Szene aus “La Plaza”

Luisa Guiterrez

„La Plaza“: 13 Schauspieler suchen einen Text

Mit „La Plaza“ möchte das Künstlerduo El Conde de Torrefiel den öffentlichen Raum als Ort der Meinungsfreiheit auf die Theaterbühne bringen. Statt Dialogen gibt es allerdings nur gesichtslose Pantomime und eine dumpfe Soundkulisse. Die Festwochen-Premiere am Donnerstagabend im Theater Akzent versetzte die Zuseher in eine Art Dämmerzustand. Nicht alle fanden das gut.

„Du sitzt vor eine fast völlig abgedunkelten Bühne. Du siehst La Plaza.“ Mit diesen Sätzen beginnt die Performance, die der Spanier Pablo Gisbert und die Schweizerin Tanya Beyeler konzipiert haben. Zusammen bilden sie das in Barcelona ansässige Künstlerduo El Conde de Torrefiel, das dafür bekannt ist, in seinen Arbeiten die Begrenzungen gesprochener Sprache zu überwinden. In „La Plaza“ versuchen sie das mit Textprojektionen, die das Publikum direkt einbeziehen. 13 Akteure auf der Bühne sind ohne Stimme und damit ohne Text.

Ohne Worte in die Zukunft

Die Bühne ist über und über mit Blumen und Kerzen bedeckt. Aus den Lautsprechern kommen sphärische Klänge. Das Einzige, was die Geschichte vorantreibt, ist der Text, der auf die Rückseite der Bühne projiziert wird. Das Publikum wird direkt angesprochen und dazu angehalten, sich allerhand Fragen zu stellen: zu dystopischen Visionen über den Zustand der Menschheit, das Wesen des Theaters, die Zukunft des Kapitalismus. Als es schließlich um die Angst des Menschen geht, seine Zeit zu verschwenden, verlassen die ersten Zuschauerinnen und Zuschauer den Saal.

Szene aus “La Plaza”

Els De Nil

Erst nach einer halben Stunde endet das hypnotische, aktionslose Vorspiel, und „La Plaza“ bekommt eine zweite Erzählebene. Ein maskiertes Ensemble, dessen Gesichter nur schemenhaft zu erkennen sind, bevölkert die Bühne. Doch die Performer bleiben stumm, ihre Interaktion steht im Vordergrund. Daneben laufen die Textprojektionen weiter. Die Elektro-Geräuschkulisse bleibt im Hintergrund.

Hinweis

„La Plaza“ ist bei den Wiener Festwochen noch am 8. und 9. Juni um 19.30 Uhr im Theater Akzent zu sehen. Am 8. Juni findet im Anschluss an die Vorstellung ein Publikumsgespräch statt.

Banal und hypnotisch

In diesen stummen Szenen verhandelt das Künstlerduo Alltagsszenen, manche dramatischer, andere banaler. Eine Gruppe kopftuchtragender Frauen unterhält sich, ein bewaffneter Soldat patrouilliert, ein Obdachloser liegt auf dem Boden, ein Fahrradbote sucht seine Adressaten, betrunkene Frauen stolpern über die Bühne. Eine der Frauen bleibt auf dem Boden liegend zurück, und keiner der Passanten interessiert sich für sie. Zwei junge Männer stoßen sie schließlich mit dem Fuß an und fotografieren sie mit dem Smartphone, anstatt ihr zu helfen.

Szene aus “La Plaza”

Luisa Guiterrez

Pablo Gilbert erklärt im Programmheft, dass er in „La Plaza“ keinerlei Verantwortung für die Dinge übernehme, die das Stück verhandelt. Das scheint das Publikum zu spüren. Die Zuschauer sind mit den Szenen und dem projizierten Text, die voneinander unabhängig sind, völlig allein gelassen - nicht ohne Folgen. Im Lauf der Aufführung verlassen immer mehr Zuschauer den Saal. Sich auf die hypnotische Kombination banaler Szenen und abstrakter Texte einzulassen ist sichtlich eine Herausforderung.

Viele Fragen, keine Antworten

Die Meinungsfreiheit erlaube es den Menschen, furchtbare Dinge zu sagen, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen. Das schreibt Beyeler über „La Plaza“. Was genau die Künstlerin damit meint, bleibt bei der Performance jedoch offen. Bildungsgerechtigkeit, Migration, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, konsumistischer Umgang mit Kultur und die Abhängigkeit von neuen Technologien - all das streift „La Plaza“, mehr aber auch nicht.

Bei diesem gedanklichen Streifzug fallen einigen, die durchgehalten haben, schließlich die Augen zu. Ein Umstand, mit dem das Künstlerduo gerechnet haben dürfte. Gegen Ende projizieren sie: „Deine Augenlieder schließen sich langsam, du schläfst.“ Eine eineinhalbstündige Meditation, die mit wohlwollendem Applaus der sichtlich gelichteten Reihen zu Ende geht.

Marlene Nowotny, ORF.at

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