Gwendolyn beim Gewichtheben Filmstill

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Eine ungewöhnliche Weltmeisterin

Die in London lebende gebürtige Österreicherin Gwendolyn Leick ist Mitte 60, pensionierte Anthropologin, 52 Kilogramm schwer - und dreifache Weltmeisterin im Gewichtheben. Trotz einer schweren Krebserkrankung will sie den Weltmeistertitel zurückerobern. Die Wiener Regisseurin Ruth Kaaserer erzählt im Chat mit ORF.at, wie sie die ungewöhnliche Protagonistin ihres Dokumentarfilms kennenlernte.

„Als ich das erste Mal zu Gwendolyn Kontakt aufnahm, stand ihr gerade eine große Operation bevor. Das war für sie allerdings kein Hindernis, mich zu Hause zu empfangen und mir einen ‚Stew‘ zu servieren“, erinnert sich Kaaserer an die erste Begegnung mit ihrer toughen Protagonistin in deren Londoner Wohnung.

Gewichte stemmen mit der Kraft des Willens

Kaaserer hatte schon in früheren Arbeiten ungewöhnliche - und ungewöhnlich starke - Frauen porträtiert (etwa in der Boxerinnendoku „Tough Cookies“ oder dem Kurzfilm „Balance“), und als sie für ihr neues Projekt auf der Suche nach einer weiblichen Gewichtheberin war, empfahl ihr eine Freundin Gwendolyn Leick zu treffen. Mit ihren 62 Jahren und 52 Kilo war die dreifache Weltmeisterin im Gewichtheben definitiv eine ungewöhnliche Erscheinung. Eine Frau, die die Gewichte allein mit der Kraft ihres Willens zu stemmen schien.

Filmstill Gwendolyn und ihr Ehemann

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Gemeinsam kochen und diskutieren: Die Protagonistin mit Ehemann Charles

Unterstützt wurde (und wird) die Sportkarriere der pensionierten Anthropologin von drei Männern: Ihrem um zwanzig Jahre jüngeren, von der Elfenbeinküste stammenden Ehemann Charlemagne, ihrem Sohn Joseph und ihrem Trainer Pat - der sie in breitestem Londoner Cockney-Dialekt unterweist.

Wettkampf trotz Krebserkrankung

Als die Regisseurin Leick kennenlernte, überlegte die, ob sie, trotz einer Krebserkrankung, den Weltmeistertitel in ihrer Gewichtsklasse zurückerobern könne - eine mögliche Dramaturgie für den Film schien sich abzuzeichnen.

Porträt Ruth Kaaserer

Ruth Kaaserer

Regisseurin Ruth Kaaserer

„Es war mir wichtig, Gwendolyn offen zu begegnen und uns beiden zu ermöglichen, uns ohne Erwartungen kennenzulernen“, sagt sich Kaaserer, die sich mit ihrer Protagonistin von Beginn an über vieles mehr als nur über das Gewichtheben unterhielt. „An Gwendolyn hat mich besonders berührt, wie gelassen sie sich auf das Leben und auch auf den Tod einlässt. Beides ist ja immer da, nur ignorieren wir das oft im Fluss des Lebens“. Gwendolyn habe sie unter anderem gelehrt, „einfach nur dazusitzen und eine Wolke anzuschauen“.

Weisskirchen - Graz - London

Ein schöner Zufall war, dass Leick - wie die Regisseurin - selbst ursprünglich aus Österreich stammt: „Gwendolyn ist in Kärnten geboren und verbrachte Teile ihrer Kindheit in Weisskirchen bei Judenburg und ihre Gymnasialzeit in Graz, wo sie dann auch studiert hat“, so Kaaserer. „Aber in Ostlondon, wo der Großteil des Films stattfindet, lebt sie jetzt schon fast 25 Jahre.“ Im Film spricht Leick Englisch, doch wenn sie zur Diagonale-Aufführung und dem anschließenden Filmgespräch nach Graz kommt, wird man hören, dass sie sich über all die Jahre ihren steirischen Akzent bewahrt hat.

Filmhinweis

„Gwendolyn“ ist auf der Diagonale noch am 18. März um 11.00 Uhr im Annenhof Saal 5 zu sehen.

Österreichweit startet der Film am 16. März 2018.

„Den Film in Graz zu zeigen ist schön für uns beide“, sagt Kaaserer. „Und für Gwendolyn ist es auch ein gewisses Zurückkehren, allerdings ohne Wehmut. Aus Graz wollte sie immer weg, weil es die Stadt ihrer Eltern war, nicht ihre Stadt. Aber dieser Widerstand war für sie auch fruchtbar. Mitte der 70er Jahre wanderte sie nach England aus. Und heute ist London die Stadt, die sie liebt“.

Maya McKechneay, für ORF.at

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