Einblick in die micro/macro-Installation von Ryoji Ikeda

ZKM

Wenn Kunst die Betrachter verschlingt

Ab dieser Woche bebt die Halle E des Wiener Museumsquartiers: Der japanische Künstler Ryoji Ikeda zeigt bei den Wiener Festwochen seine raumgreifende Installation „micro/macro“, die unsichtbare physikalische Prinzipien sichtbar und hörbar machen möchte. Ein Unterfangen, das tatsächlich durch Mark und Bein geht, stellt doch der Künstler die Größe des Menschen einer Vermutung von der Unermesslichkeit des Universums gegenüber.

Dort, wo bei den Festwochen normalerweise die großen Bühnenperformances stattfinden, steht in diesem Jahr eine Installation aus Daten, Licht und Klang auf dem Programm. Die Tribüne in der Halle E im Museumsquartier ist abgebaut. Stattdessen sind zwei riesige Leinwände montiert, eine auf der Wand und eine auf dem Boden.

Ikeda projiziert darauf Raster, Bilder und schematische Darstellungen, die den Zuschauerinnen und Zuschauern die kleinsten und größten Skalen des Universums näherbringen sollen. Dazu erklingen Töne in allen Höhen des Frequenzspektrums, die man nicht nur hört, sondern auch in den Eingeweiden spürt.

Eröffnung der Installation "micro/macro/ von Ryoji Ikeda

Inés Bacher

Eintauchen in das plancksche Universum

Das Adjektiv, das der Festwochen-Intendant Tomas Zierhofer-Kin bei der Eröffnung Dienstagabend dafür verwendete, ist immersiv. Eine Beschreibung, mit der vor allem Fans von Videospielen und großen Kinosälen etwas anfangen können. Immersion beschreibt das Eintauchen in eine virtuelle Umgebung, hervorgerufen durch künstliche Ton- und Lichteffekte, die als real empfunden werden. In diesem Fall tauchen die Besucher in das Universum des deutschen Physikers Max Planck ein.

Mensch und Universum

Das Publikum darf die Vermutung des Künstlers miterleben, dass das Universum unendlich groß und der Mensch klein bis zum Verschwinden ist.

In „the planck universe [micro]“ projiziert Ikeda seine Bildfolge auf eine riesige begehbare Fläche. Um das Material zu schonen, sind die Besucher dazu angehalten, ihre Schuhe auszuziehen. Über die Köpfe des Publikums hinweg rasen Visualisierungen, die sich mit der Planck-Skala auseinandersetzen - eine Größenordnung, in der die bekannten Gesetze der Physik wie das Gravitationsgesetz nicht mehr greifen. Physikerinnen und Physiker arbeiten mit der Planck-Skala, um die Wechselwirkung winzigster Teilchen zu beschreiben. Komplex erscheinende Formeln und Formen, die im Loop wiederkehren, füllen den Fußboden.

Eröffnung der Installation "micro/macro/ von Ryoji Ikeda

Inés Bacher

Zuschauer begehen die „micro“-Installation

Das Unsichtbare sichtbar machen

Während Ikeda in seiner „micro“-Installation die kleinsten Bausteine des Universums sichtbar machen möchte, beschäftigt er sich in der „macro“-Projektion mit den astronomischen Weiten jenseits des Fassbaren. Eine überdimensionale Wandprojektion, bei der sternartige Lichter, planetenhafte Formen und elliptische Konturen über die Leinwand flirren. Der Künstler nähert sich der wissenschaftlichen Vermutung an, dass das Universum unendlich groß sein könnte. Verbindendes Element zwischen den beiden Installationen ist die menschliche Wahrnehmung als unvollkommene Dimension, die - zumindest ohne künstlerische Übersetzung - weder das eine noch das andere fassen kann.

Die Besucher können sich frei zwischen der „micro“- und der „macro“-Sphäre bewegen oder die Galerie erklimmen und beide Großprojektionen aus erhabener Perspektive beobachten. Für die Recherche zu diesem audiovisuellen Erlebnis war Ikeda mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Kontakt getreten. Ausgehend von diesen Gesprächen versuchte der Künstler, der Diskrepanz zwischen theoretischem Wissen über die Welt und der individuellen Wahrnehmung auf den Grund zu gehen.

Hinweis

„micro/macro“ ist noch bis zum Ende der Festwochen am 17. Juni im Wiener Museumsquartier zu sehen.

Künstler ist fast zufrieden

Dazu hat Ikeda eine Geräuschkulisse geschaffen, die zwischen lautem Dröhnen und stillem Rauschen oszilliert. Der Medienkünstler, der international auch als Komponist elektronischer Musik bekannt ist, hat für „micro/macro“ Klänge entwickelt, die die überwältigende Wahrnehmung der projizierten Bilderflut verstärken. Zierhofer-Kin erklärte dazu, der japanische Künstler würde mit Bild und Ton 50 Prozent dieses Kunstwerks beitragen, den Rest müsse das Publikum durch seine Wahrnehmung beisteuern.

Eröffnung der Installation "micro/macro/ von Ryoji Ikeda

Inés Bacher

Künstler und Publikum erschaffen das Kunstwerk gemeinsam

Ikeda selbst zeigte sich bei der Eröffnung über die Gestaltung der Ausstellungshalle erfreut. Der Japaner hatte „micro/macro“ bereits einmal in Deutschland gezeigt. Wegen der Neuauflage der Installation bei den Wiener Festwochen sei er zunächst skeptisch gewesen, jetzt sei er über das Ergebnis glücklich. „Normalerweise bin ich mit der Ausstellungsgestaltung nicht zufrieden, dieses Mal bin ich es fast“, so Ikeda.

Marlene Nowotny, für ORF.at

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