Auftritt des britischen Premiers David Cameron dort erwartet werden.

In London entscheidet sich heute und morgen wohl das Schicksal von Labour-Parteichef Jeremy Corbyn. Im Stundentakt verlassen seit Sonntag die Mitglieder seines Schattenkabinetts sein Team. Ein Misstrauensvotum steht auf dem Programm. Sollten ihm die Abgeordneten das Vertrauen entziehen, steht Labour vor einem Scherbenhaufen - und vor allem vor einem tiefen Riss zwischen Parteibasis und Funktionären.