Szenenfoto aus "Mount Olympus"

Festwochen / Wonge Bergman

24 Stunden in Mount Olympus live

Es ist ein Experiment der besonderen Art: eine Performance von einem Abend 24 Stunden durchgehend bis zum nächsten Tag. „Mount Olympus. To Glorify the Cult of Tragedy“ heißt das Projekt von Jan Fabre, das ab heute über 800 Zuseher im Wiener MuseumsQuartier bis zum Abend des morgigen Sonntags durchleben werden. Der Blick auf die Bühne wird über das Internet gestreamt. Und ORF.at schaut 24 Stunden im Close-up und aus allen Blickwinkeln, was die Menschen in dieser Zeit auf, vor, neben und hinter der Bühne durchleben, wenn die Antike und ihre Mythen auf radikale Weise neu verhandelt werden - und eine Nacht im Bann des Dionysos steht.

Extase, Rausch, Müdigkeit, Hunger, Erwachen, Entrückung, Lust und Libido - nichts soll dem Publikum fern bleiben, wenn es bei den heurigen Wiener Festwochen Fabres Weg durch die Antike folgt. Es wird kein leichter Weg sein, nichts für schwache Nerven - und noch weniger etwas für empfindliche Nasen oder sehr empfindsame Herzen.

Live kann man via ORF.at und Festwochen.at bei diesem Grenzgang bis zum Sonntagabend dabei sein und miterleben, was Publikum und Schauspielern widerfährt. Nur die „Geruchsorgel“ des belgischen Tausendsassas bleibt der Vorstellungswelt über die digitale Verbreitung vorbehalten.

Jeder kann mitreporten

ORF.at begleitet „Mount Olympus“ mit einem Close-up-Social-Format und hat vorab mit dem Regisseur gesprochen.

Jeder, der die Performance miterlebt, kann seine Eindrücke in Text, Bild und Video über Soziale Medien verbreiten. ORF.at sammelt unter dem Hashtag #MO24 die prägnantesten Posts ein und integriert diese in die Liveberichterstattung.

Hinweis: Nur für Personen über 16 Jahren geeignet

Die biologische Uhr soll aus dem Takt geraten

Für Fabre ist „Mount Olympus“ so etwas wie das „Zeugnis“ seiner Arbeit der letzten 30 Jahre. „Darin steckt die gesamte Theatersprache, die ich entwickelt habe“, sagte er gegenüber ORF.at

In „Mount Olympus“ will Fabre den Weg zur Katharsis mit einer Art programmierter Überforderung erzeugen, das betrifft sowohl Publikum als auch Ensemble. „Es ist sehr, sehr fordernd für alle Beteiligten. Nach jeder Vorstellung sind wir für ungefähr eine Woche völlig aus dem Takt. Die biologische Uhr ist völlig durcheinander.“ Er habe schon oft von Zuschauern gehört, dass sich im Laufe der Performance die Perspektiven verschieben: Wenn man zwischendurch hinausgeht und zurückkommt, empfinde man die Vorstellung als Realität.

Jan Fabre, Antwerpen

Sophia Felbermair

Jan Fabre in Antwerpen im Gespräch mit Sophia Felbermair

Die Arbeit sei in gewisser Weise Work in Progress und habe sich seit der Uraufführung vor rund einem Jahr in Berlin sehr viel weiterentwickelt: „Die Suche geht immer weiter. Wir hören nicht auf, uns zu fragen, ich höre nicht auf, meine Darsteller zu fordern, neue Dinge zu erfinden.“ Das passiere auch auf der Bühne, schließlich leben die Darsteller und Mitarbeiter 24 Stunden mit dem Publikum gemeinsam im Theatersaal. „Manche Darsteller schlafen und haben Träume. Das wirkt sich natürlich auf die Szenen danach aus, und dem spüren wir zwischen den Vorstellungen weiter nach.“

Alles sehe improvisiert aus, sei aber bis ins letzte Detail geplant, so Fabre - ein geschickter Schachzug, womit man jede Improvisation ins Reich der Hintergründe führen kann.

Samstag, 21. Mai in der #halleeimmq #MO24 #wienerfestwochen2016 #performance #janfabre

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Jan Fabre über ...

... das Abenteuer 24 Stunden

„Das Abenteuer der 24 Stunden ist sehr aufregend. Bisher haben wir erlebt, dass viele Menschen von der ersten bis zur letzten Stunde da bleiben. Wir sehen, dass das, was wir ausprobieren, aufgeht. Wir spüren die Katharsis im Theater, und wir spüren einen Austausch von phyisischer und geistiger Energie. Das ist schön.“

„Wir selbst sind nach den 24 Stunden für fast eine Woche aus dem Takt. Die körperlichen Reaktionen sind extrem, und die biologische Uhr ist komplett durcheinander. Zuschauer haben mir erzählt, dass sich auch bei ihnen die Ebenen verschieben. Wenn sie zwischendurch hinausgehen und wieder zurückkommen, fühlt sich die Vorstellung realer an, als die Wirklichkeit.“

„Die Dauer ist ein sehr wichtiges Element der Inszenierung. Nur so können die richtigen Gefühle erzeugt werden. Wirkliche Müdigkeit, wirkliche Einbindung. Die analytische Maske der Zuschauer fällt ab, und erst so können sie alles direkt erleben.“

Szenenbilder aus "Mount Olympus"

Festwochen / Wonge Bergman

... griechische Mythologie und Katharsis

„Wir wollen einfach die Geschichten der griechischen Mythologie neu erzählen, weil sie auf gewisse Weise sehr modern und universell sind. Sie erzählen von dir und mir.“

„Wir hatten das große Bedürfnis, zu verstehen, was ‚Katharsis‘ heute für uns bedeutet. Auf sozialer, gesellschaftlicher, philosophischer und politischer Ebene. Katharsis öffnet immer einen Weg ins Unbewusste, aber gleichzeitig auch eine Tür in die Zukunft, vielleicht eine bessere Zukunft.“

„Auch was im Moment in Europa passiert, ist eine Art von Katharsis: Wenn die Menschen an den Grenzen zurückgewiesen werden, dann verzögern wir das nur. Wir leben in einer neuen Ära, und Europa wird sich verändern - aber im Moment bremsen wir die Katharsis für den Kontinent, weil wir uns dem nicht stellen.“

Szenenbilder aus "Mount Olympus"

Festwochen / Wonge Bergman

... Jan Fabre, den Diktator

„Wie jeder gute Künstler bin ich ein Diktator. Ich arbeite mit sehr kreativen Menschen. Ich bin offen für Input, und viele von den Künstlern in meiner Company haben mit mir gemeinsam eine künstlerische Sprache entwickelt, in den letzten zehn, 20, 30 Jahren. Aber die Entscheidungen hier treffe ich. Ich bin der Diktator.“

„Ich sage dauernd: ‚Nein, nein, nein, nein - ja!‘“

Szene aus "Mount Olympus"

Festwochen / Wonge Bergman

... Fabre-Darsteller als Blindenhunde des Regisseurs

„Ohne die Qualität meiner Darsteller wäre ich gar nichts. Sie sind die Nervenzellen meiner Arbeit. Sie sind der sexuelle Glanz, sie sorgen für die Reibung, und ohne Reibung gibt es keinen Glanz. Ich bin wie ein blinder Mann, sie sind meine Blindenhunde. Sie bringen mich an die richtigen Orte.“

„Die Suche geht immer weiter. Wir hören nicht auf, uns zu fragen, ich höre nicht auf, meine Darsteller zu fordern, neue Dinge zu erfinden.“

„Manche Darsteller schlafen und haben Träume. Das wirkt sich natürlich auf die Szenen danach aus, und dem spüren wir zwischen den Vorstellungen weiter nach.“

Szene aus "Mount Olympus"

Festwochen / Wonge Bergman

... Jan Fabre, als Nebel- und Regenmacher

„Mein Job während der Vorstellung ist es, die Darsteller zu coachen. Manchmal bin ich hinter der Bühne, manchmal im Zuschauerraum. Dazwischen gebe ich Kritik und spreche mit dem Team. Ich bediene auch die Geruchsmaschinerie, den Nebel und den Regen, zum Teil auch das Licht.“

Szenenbilder aus "Mount Olympus"

Festwochen / Wonge Bergman

... „Mount Olympus“ als Summe von 30 Jahren Theaterpraxis

„Man könnte sagen, dass ‚Mount Olympus‘ so etwas wie ein Zeuge oder ein Zeugnis meiner Theaterpraxis der vergangenen 30 Jahre ist. Es enthält die Sprache, die ich entwickelt habe.“

„Meine Arbeit ist eine Zusammenführung der Geschichte von Kunst, Wissenschaft und Religion.“

„Ich habe noch viele Pläne. Es braucht ein ganzes Leben, um ein junger Künstler zu werden.“

Szenenbilder aus "Mount Olympus"

Festwochen / Wonge Bergman

... Menschen, die sich von ihm provoziert fühlen

„Manches Mal passiert es, dass die Öffentlichkeit nicht versteht, was ich mache, und manche Menschen sich provoziert fühlen. Aber das ist der Grund dafür, warum ich etwas mache. Provokation liegt immer im Auge des Betrachters.“

„Auf Störaktionen im Theater oder Anfeindungen reagiert man nicht. Das sind Unhöflichkeiten. Ich habe damit viel Erfahrung. Sechs Monate lang musste ich zwischen vier Wohnungen in Antwerpen wechseln, weil ich bedroht wurde.“

„Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, für die Verletzlichkeit der Schönheit zu kämpfen.“

Mit Jan Fabre sprach Sophia Felbermair, ORF.at.

Aus und rund um die Halle E berichten Maya McKechneay, Florian Bock, Simon Hadler, Gerald Heidegger und Johannes Luxner, ORF.at

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