Tabubruch im Gottesstaat
Ein Leben voll von Korruption, Sex, Drogen und Prostitution - so wird in „Teheran Tabu“ der Alltag im heutigen Teheran gezeichnet. Der Konflikt mit streng religiösen Gesetzen ist programmiert. Auch für die vier jungen Menschen, um deren Schicksal sich das realistische Drama dreht, ist der Kampf gegen Repression und für ein freieres Leben längst zur täglichen Routine geworden.
Traum vom schöneren Leben
Pari, Babak, Sara und Donya leben in der brodelnden Metropole des Gottestaates. Um den Lebensunterhalt für sich und ihren fünfjährigen Sohn Elias zu verdienen, arbeitet Pari als Prostituierte und verkauft ihren Körper an einen einflussreichen Richter, der ihr vermeintlich zu einem besseren Leben verhilft. Von einem schöneren Leben träumt auch ihre Nachbarin Sara, die ein gehorsames Hausfrauendasein unter ihrem Mann und seinen strenggläubigen Eltern fristet, aber viel lieber wieder arbeiten gehen würde.
Coop 99 Filmproduktion
Der jungen Donya steht ein ähnliches Schicksal bevor. In wenigen Tagen wird sie heiraten. Trotzdem lässt sie sich auf eine Nacht mit dem jungen Musiker Babak ein und verlangt hinterher von ihm, für eine Operation zu zahlen, die ihre Jungfräulichkeit wiederherstellt. Nur wo soll der arme Student das Geld hernehmen und wie die staatlichen Kontrollorgane umgehen? Vier Schicksale, die eng miteinander verflochten sind, vier Menschen, die alle auf ihre Weise unter den restriktiven Gesetzen des Gottesstaats zu leiden haben.
Panorama der Doppelmoral
Das Spielfilmdebüt des gebürtigen Iraners Soozandeh, der seit 1995 in Deutschland lebt, ist ein düsteres und bewegendes Werk, das als Animationsfilm im Rotoskopie-Verfahren mit echten Schauspielern realisiert wurde. Dabei liefert der Film einen schonungslosen Einblick in den schizophrenen Alltag des heutigen Iran. Ein ganzes Panorama von Doppelmoral, Frauenfeindlichkeit und Polizeigewalt wird - teilweise en passant - gezeigt. Einmal wird der junge Babak während einer Taxifahrt Zeuge einer öffentlichen Hinrichtung, was für den Taxifahrer ein alltäglicher Anblick zu sein scheint, ebenso wie für die Umstehenden, die das Ganze ungerührt mit ihren Handys filmen.
Coop 99 Filmproduktion
Überhaupt gewähren die Autofahrten während des Films Innenansichten in das Herz einer Stadt, die sich fast ausschließlich von ihrer kalten Seite zeigt. Fast jeder ist hier käuflich oder erpressbar. Die Prostituierte am Straßenstrich genauso wie der Freier, der sich im Auto oral befriedigen lässt und plötzlich ausrastet, als er seine unverheiratete Tochter händchenhaltend auf dem Gehweg sieht. Um die öffentliche Prüderie zu kompensieren, kann das Privatleben schnell ins Verbotene abgleiten - in Bezug auf Sex, Alkohol und Drogen. „Ein Mangel an Freiheit begünstigt ein Leben mit Doppelmoral“, sagt Regisseur Soozandeh.
Filmhinweis
„Teheran Tabu“ ist auf der Diagonale am 16. März um 16.00 Uhr im KIZ Royal zu sehen.
Das Schweigen brechen
Soozandeh ist ein begabter Drehbuchautor, der die Erzählstränge immer enger miteinander verknüft. Als die vier Hauptfiguren auf ihrem Weg zur Selbstverwirklichung aufeinanderprallen, offenbaren sich dabei ihre verborgenen Seiten, und die Qualität der Charakterzeichnung kommt zum Tragen. „Teheran Tabu“ - von der österreichischen Filmproduktionsfirma coop 99 produziert, vom ORF gefördert und vom Wiener Kameramann Martin Gschlacht in Szene gesetzt - zeigt eine Welt, in der Tabus gebrochen werden, um gegen Unterdrückung zu protestieren. Der Film selbst will aber nicht nur Tabus brechen, sondern auch ein Schweigen, das im Iran wohl allgegenwärtig ist.
Sonia Neufeld, ORF.at
Links:
- Diagonale
- Teheran Tabu (Offizielle Seite)
- Trailer (YouTube)