Der wütende Buddha

Metafilm GmbH

Was macht Buddha in der Roma-Siedlung?

In Stefan Ludwigs Dokumentation „Der zornige Buddha“ sorgt ein Lehrer in der nordungarischen Gemeinde Sajokaza dafür, dass „alle eine zweite Chance bekommen, die keine erste gehabt haben“. Gemeint sind die jungen Roma des Ortes, die der Lehrer, selbst ein Rom, mit dem Versprechen auf Bildung und eine bessere Zukunft in seine Schule lockt. Eine engagierte Spurensuche zwischen Ungarn und Mumbai.

Janos Orsos ist an sich ein besonnener Mann. Er leitet die Ambedkar-Schule in Sajokaza. Und zwar nach den sozialreformerischen Prinzipien des indischen Rechtsanwalts Bhimrao Ambedkar, der seinen Anhängern – Millionen Menschen aus der Kaste der Unberührbaren – neues Selbstbewusstsein einflößte. Nach dem einfachen Motto: Alle Menschen sind gleich!

Das erzählt Orsos auch seinen jungen Schülern: Mädchen und Jungen aus der abgehängten, rund 1.000-köpfigen Roma-Siedlung des Ortes, die Orsos und sein Kollegium zur Matura führen wollen. Wenn alles gut läuft. Doch die Jungen verstehen oft nicht, was das alles soll mit der Bildung, und manche Familie versteht auch nicht, warum Orsos und all die Lehrer so viel Zeit und Energie in die Schützlinge stecken: Die seien einfach nicht alle gar so helle. Dann verlässt Janos Orsos seine Besonnenheit, und er ärgert sich über seine Roma: 200 Jahre werde es sicher noch dauern, bis sich an ihrer Lage etwas ändere, vielleicht noch länger.

Der wütende Buddha

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Schulgründer Janos Orsos mit einigen seiner Schützlinge

Stefan Ludwig hat die Aktivitäten der Ambedkar-Schule über mehrere Jahre mit der Kamera verfolgt. Der Film (gefördert durch das ORF Film/Fernsehabkommen) betont sie nicht extra, die Bilder verfallender Häuser, verwahrloster Kinder und überfüllter Wohnungen. Er filmt die Menschen, ohne sie bloßzustellen.

Zwischen Illusionen und Selbsthass

Dann pickt er sich ein paar Schüler heraus: Für die 18-jährige Amal ist jede Schule ein Gräuel, und in der Ambedkar-Schule ist es für sie anfangs unmöglich, ruhig auf ihrem Sessel zu sitzen. Oder Ferenc, mt 17 schon zweifacher Vater. Bildung ist Luxus, findet er, und eines Tages kommt er einfach nicht mehr. Oder Monika, sie nimmt die Ausbildung wirklich ernst, doch sie merkt schnell, dass ein Diplom ihr die Welt nicht so öffnet, wie sie sich das vorgestellt hat. Und genau so schnell versinkt sie wieder in Lethargie und Selbsthass.

„Der zornige Buddha“ ist ein engagierter Film, der das Projekt Janos Orsos’ mit viel Empathie illustriert. Gleichzeitig macht er es sich nicht leicht: Die Roma-Familien zeigt er nicht einfach als diskriminierte Minderheit. Auch ein „Weißer“ aus der Siedlung, die eine unsichtbare Mauer teilt, kommt zu Wort: Sie stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist, machen Überfälle. Aber der Mann, ein pensionierter Chemiker, hasst sie deswegen nicht. Denn Hass führe zu nichts Gutem.

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Ferenc hält Bildung für Luxus - und bleibt der Schule fern

Auch Orsos selbst kennt seine Leute, ihre Ziellosigkeit, ihre Selbstaufgabe. Deswegen reist er – und das Filmteam tut es auch – immer wieder nach Indien, denn in Mumbai lebten die Unberührbaren unter den selben Bedingungen wie die Roma in Ungarn. Doch sie glauben an etwas, betont Orsos. Er holt sich dort, gewissermaßen in seinem Herkunftsland, die Energie, die er als Leiter der Ambedkar-Schule in Ungarn verbraucht.

In Indien hören Orsos endlich alle einmal zu

Regisseur Stefan Ludwig hat gut daran getan, Bilder der Verehrung einzufangen, die Ambedkar noch heute in Mumbai massenhaft entgegen zu schlagen scheint. Und es ist herzerwärmend zu sehen, wie Tausende Janos Orsos gebannt zuhören, als er zu den Ambedkar-Anhängern spricht.

Der wütende Buddha

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Rundgang durch die Slums von Mumbai, hier fühlt sich Janos Orsos irgendwie zu Haus

Auch wenn es kaum möglich ist, sich als Zuschauer plötzlich auch noch mit den Zuständen der Dalit, den Unberührbaren, zu befassen und dem Aufruf Ambedkars, als Zeichen des Protests gegen die Unterdrückung zum Buddhismus zu konvertieren. So ist es dramaturgisch dennoch ein starkes Signal, den ungarischen Einzelkämpfer Janos Orsos zu sehen, dem hier in Mumbai endlich mal alle zuhören.

Filmhinweis

„Der zornige Buddha“ läuft bei der Diagonale am 10.3. um 14 Uhr 30 im UCI Annenhof und am 12.3. um 18 Uhr 30 im Schubertkino.

Offizieller Kinostart in Österreich ist der 20.5.

Diagonale

„Der zornige Buddha“ hält gut die Balance zwischen dem Hoffnungs-Projekt Schule für Alle und der Hoffnungslosigkeit, jemals aus der Siedlung herauszukommen. Denn die Siedlung, das bedeutet auch Zusammenhalt, Abgrenzung. Janos Orsos selbst hat, bis er Fünf war, nie einen „Weißen“ zu Gesicht bekommen, erzählt er. Und als der junge Ferenc vom fünfmonatigen Einsatz in einer niederländischen Fleischfabrik zurück kommt, feiern alle hemmungslos. Der Junge weint vor Glück, wieder da zu sein. Wieder so ein berührender Moment in einem sehenswerten Film.

Alexander Musik, ORF.at