„History of Now“: Her mit dem schönen Leben
Eli und Maya sind ein ungleiches Paar. Er ist ein verhinderter Schriftsteller, der als Krankenpfleger arbeitet, ernsthaft und zukunftsorientiert, sie Souschefin in einem Szenelokal und darauf aus, das Leben im Hier und Jetzt in vollen Zügen zu genießen. In „History of Now“ wird in Rückblenden erzählt, wie sich die beiden kennen- und lieben lernten und wie es dazu kam, dass ihre Beziehung plötzlich vor dem Aus stand.
Zukunftspläne, einseitig
„Sie ist mein ein und alles“, schreibt der 25-jährige Eli in sein Tagebuch, nachdem er sich in die gleichaltrige Maya verliebt hat. Die beiden verbringen ihre Tage und Nächte in Wien zusammen, gehen auf angesagte Partys und Ausstellungen, lieben einander leidenschaftlich und haben zwei Jahre lang „the time of their life“. Eli ist sich sicher, dass Maya die Frau seines Lebens ist und will ihr im bevorstehenden Marokko-Urlaub einen Antrag machen. Er, der mit ihr Kinder kriegen und zusammen alt werden will, rechnet fest damit, dass Maya Ja sagen wird.
Konrad Tho Fiedler
Angekommen in Marrakesch, lernen die beiden ein hippes Pärchen aus Berlin kennen, mit dem sie - großteils bekifft - ab sofort jede freie Minute verbringen. Während Maya ihre kulinarische Leidenschaft ausleben kann und die Zeit mit den neuen Freunden genießt, merkt Eli immer mehr, dass er mit der sorglosen Leichtigkeit seiner Freundin nicht mithalten kann. Der einst so vertraute Mensch droht ihm zu entgleiten, und es stellt sich die Frage, ob man sich überhaupt je wirklich gekannt hat. Ein verhängnisvoller Abend scheint die Antwort auf diese Frage schließlich zu liefern.
Stadtneurotiker vs. Feenwesen
„History of Now“ hatte beim Raindance Film Festival in London im September 2015 seine Weltpremiere, wo der Film als „unglaublich real, ehrlich, berührend und kraftvoll“ gefeiert wurde. Filmemacher Molcho übernahm in seinem Erstlingswerk nicht nur eine der beiden Hauptrollen, sondern auch Regie, Drehbuch und Produktion. Er inszenierte sich selbst als eine Art gutmütigen Stadtneurotiker mit Moral, während seiner Partnerin die Rolle des flatterhaften, unreifen, aber liebenswerten Feenwesens zukommt.
Konrad Tho Fiedler
Die Beziehung funktioniert so lange, bis - ähnlich wie in Maren Adens „Alle anderen“ (2009) - „Störfaktoren“ von außen ihre Finger in die längst vorhandenen Wunden legen. Plötzlich wird schmerzhaft klar, wie unterschiedlich man ist und wie wenig Kontrolle man über den anderen hat, ja, dass Kontrolle in einer Partnerschaft überhaupt nichts verloren hat, weil die Liebe daran schnell ersticken kann.
„Before Sunrise“ lässt grüßen
Weniger die Dialoge als die Szenenbilder, der Wechsel zwischen Handkamera und fixen Einstellungen und nicht zuletzt der Independent-Soundtrack rund um Bon Iver tragen dazu bei, dass Molchos Film urban und zeitgemäß daherkommt. Und die Rahmenhandlung präsentiert sich in bester „Before Sunrise“-Manier, wenn die beiden Hauptfiguren durch das nächtliche Wien schlendern und ihre Beziehung Revue passieren lassen. Ein Happy End wird nicht geboten, aber ein versöhnlicher Ausklang inklusive der Hoffnung, dass manches Schöne im Leben dann doch eine zweite Chance bekommt.
Der Erfolg des Molcho-Clans
Nadiv Molcho ist der Sohn der österreichisch-israelischen Szenegastronomin Haya Molcho und des Körperspracheexperten Samy Molcho. Während seine älteren Brüder im Familienbetrieb arbeiten, wurde der Jüngste Filmemacher und Schauspieler in Wien, London und Los Angeles. Zusammenhalt wird in der umtriebigen Familie groß geschrieben, vielleicht mit ein Grund, warum der ganze Film molchoisiert ist. Mutter Haya spielt Mayas Chefin, Vater Samy ist auch im Film Elis Vater, die Brüder sind in Nebenrollen besetzt, gedreht wurde unter anderem im Neni am Wiener Naschmarkt und im Tel Aviv Beach am Donaukanal, Mutters bekanntesten Szenelokalen.
Filmhinweis
„History of Now“ wird im Rahmen der Diagonale noch am 12. März um 18.00 Uhr im UCI Annenhof Saal 6 gespielt.
„Danke an meine Eltern Haya und Samy Molcho und an meine drei Brüder Nuriel, Elior und Ilan. Das Leben ist schön“, stellt Nadiv Molcho als Widmung seinem Film voran. In „History of Now“ zeigt er, wie man das Thema Liebe modern, ungekünstelt und gleichzeitig gefühlvoll auf die Leinwand bringen kann. Anscheinend hat das Leben so manches Erfolgsrezept in das Familienalbum der Molchos geschrieben.
Sonia Neufeld, ORF.at
Link:
- Nadiv Molcho (Facebook)