Szene aus "Il trovatore" bei den Salzburger Festspielen

Salzburger Festspiele / Marco Borrelli / Lelli

Mit Anna Netrebko nachts im Museum

1998 hat Anna Netrebko ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen gefeiert, seit damals ist die Sängerin dem Festival genauso treu geblieben wie ihr das Publikum im Gegenzug. Auch heuer war die Wiederaufnahme der Vorjahresinszenierung von „Il trovatore“ nicht zuletzt ihretwegen innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Die Premiere am Samstag wurde zu einem programmierten Triumph - nicht nur für Netrebko.

Regisseur Alvis Hermanis verpflanzte Giuseppe Verdis Racheoper ins Kunstmuseum und zog dabei jeglicher Zigeunerromanze mit Ironie den Zahn. Der Anfangschor der Famigliari sind hier die Museumsbesucher der Gegenwart, und ihnen wird eine weit in der Vergangenheit liegende Geschichte präsentiert - mit dem Zeigestock deutet Ferrando auf ein Arsenal von Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts, das im Lauf des Abends in einer Dauerdynamik über die Bühne geschoben wird und dadurch ständig neue Blickwinkel öffnet, Räume freigibt und wieder verschließt.

Szene aus "Il trovatore" bei den Salzburger Festspielen

Salzburger Festspiele / Marco Borrelli / Lelli

Große Oper im Kunstmuseum

Geschickt spannt Hermanis als Regisseur mit diesem Zugang einen mehrfachen Bogen: Er erzeugt Spannung, trennt damit die erzählerischen von den dramatischen Teilen der Oper und verweist nicht zuletzt auch darauf, dass der Plot, um den es hier gehen wird, in einer fernen Zeit angesiedelt ist.

Einstieg in die Vergangenheit

Die handelnden Personen sind zunächst Museumsangestellte, die dann im Verlauf des Abends selbst in die historischen Rollen hineinschlüpfen werden. Das schafft Raum für geschickte Psychologisierung und ermöglicht die nötige Distanzierung rund um die Zauberkünste und Hexereien der „Zigeunerin“ Azucena - wenngleich man Verdi und seinen Librettisten zugutehalten darf, dass sie selbst ja das Vorurteil von der hexenden Zigeunerin mit dem Verlauf der Handlung bloßstellen.

Die von Hermanis gewählten Bilder zeigen neben dem Spiel mit einer fernen Geschichte bzw. eingefahrenen Stereotypen (denn auch so darf man Ikonografie lesen), dass den Regisseur ein Moment besonders interessiert: die Rolle der Mutter.

Die Macht der Mutterfigur

Die Rache an der Mutter motiviert ja die Rolle von Azucena auf einer ethischen Ebene bis zum Schluss. Hermanis macht Azucena in seiner Inszenierung stark, weswegen Leonora zunächst nur glänzen kann, wenn Azucena nicht auf der Bühne ist. Netrebko wird erst spät an diesem Abend ihre ganze Kraft wirken lassen, vor allem, wenn sie die Rolle der Museumsangestellten hinter sich gelassen hat und ganz in die historische Figur geschlüpft ist. Netrebko ist zu Beginn eine dunkle, abgründige Leonora, die ab dem dritten Teil auch in der Höhe ihren ganzen Glanz zu entfalten vermag.

Szene aus "Il trovatore" bei den Salzburger Festspielen

Salzburger Festspiele / Marco Borrelli / Lelli

Als Museumsaufsicht erträumt sich Anna Netrebko den „Trovatore“

Domingo macht Platz für einen jüngeren Grafen

Nicht mehr an Bord der Originalbesetzung ist heuer Placido Domingo. Vergangene Woche feierte er mit einem Galakonzert in Salzburg sein 40. Bühnenjubiläum, die Partie des Conte di Luna hat er mittlerweile aber aus seinem Repertoire gestrichen. In der Rolle ist deshalb nun mit Artur Rucinski (der letztes Jahr auch bei einigen Vorstellungen für den erkrankten Domingo einsprang) ein weit jüngerer Graf zu sehen, der auf ganzer Linie überzeugen konnte.

Ebenfalls neu auf der Besetzungsliste ist die nicht minder begeisternde Ekaterina Semenchuk als starke Azucena mit sicherer Stimme und viel Dramatik. Francesco Meli ist als Manrico ganz der Verdi’sche Heldentenor: aufrecht, aber mitunter dann doch auch ein wenig possierlich und glatt.

Traumhaftes Zusammenspiel

Am Pult der Wiener Philharmoniker, die sich einmal mehr in Bestform präsentierten, steht - erstmals bei den Salzburger Festspielen - der italienische Dirigent Gianandrea Noseda, ein langjähriger Wegbegleiter Netrebkos und ausgewiesener Verdi-Experte. Während Daniele Gatti im Vorjahr mit Tempobremse und wuchtiger Dynamik einen manchmal sehr überraschend neuen Verdi zum Vorschein setzte Noseda auf eine klassischere musikalische Interpretation, auf eine um nichts weniger treffende und präzise.

Hinweis

„Il trovatore“ ist bei den Salzburger Festspielen noch am 11., 14. und 17. August im Großen Festspielhaus zu sehen.

Im Zuammenspiel von Sängern, Orchester und dem bestens disponierten und facettenreichen Staatsopernchor geht das auf. Es ist ein Gesamtkunstwerk bis ins kleinste Detail, das das Publikum gut zehn Minuten lang frenetisch feierte. Keine Frage: Die Wiederaufnahme von „Il Trovatore“ ist ein Geschenk, das mit großer Freude angenommen wurde.

Sophia Felbermair/Gerald Heidegger, ORF.at

Link: