Hotel Metropole

Wien Museum

Begegnung mit dem Hotel Metropole

Bei „Into the City“ im Rahmen der Wiener Festwochen steht heuer das einstige Hotel Metropole am Morzinplatz im Fokus. Dort, wo sich vor 1938 Gäste wie Mark Twain einquartiert hatten, befand sich nach der Arisierung die Gestapo-Leitstelle, in deren Keller-Räumlichkeiten verhört, gefoltert und gemordet wurde. Österreichische wie internationale Künstler spüren dem Verdrängten und Vergessenem nach.

Einst stand am Morzinplatz das Hotel Metropole, das 1873 für die Weltausstellung errichtet worden war und zu den besten Häuser der Stadt zählte. Im sogenannten „jüdischen Sacher“ hat Mark Twain mehrere Monate lang gewohnt und soll sich über das 45 Meter weit entfernte Badezimmer beschwert haben. Zur Überwindung dieser schier unschaffbaren Wegstrecke hätte sich der Autor ein Fahrrad gewünscht – dies stand im Hotel leider nicht zur Verfügung.

Weit weniger amüsant liest sich die Beschreibung des Hotels in Stefan Zweigs „Schachnovelle“. In seinem letzten Werk ist der prominente Häftling Dr. B. im Gestapo-Hauptquartier Isolation, Verhören und Quälereien ausgesetzt. „Ein eigenes Zimmer in einem Hotel – nicht wahr, das klingt an sich äußerst human? Aber Sie dürfen mir glauben, dass man uns keineswegs eine humanere, sondern nur eine raffiniertere Methode zudachte.“

Schauplatz des Schreckens

Am 1. April 1938 nahm die Gestapo-Leitstelle Wien den Dienstbetrieb im Hotel Metropole auf und noch am selben Tag erfolgte der erste Transport österreichischer Häftlinge in das Konzentrationslager Dachau. Das Metropole, das aufgrund der zentralen Lage, der Nähe zur Rossauer Kaserne sowie seiner vielen Zimmer ausgesucht worden war, befand sich bis dahin im Besitz der jüdischen Familien Friediger und Klein.

Veranstaltungshinweis

"Hotel Metropole. Der Erinnerung eine Zukunft geben“ startet am 28. Mai 2015 um 18 Uhr. Um 19 Uhr findet ein Konzert mit AutorYno (Frankreich) und Jazzwerkstatt Wien (Österreich) in der Into the City Centrale am Morzinplatz 1 bei freiem Eintritt statt.

Künstler, Zeitzeugen, Anwohner und Experten

Der Morzinplatz, das Hotel und andere verschwundene Gebäudekomplexe am Schwedenplatz sind – neben weiteren Spielstätten – Austragungsort der Veranstaltungsreihe Into the City. Beim Projekt „Hotel Metropole. Der Erinnerung eine Zukunft geben“ beschäftigen sich österreichische wie internationale Künstler in ihren Beiträgen mit Erinnerungskultur und Geschichtspolitik.

Niemals Vergessen Into the City

Festwochen/Csaba Nemes

„Hotel Metropole“-Ausstellung ab 29. Mai: Csaba Nemes, „Niemals Vergessen“

Das in vier Themenschwerpunkte gegliederte Programm involviert neben künstlerischen Arbeiten und Aktionen, Zeitzeugen, Anwohner und Experten. Ein temporärer Ausstellungsraum am Morzinplatz dient als zentraler Diskursraum, während in seiner unmittelbaren Umgebung unterschiedliche künstlerischen Arbeiten zu sehen sein werden.

Eine etwas verwahrloste Gstätten

„Ich würde mir wünschen, dass an einem historisch kontaminierten Ort wie diesem, die Dokumentation der vielen Geschichten, die dort zusammenlaufen, möglich wird. Dieser Wunsch deckt sich auch mit jenem von Marianne Schulze, Urenkelin der einstigen Mitbesitzer“, erzählt Kurator Wolfgang Schlag. Denn weder am geschichtsträchtigen Platz noch am Leopold-Figl-Hof selbst, der anstelle des 1945 zerstörten Hotels errichtet wurde, erinnere man sich der enteigneten jüdischen Besitzer.

„20 Jahre lang war der Platz eine offene Wunde und noch heute ist er eher eine etwas verwahrloste Gstätten“, so Schlag. Dies wird sich während der Wiener Festwochen ändern. Dafür sorgt das vielfältige Programm, das von Ausstellung, Kunst im öffentlichen Raum, Performance, Musik, Film, Vortrag bis zu Lesung, Diskussion, Workshop und Führungen bis hin zu einer kulinarisch-kommunikativen Gedenktafel reicht.

Machen Sie mit!

Gesucht werden Informationen und Materialien zum Hotel Metropole. Sollten Sie Fotos, Zeitungsberichte, Objekte oder Geschichten zum Hotel Metropole und zur Gestapo-Leitstelle Wien haben, melden Sie sich unter: metropole@festwochen.at

Typische Verzögerungstaktik umgangen

1945 wird das Metropole zerstört, aber erst 1963 beginnt man die Lücke des zerstörten Hotels durch den Baubeginn des Leopold-Figl-Hofs langsam zu schließen. Der 1951 „ohne Bewilligung der Obrigkeit“ gelegte Gedenkstein des KZ-Verbands für die Opfer des Nationalsozialismus am Morzinplatz, den man nach einer Wartezeit von zwei Jahren, in der nichts geschah, quasi illegal am ehemaligen Hotelgelände platzierte, wurde dabei verlegt. 1985 wurde der Stein durch das bis heute bestehende Denkmal von Leopold Grausam ersetzt.

Auseinandersetzung an geschichtsträchtigen Orten

In der Posterserie „What does memory mean to you?“ von Petra Gerschner und Michael Backmund, findet sich eine Aufnahme des Treppenhauses im Leopold-Figl-Hof. Darauf zu sehen sind die Spuren, die Stuhllehne und Hinterkopf eines Polizeibeamten an der Wand vor dem Büro von Simon Wiesenthal hinterlassen haben. Der Beamte war zum Schutz des Wiesenthalschen Büros abgestellt.

Das abwesende Gedächtnis Into the City

Festwochen/Ernst Logar

Ausschnitt der Video-Installation „Das abwesende Gedächtnis“ von Ernst Logar.

Der „Gedenkraum für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes“, Salztorgasse 6, war lange Zeit nur nach Voranmeldung zu besichtigen. Er befindet sich beim ehemaligen Lieferanteneingang des Hotels, dort, wo die Häftlinge zu den Verhören in die Keller geführt wurden. Hier versucht der Künstler Ernst Logar mit seiner Video-Installation „Das abwesende Gedächtnis“, die räumliche und organisatorische Struktur der Gestapo-Leitstelle Wien nachzuzeichnen und verknüpft sie mit Erinnerungen von Gestapo-Opfern.

Kommunikatives Tafeln unter freiem Himmel

Eine Gedenktafel anderer Art realisiert Künstler Martin Krenn gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Gastgewerbefachschule Judenplatz Wien. Am festlich gedeckten Tisch im öffentlichen Raum servieren die Schüler den teilnehmenden Zeitzeugen, Nachfahren der Besitzerfamilien, Historiker, Künstler sowie Interessierten Originalgerichte aus der Blütezeit des Hotels und erzählen gleichzeitig über ihre historische Recherche und Antifaschismus heute.

Veranstaltungshinweis

Die Gedenktafel findet am 18., 19. und 20. Mai 2015 von 12.45 bis 15 Uhr am Morzinplatz 1 statt. Anmeldung unter: metropole@festwochen.at

Nur etwa ein Drittel der Täter gefasst

Mit über 900 Mitarbeitern war die Gestapo-Leitstelle Wien größer als jene in Berlin. 1947 veranlasste das Wiener Landesgericht für Strafsachen eine Ausstellung von rund 1.000 Fotos ehemaliger Gestapo-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Mithilfe der Bevölkerung gelang es, Anklage gegen rund 300 Personen vor dem Volksgericht zu erheben. Arye Wachsmuth und Sophie Lillie beschäftigen sich in „exhibitofcrime. Die Mörder sind unter uns“ mit der sogenannten Täter-Datei, die zum ersten Mal seit damals wieder gezeigt wird.

Am 6. Juni 2015 veranstaltet Into the City gemeinsam mit dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und _erinnern.at_ den ersten „Tag der regionalen Geschichts-Experten“. Dabei werden Privatinitiativen von Menschen gewürdigt, die in ihren Heimatgemeinden wertvolle Beiträge zur Aufarbeitung regionaler Geschichte in Zusammenhang mit den Themen Widerstand, Vertreibung und Gewalt an jüdischen Mitbewohnern leisten.

Postkartenserie Isa Rosenberger Into the City

Festwochen/Walter Henisch und Reinhard Mayr

Gründerin Stella Cadmon mit ihrem Theater der Courage, heute Theater Komödie am Kai, am Franz-Josefs-Kai 29in der Postkartenserie von Isa Rosenberger.

Was bleiben soll

„Wir versuchen mit dem Projekt eine Art Nachhaltigkeit zu schaffen. Es gibt viele Geschichten, die nicht oder falsch erzählt werden. Das wollen wir ändern“, berichtet Kurator Wolfgang Schlag. Ob sich der bis dato wenig in seiner historischen Bedeutung beachtete Morzinplatz nach Ende von Into the City etwas vom Festival-Glanz bewahren kann, bleibt zu hoffen – und liegt in anderer Hand.

Carola Leitner, ORF.at

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