„Winwin“: Heuschrecken-Attacke auf Österreich
Mit wenig Geld Filme zu machen über Leute mit viel Geld – wie das geht, zeigt Daniel Hoesl in seinem zweiten Langfilm. Obwohl, diesmal hat er 270.000 Euro zusammengekratzt – gut viermal so viel wie bei „Soldate Jeannette“ (2013). Noch immer sieht er im Mangel die Voraussetzung für absolute künstlerische Freiheit - und Gleichheit. Bei dem gebürtigen St. Pöltener Hoesl verdient jeder gleich viel. Und die Liste mit Danksagungen im Nachspann ist ziemlich lang.
Fit für den Weltmarkt
„Winwin“, das sind zwei Frauen (Stephanie Cumming, Nahoko Fort-Nishigami) und zwei Männer (Christoph Dostal, Jeff Ricketts), die ihr deutsches und US-amerikanisches Business-Kauderwelsch aufs Schönste einstudiert haben und es so schmallippig wie möglich an ihre Kunden bringen. Darunter ein österreichisches Traditionsunternehmen, das durch frisches Geld fit für den Weltmarkt gemacht werden soll, auch wenn der Firmenchef dafür nur Abscheu übrig hat.
Gerald Kerkletz
Es ist einfach verdammt schwer, gegen die Investoren in ihren schicken Anzügen und stylischen Kostümen anzukommen, gegen ihr Pokerface und das sinnfreie Neusprech, das so gut in der Politik ankommt: Vision, Nachhaltigkeit, Offshore-Aktivität, Vernetzung, Markenkern, Konsolidierung, Innovation durch Tradition. Oder war es umgekehrt?
Filmhinweis
„Winwin“ läuft bei der Diagonale am 10.3. um 18.30 Uhr im KIZ Royal und am 12.3. um 14.00 Uhr im UCI Annenhof.
Offizieller Filmstart in Österreich ist der 1.4.2016
Dostal gibt den aalglatten Berater als eine Mischung aus Model und schmierigem Handelsvertreter, Ricketts stahlblaue Augen scheinen direkt in die Seele des Kunden zu zielen, und dazu hält Stephanie Cumming in aufreizender Naivität ihr blasses Gesicht in die Kamera, während die Japanerin Fort-Nishigami mit mustergültigen Verbeugungen deutlich macht, dass der Kunde König ist.
Im klassischen 4:3-Format gedreht
Alle äußern sie meistens Einzeiler, reden zum Zuschauer hin - nicht miteinander, sondern aneinander vorbei - verfremdete, vorgestanzte Sätze. Bei Hoesl gibt es kein Drehbuch, nur Entwicklungslinien, an denen man sich mit den Darstellern gemeinsam entlanghangelt. Durch die Wahl des klassischen 4:3-Formats – des früheren TV-Formats - bekommen die Akteure zusätzliche Aufmerksamkeit, indem sie bei Großaufnahmen fast bildfüllend werden.
Gerald Kerkletz
Hoesl liebt die Andeutungen und die unverständliche Abschweifung. Wenn der Berater die Ministerin (es gibt ein Wiedersehen mit Johanna Orsini-Rosenberg aus „Soldate Jeannette“) mit Designerhandtaschen korrumpiert, reichen ein Wandgemälde und ein klassischer Salon, um die Szenerie zu erklären. Für den neuen Windpark irgendwo in Niederösterreich genügen der salbungsvolle Ton des stolzen Bürgermeisters und die Worte der einweihenden Ministerin, beide behelmt, und wieder ist mit wenig Aufwand die Illusion von Wachstum und Wohlstand für alle perfekt auf die Leinwand gebracht.
Auf dem Segway durchs schneeweiße Büro
Nun darf man sich von Daniel Hoesl keine Erklärungen der Finanzkrise oder des Ausverkaufs des österreichischen Tafelsilbers an anonyme Holdings erwarten. Die in „Winwin“ so herrlich persiflierten Muster sind nicht neu: Bestechung, Freunderlwirtschaft, Hochstapelei oder – wie im Falle dieser zwielichtigen „Consultants“, die natürlich im Privatjet anreisen und auf Segways durch ihre weiße, leere Büroetage brausen - Betrug.
Gerald Kerkletz
Hoesl interessiert sich für die Rollen, die seine Darsteller lustvoll spielen, für das Maskenhafte, das jeder gesellschaftlichen Position innewohnt. Eine der kuriosesten Szenen ist daher die wiederholte Begegnung des smarten Beraters mit der huldvollen Ministerin. Die beim dritten Treffen ihre Contenance aufgibt und sich mit ihm fast um die Bestechungsprämie rauft: Was tut man nicht alles für eine schöne Handtasche?
„Winwin“ ist eine Farce, aber nicht zum Zurücklehnen, sondern zum Mitdenken, ein eigenwilliger, im Rätselhaften bleibender Kommentar auf die Verhältnisse. Weltpremiere feierte der Film beim Festival in Rotterdam, wo Hoesl 2013 schon für „Soldate Jeannette“ ausgezeichnet worden war.
Alexander Musik, ORF.at
Links:
- „Winwin“ (Offizielle Seite)
- Rezension im „Hollywood Reporter“