Guter Cop, verzweifelter Cop
Wenige Teile der Polizei versinnbildlichen das Wort „Staatsgewalt“ so sehr wie die WEGA, vormals Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung. Die Elitebeamten werden hinzugerufen, wenn Gefahr in Verzug ist. Wenn sich jemand in seiner Wohnung verschanzt, möglicherweise bewaffnet, dann ist es die WEGA, die sich mit der Ramme Zutritt verschafft. Oft ohne zu wissen, was sie hinter der Türe erwartet.
Entsprechend ausgebildet und ausgerüstet sind die Beamten - und entsprechend aggressiv ist ihr Auftreten. Christoph „Burschi“ Horn (Laurence Rupp) will Teil der Truppe werden, „um die Leute vor den Wahnsinnigen zu schützen, die herumlaufen“, wie er seinem Vorgesetzten Konstantin Blago (Anton Noori) auf der Fahrt zu seinem ersten Außeneinsatz sagt.
Fiasko an der Wohnungstür
Ein Mann randaliert in seiner Wohnung. Die von den Nachbarn verständigte Funkstreifenbesatzung (unter anderen Maria Hofstätter als Polizistin Marianne Kelch) holt die WEGA zur Absicherung. Als sich der laut Funkstreife psychisch kranke Mann in der Wohnung einschließt, eskaliert die Situation.
Erst stellt sich „Burschi“ - wie bereits zuvor bei einem Trainingseinsatz - nicht besonders geschickt an, dann wird Einsatzleiter Blago vom psychisch Kranken mit einem Messer attackiert und verletzt. Horn schießt mehrmals auf den Mann und verletzt ihn schwer.
Xiaosu Han, Andreas Thalhammer
Während die Streifenpolizisten fassungslos sind ob der Gewalt, wird „Burschi“ von seinen Kollegen als Held gefeiert. Abteilungsinspektor Blago gibt den Ton vor: „Du bist mein Hero“, sagt er, „ohne dich hätte eine Tochter keinen Vater mehr.“ Doch das Hochgefühl verfliegt rasch. Horn wird von den Geschehnissen verfolgt, will nicht zugeben, traumatisiert zu sein, und leidet unter Panikattacken. So setzt er eine Spirale in Gang, die die ganze Einheit hinabzuziehen droht.
Authentizität, die überzeugt
Mit „Cops“ ist Lukacs, der auch das Drehbuch schrieb, ein Film gelungen, der durch seine Authentizität überzeugt. Obwohl die Geschehnisse zunehmend eskalieren (und in ein nervenaufreibendes Finale münden), bleiben seine Charaktere stets glaubwürdig.
Einsatzleiter Blago etwa weiß sehr wohl, dass Gewalt nicht die einzige Lösung ist. Tagtäglich stellt ihn seine pubertierende 15-jährige Tochter mit ihrer Sturheit auf die Probe. Im Umgang mit ihr ist seine Körperkraft nutzlos. Bei der WEGA ist Blago dagegen gezwungen, seinen Schützlingen Aggressivität und Kraft als Mittel zur Problemlösung zu präsentieren und ihnen über Männlichkeitsrituale auch Korpsgeist einzuimpfen.
Xiaosu Han, Andreas Thalhammer
Hier erinnert Lukacs‘ über das ORF-Film/Fernseh-Abkommen mitfinanzierter Film an die preisgekrönte US-Polizeiserie „The Wire“ des früheren Journalisten David Simon. Wie auch Simon macht Lukacs die Motive seiner Charaktere nachvollziehbar, was noch den Bösesten irgendwie sympathisch macht. Und alle halten sie ein System aufrecht, unter dem sie selbst leiden und aus dem sie doch nicht ausbrechen können.
Ein Porträt der Wiener Polizei
Brillant die Ensembleleistung: Rupp gibt den naiven Neuling, der auf schmerzhafte Art erfahren muss, dass in der Polizeiarbeit jeder Einsatz einzigartig ist. Anna Suk, die „Burschis“ Freundin Nicky Winter spielt, wurde für ihre Darstellung einer angehenden Polizeibeamtin heuer mit dem renommierten Max-Ophüls-Nachwuchspreis ausgezeichnet. Noori vermag es als Abteilungsinspektor Blago, einer vermeintlich einfältigen Figur Tiefe zu geben.
Neben Hofstätter überzeugt auch Roland Düringer als „Burschis“ Vater Heinz Horn, der als Fanbegleiter bei Fußballspielen ebenfalls bei der Polizei ist. Düringer liefert dabei die Blaupause für den Wiener „Kieberer“ der alten Schule, der sich bei der Konfliktbereinigung auf seinen Schmäh verlässt.
Filmhinweis
„Cops“ wird bei der Diagonale noch am 18. März um 11.30 Uhr im Saal 6 des UCI Annenhof gezeigt.
Der Film startet im September österreichweit in den Kinos.
Nebenbei gelingt es Lukacs, ein wirklichkeitsnahes und differenziertes Bild der Wiener Polizei zu zeichnen. Die eine oder andere Figur dürfte den Zuseherinnen und Zuseher tatsächlich schon einmal im echten Leben begegnet sein. Die inneren Konflikte - etwa den Zwiespalt zwischen Korpsgeist und Offenheit - zeigt der Regisseur ebenso wie den Umstand, dass sich die Polizei auch in der durch Migration geprägten Großstadt Wien großteils aus Mitgliedern ohne Migrationshintergrund zusammensetzt.
„Vorgeschichte“ für einen Kurzfilm
Im Übrigen ist es nicht das erste Mal, dass sich Lukacs mit der Polizei und konkreter mit der WEGA beschäftigt. In seinem 2012 erschienenen Kurzfilm „Void“ verarbeitete der Regisseur die Misshandlung des Asylwerbers Bakary J. durch Beamte der WEGA. Rupp und Noori waren als Schauspieler damals schon dabei. „Cops“ könne in gewisser Weise als „Vorgeschichte“ von „Void“ gesehen werden, sagte Lukacs in einem Interview.
Ohne den Kurzfilm hätte es den dreifach beim Max-Ophüls-Filmpreis prämierten Film „Cops“ wohl nie gegeben. Lukacs: „Als ‚Void‘ rauskam, entstand ein sehr intensiver Kontakt zur Polizei, die aktiv auf mich zukam. Ich lernte in dieser Zeit die verschiedensten Aspekte dieser Welt kennen und begann, die Polizei viel differenzierter zu sehen.“
Philip Pfleger, ORF.at