Signa Performance "Wir Hunde"

Festwochen/ Erich Goldmann

Schwitzen bei Familie Hund

Statt von Theaterbesuchern sprechen SIGNA lieber von Gästen: Menschen, die eingeladen sind, mit den Performern an 22 Abenden zu schwitzen, den Muff alter Möbel zu inhalieren und Szenarien der hündischen Unterwerfung durchzuspielen. Ein SIGNA-Abend ist körperliche Erfahrung pur und vielleicht die radikalste Theaterbegegnung auf den Festwochen 2016. ORF.at traf Signa und Arthur Köstler zum Gespräch.

Die Köstlers schlagen für das Interview das Cafe Volkstheater vor, ein abgesessenes Beisl in der unteren Neustiftgasse. Resopal-Tischplatten und vergilbte Aschenbecher geben einen Vorgeschmack auf das Szenario im Haus Faßziehergasse 5A, das nur einen Steinwurf entfernt liegt: den Schauplatz der Festwochen-Performance „Wir Hunde“.

Das Set der Inszenierung ist noch geschlossen, doch Signa und Arthur Köstler schildern im Interview, welche Mühen sie auf sich genommen haben, um in dem Wiener Gründerzeithaus ein hermetisches Sektenszenario entstehen zu lassen. Gemeinsam mit 50 internationalen Darstellern werden die beiden einen Monat lang auf mehreren Stockwerken performen. Und nicht nur das: Seit Februar schlafen, essen, arbeiten sie hier bereits zwischen Perserteppichen, Pressholzmöbeln und Porzellanhunden. Ein intensives Erlebnis, das sich auf die Besucher übertragen soll, wenn die das Gebäude ab 14. Mai betreten.

Signa und Arthur Köstler

Festwochen/ Erich Goldmann

SIGNA gelten als eine der radikalsten Theatergruppen Europas: Gegründet 2001 vom österreichisch-dänischen Ehepaar Signa und Arthur Köstler, performen SIGNA mit „Wir Hunde“ erstmals in Wien.

ORF.at: Ihr Text im Festwochen-Katalog bleibt eher geheimnisvoll. Was erwartet einen denn jetzt wirklich hinter den Türen der Faßziehergasse 5A?

Signa Köstler: Das lässt sich vorweg schwer beschreiben. Unsere Shows leben davon, dass man selbst durchgeht, Gespräche führt, für sich Entscheidungen trifft. Aber ich kann es ja zumindest versuchen: Man kommt zu Besuch in die Gemeinschaft „Canis Humanus“ am Tag der offenen Tür. Diese Gemeinschaft hat sich lang abgeschottet, weil sie aufgrund ihrer besonderen Lebensweise angefeindet wird. Dort leben Personen, die sich als Hund, geboren in einem Menschenkörper, fühlen, und andere, die diese wie Hunde halten. Sie nennen sie „Hundsche“, eine Kombination aus Hund und Mensch.

Arthur Köstler: Kurz vor dem 40-jährigen Jubiläum liegt der Gründer von „Canis Humanus“ im Sterben. Die finanziellen Mittel gehen zur Neige. Alles geht bergab ...

Signa Köstler: So, das reicht jetzt aber, das ist mehr, als wir in jedem anderen Interview erzählt haben! Ich will ja gar nicht, dass man vorher so viel weiß. (lacht)

ORF.at: Aber vielleicht können Sie mir noch die Räume beschreiben, die Sie bespielen?

Signa Köstler: Das sind sieben Wohnungen. Und ein Zwinger.

Arthur Köstler: Wir nennen es Zwinger, eigentlich ist es ein Teil des Kellers.

ORF.at: Klingt nach einer sehr österreichischen Geschichte, die da inszeniert wird.

Signa Köstler: Sie meinen, wegen des Kellers? Ach, leider gibt es Fritzl-ähnliche Kellergeschichten auch in Dänemark. Und ich fürchte, es gibt sie überall.

Performance Wir Hunde

Festwochen

Ausstattung aus der Hölle: „Teppiche! Überall Teppiche ...“

ORF.at: Wie stark gehen denn Ihre Performances vom vorgefundenen Raum aus?

Signa Köstler: Bevor ich einen Ort nicht gesehen habe, möchte ich eigentlich gar nichts schreiben: Deswegen sind meine Programmtexte, die mit großem Vorlauf entstehen, eher offen. Die Inspiration kommt erst mit dem Ort. Ich mag es, wenn ein Gebäude Patina hat.

ORF.at: Und welche Stimmung haben Sie zu dieser Adresse assoziiert?

Signa Köstler: Ich habe versteckte, eingeengte Existenzen gesehen, eine muffige Atmosphäre. Ich bin eine fanatische Ausstatterin. In diesem Haus gibt es viele kleine Räume, die zu Beginn vollgeräumt waren mit Möbeln, Archivmaterial, Fundus. Ein Teil wurde vom Volkstheater als Probebühne genutzt. Entrümpeln war die erste große Aufgabe und die zweite, alles wieder vollzurümpeln (lacht).

Arthur Köstler: Teppiche!

Signa Köstler: Ja, wir haben überall Teppiche ausgelegt. Sehr viel Textil. Überall Vorhänge. Vorhänge sind die Hölle.

Arthur Köstler: Auf die Möbel haben wir ein ganzes Team hier in Wien angesetzt. Die mussten einen gewissen Grad der Abgewohntheit aufweisen. Unsere Leute haben in jedem einzelnen Wiener Hotel gefragt, ob sie alte Möbel haben, die sie nicht mehr brauchen.

Faßziehergasse 5A

Maya McKechneay

Faßziehergasse 5A in Wien Neubau: Hinter dieser Tür begegnet man ab 14. Mai den Herrchen, Frauchen und ihren menschlichen Hunden

ORF.at: Sie richten die Räume ein und die Performer reagieren darauf?

Arthur Köstler: Auch, ja – je besser die Räume vorbereitet sind, desto besser gelingt das.

Signa Köstler: Aber ich schreibe vorher schon eine Rahmengeschichte und skizziere für jeden Darsteller eine Biografie.

ORF.at: Einige Performer, darunter Sie selbst, schlafen auch in den Räumen ...

Artur Köstler: Viele Nicht-Wiener Darsteller leben in der Faßziehergasse. Allerdings nicht im Set selbst. Das hatten wir mal bei einer anderen Adresse. Da wurden ständig private Sachen im Set vergessen. Stressig. Hier gibt es einen Schlafsaal für die Herren und einen größeren für die Damen ...

Signa Köstler: ... da schlafen siebzehn Frauen und ein Hund. Die Männer sind zu acht. Viele unserer Darsteller finden gerade dieses kollektive Wohnen sehr schön. Mir geht es auch so.

SIGNAs von Pier Paolo Pasolini inspirierte Performance "Salo", 2010

ORF.at: Wie finden Darsteller, die Wochen und Monate im gleichen Haus spielen und leben, eigentlich aus ihrer – oft nicht gerade angenehmen – Rolle wieder heraus?

Signa Köstler: Ich glaube, da hilft das Kollektiv. Man geht am Ende des Tages gemeinsam weg und spricht über die Proben, macht eine Auswertung. Natürlich kann man Wut und Traurigkeit aus der Performance mitbringen, aber damit können wir umgehen.

ORF.at: Menschen in Hundehalsbändern, das assoziiert man auch mit Sado-Maso. Spielt dieser sexuelle Kontext für Sie eine Rolle?

Signa Köstler: Das Sexuelle schwingt natürlich mit. Aber wo nicht?

Arthur Köstler: In erster Linie geht es um die Liebe zu seinem „Hundsch“.

ORF.at: Wobei die ja das Sexuelle nicht ausschließt. Kennen Sie „Tierische Liebe“ von Ulrich Seidl?

Signa Köstler: Klar. Mein Lieblingsregisseur!

Performance Wir Hunde

Festwochen

„Das Sexuelle schwingt natürlich mit.“ - Ein bisschen Ulrich Seidl auch.

Hinweis

„Wir Hunde“ findet zwischen 14. Mai und 18. Juni an 22 Abenden, jeweils um 19.00 Uhr in der Faßziehergasse 5A statt. Am 19. Juni, 20.00 Uhr, gibt es ein Publikumsgespräch in der Roten Bar des Volkstheaters.

ORF.at: Um allgemeiner zu fragen: Sie thematisieren in Ihren Arbeiten – wie in der Hamburger Performance „Söhne & Söhne“ – immer wieder Hierarchien. In Hundesprache hieße es vielleicht eher: Unterwerfung und Gehorsam?

Signa Köstler: Uns geht es um zwischenmenschliche Beziehungen, und da spielt Macht natürlich eine Rolle. In Zweierbeziehungen genauso wie in größeren Gruppen. Bei Rudeltieren wie Hunden wird das halt schneller sichtbar.

ORF.at: Im menschlichen Alltag neigt man dagegen eher dazu, Hierarchien zu verschleiern. Man tut so, als ob es sie nicht gäbe.

Signa Köstler: Dabei existiert überall eine Hierarchie, selbst in der freiesten Hippiesekte. Wir Menschen funktionieren so, weil wir auch Rudeltiere sind.

Arthur Köstler: Bei Hunden ist es so: Wenn sie in der Hierarchie nicht klar definiert sind, geht es ihnen schlecht.

Signa Köstler: Das ist bei Menschen vielleicht nicht anders. Für mein Gefühl ist menschliches Zusammenleben im Grunde unmöglich. Irgendjemand zahlt immer drauf. Sich unterwerfen zu müssen, eine Last zu tragen, das gehört zum Zusammenleben einfach dazu.

Das Gespräch führte Maya McKechneay, ORF.at

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Interview mit SIGNA in oe1.ORF.at

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