Der Festivalsommer in Aix und Avignon
Zwischenzeitlich hatte sogar eine komplette Annullierung des Avignon-Festivals gedroht, dann stimmten aber 80 Prozent der Festival-Mitarbeiter dafür, das Festival stattfinden zu lassen.
„Alle Elemente, die die Magie der Oper ausmachen“ im Zentrum des Festivals von Aix-en-Provence, das von 2. bis 24. Juli zum 66. Mal in Frankreichs Süden lockt. Das wie immer hochkarätige und nicht minder vielfältige Programm spannt sich dabei heuer von Klassikern wie Mozarts „Zauberflöte“ über Raritäten wie Händels „Ariodante“ bis hin zu multimedialen Erlebnissen wie der grandiosen Festwochen-Produktion „Winterreise“.

Koichi MIURA
Claude Regys „Interieur“ ist nach dem Festwochen-Gastspiel auch in Avignon zu sehen
Eröffnet wurde der offizielle Opernreigen schon am 2. Juli in Aix mit dem Freiburger Barockorchester unter der musikalischen Leitung des spanischen Dirigenten Pablo Heras-Casado mit Mozarts „Zauberflöte“, die der Brite Simon McBurney in Szene gesetzt hat. Neben dem Klassiker greift man tief ins Archiv der Operngeschichte, wenn Händels Dreiakter „Ariodante“ unter der Leitung von Andrea Marcon in der Regie von Richard Jones erklingt.
Kentridges „Winterreise“ auch in Aix
Der radikale Opernerneuerer Christopher Alden zeichnet für die Inszenierung von Rossinis zweiaktiger Opera buffa „Il turco in Italia“ verantwortlich, am Pult steht seit 4. Juli der auch in Wien oftmals tätige Marc Minkowski. Ein Wiedersehen mit dem Wiener-Festwochen-Highlight „Winterreise“ ist einer der Höhepunkte in Aix: Sechsmal ist William Kentrigdes bildgewaltige Schubert-Interpretation mit Bariton Matthias Goerne und Markus Hinterhäuser am Klavier zu erleben.
Katie Mitchell, die zuletzt in Wien Peter Handkes „Wunschloses Unglück“ am Burgtheater-Kasino inszenierte und auch bei den Salzburger Festspielen mit der Uraufführung „The Forbidden Zone“ zu Gast ist, seziert in Aix die Bach-Kantaten: „Trauernacht“ ist eine Co-Produktion mit den Wiener Festwochen, wird also auch in Wien zu sehen sein.
Neben den großen Opern gibt es auch eine Reihe an Konzerten: So steht etwa Paavo Järvi am Pult, wenn das Orchestre de Paris in einer Hommage an den im Vorjahr verstorbenen Regisseur Patrice Chereau Werke von Wagner, Strauss, Tschaikowsky und Fabio Vacchi zu Gehör bringt. Während an zahlreichen Abenden Bach im Vordergrund steht, bringt etwa ein Abend mit Kompositionen von Francesca Verunelli und Sebastian Rivas Zeitgenössisches zu Gehör.
Kleist bei den Festspielen in Avignon
Zwei Jahre älter als das Festival von Aix ist jenes in Avignon, das von 4. bis 27. Juli zum 68. Mal, erstmals unter der Leitung des Regisseurs Olivier Py, stattfindet. Wegen des Streiks der Bühnentechniker und Künstler wurde die Eröffnungspremiere heuer abgesagt, das Festival startete mit einem Tag Verspätung. Festivalleiter Olivier Py sagte, die Anliegen der „intermittents“ genannten Kulturarbeiter zu unterstützen und ihr Streikrecht zu respektieren, das Festival, bei dem neben dem offiziellen Programm auch über 1.300 Vorstellungen im Off-Bereich angeboten werden, aber keinesfalls wie 2003 absagen zu wollen.
Auf dem Programm stehen mehr als 20 Premieren, darunter Kleists letztes Drama „Prinz Friedrich von Homburg“ in einer Neuinszenierung des Italieners Giorgio Barberio Corsetti, der ab 16. Juli auch Kleists „Familie Schroffenstein“ zeigt. William Shakespeare Historiendrama „Heinrich VI.“ könnte in einer 18-stündigen Version des Franzosen Thomas Jolly zu einem der Höhepunkte des Festivals werden. Antu Romero Nunes, der in der kommenden Saison am Burgtheater Leo Tolstois „Die Macht der Finsternis“ inszenieren wird, zeigt in Avignon seine radikale Hamburger Mozart-Version „Don Giovanni. Letzte Party“.
Zwei Festwochen-Produktionen in Avignon
Auch zwei Produktionen der Wiener Festwochen sind in Avignon zu sehen: Alain Platels „Coup Fatal“, in dem eine afrikanische Musikcombo Arien von Georg Friedrich Händel und Christoph Willibald Gluck interpretiert, und Claude Regys Maurice-Maeterlinck-Bearbeitung „Interieur“, die in Wien mit radikaler Stille und surrealer Langsamkeit begeisterte.

Chris van der Burght
„Coup Fatal“ von Alain Platel gastiert in Avignon
Thomas Ostermeier ist schließlich mit einer Adaption von Fassbinders „Die Ehe der Maria Braun“ zu Gast, Festivalleiter Py ist selbst gar mit drei Stücken im Programm vertreten, darunter ab 10. Juli mit seiner griechischen Inszenierung von Yannis Mavritsakis „Vitrioli“.