Szene aus "Moses in Ägypten"

Bregenzer Festspiele / Karl Forster

„Moses“ teilt Rotes Meer und Publikum

Am Ende der Premiere von „Moses in Ägypten“ am Donnerstag im Festspielhaus hat sich nicht nur das Rote Meer gespalten, sondern auch das Publikum. Das recht selten gespielte Werk von Gioachino Rossini musste neben viel Jubel auch sehr deutliche Buhs einstecken. Dabei gelang es der Niederländerin Lotte de Beer mit dem Kollektiv Hotel Modern sowohl biblische Plagen - per Livevideo übertragen - als auch verbotene Romanze charmant auf die Bühne zu bringen. Deutlich schwieriger gestaltete sich der Abend allerdings in musikalischer Hinsicht.

Dass Opernkomponisten ihre Werke nicht immer nur als Kammerspiele angelegt haben, die man leicht auf die Bühne bringen kann, stellt Regisseure seit Jahrhunderten auf die Probe. Dass Rossinis „Moses in Ägypten“ alttestamentarische Massenszenen, biblische Plagen und ein geteiltes Rotes Meer auf der Bühne vorsieht, wird deshalb gerne als Grund dafür angeführt, dass das Werk genauso wie die spätere Überarbeitung „Moise et Pharaon“, so selten gespielt wird. In Bregenz hätte man theoretisch zumindest einen See an der Hand, der als Rotes Meer herhalten könnte - als Hausoper geplant nützt das für „Moses in Ägypten“ aber natürlich wenig.

Tragisch-sakrale Handlung

Rossini bezeichnete „Moses in Ägypten“ 1818 nicht als Oper, sondern als tragisch-sakrale Handlung in drei Akten. Damit und mit der Wahl des biblischen Stoffes umging er das Aufführungsverbot von Opern in Neapel während der Fastenzeit. 1827 arbeitete Rossini das Werk zu einer vieraktigen französischen Fassung mit dem Titel „Moise et Pharaon“ um.

Regisseurin de Beer, die angibt, gerade von dem Spannungsfeld zwischen großer Exodus-Geschichte mit Massenszenen und dem Kammerspiel der Verbotene-Liebe-Handlung fasziniert gewesen zu sein, holte sich deshalb das ebenfalls niederländische Theaterkollektiv Hotel Modern ins Boot.

Göttliche Intervention im Puppenhaus

Die Rotterdamer sind quasi spezialisiert auf das Spiel mit den Größenverhältnissen - ihr Konzept ist es, mit winzig kleinen Puppen und Modellen Szenen darzustellen und via Livevideo auf die große Leinwand zu projizieren. So verdunkelt sich gleich zu Beginn der Himmel über einer ägyptischen Stadt, gebaut aus winzigen Modellen - Gottes Drohung an den Pharao, das israelitische Volk freizulassen.

Szene aus "Moses in Ägypten"

Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Pharaonensohn Osiride liebt die Hebräerin Elcia und verhindert deshalb die Freilassung der Israeliten

Auf eine in der Mitte der Drehbühne installierte meterhohe Sphäre projiziert erwachen die Minitaturvölker im Lauf der Inszenierung zum Leben. Wenn der Pharao den Hebräern nun abwechselnd die Freiheit verspricht, um sich kurz danach wieder umzuentscheiden (was wiederum von Gott mit Plagen bestraft wird), sieht man Freudenfeiern, Mord, Plünderungen, Vergewaltigungen und Hungersnöte, dargestellt mit gerade fingergroßen Puppen und erstaunlich detailgenauen Requisiten.

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Verrisse für „Moses in Ägypten“

Mit Spannung ist die zweite große Opern-Premiere bei den Bregenzer Festspielen erwartet worden: Für „Moses in Ägypten“ von Gioachino Rossini hagelte es aber Verrisse.

Parallel zum Schuhschachtelbunsenbrennerinferno agieren und singen auf der spartanisch ausgestatteten Bühne Chor und Solisten in genauso schlichten historisch gehaltenen Kostümen (Ausstattung: Christoph Hetzer). Insgesamt bleibt aber auch die Personenführung skizzenhaft und wirkt oft hölzern. Schwer zu sagen, ob das nicht vielleicht auch Absicht sein könnte - dafür spricht die Anwesenheit der Hotel-Modern-Crew auf der Bühne, die immer wieder auch Sänger in Posen stellt und manchmal auch ganze Tableaus arrangiert.

Rossini ohne den richtigen Funken

Musikalisch gab Dirigent Enrique Mazzola den Takt vor. Unter seiner Leitung brachten die Wiener Symphoniker die Rossini-Klänge solide, um richtig zu zünden fehlte dennoch der entscheidende energetische Funke. Ähnlich die Sängerriege, aus der vor allem die unglücklich Liebenden Elcia (Clarissa Costanzo) und Osiride (Sunnyboy Dladla) hervorstachen.

Hinweis

„Moses in Ägypten“ ist bei den Bregenzer Festspielen noch am 23. Juli um 11.00 Uhr sowie am 31. Juli um 19.30 Uhr im Bregenzer Festspielhaus zu sehen.

Der kroatische Bass Goran Juric als Moses ist stimmlich zu wenig präsent, das macht es schwierig, seine Rolle als Anführer eines ganzen Volkes nachzuvollziehen. Bassbariton Andrew Foster-Williams tat sich etwas leichter, wurde aber dennoch von Mandy Friedrich als Pharaonengattin Amaltea übersungen.

Generell schienen die Ensembles eher zu funktionieren als die - ohnehin sparsam komponierten - Arien, ganz in Schwung kam der Abend musikalisch nur schwer. Eine Ausnahme stellten die oratorisch komponierten Chorszenen dar, die die biblische Handlung untermalen und in denen der Prager Philharmonische Chor mit Präzision punkten konnte.

Szene aus "Moses in Ägypten"

Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Unschlüssige Ägypter, geknechtete Israeliten

„Die Geschichte von sämtlichen Flüchtlingen“

Dass die Exodus-Erzählung recht auf der Hand liegende aktuelle Bezüge aufweist, wurde schon in den Eröffnungsreden am Mittwoch erwähnt, wo nicht nur Bundespräsident Alexander van der Bellen die Flüchtlingskrise thematisierte. Eine optische Aktualisierung oder Verortung in Nahost-Konflikt, Syrien-Krise oder Mittelmeer-Route spart de Beer dennoch aus. Sie versuche, das Thema zeitübergreifend zu sehen und „die Geschichte von sämtlichen Flüchtlingen“ zu erzählen, „von damals, heute und in Zukunft“.

In dem Moment, in dem der Chor das flehende Gebet („Preghiera“) anstimmt und das flüchtende Puppenvolk zu sehen ist - vor ihm der drohende Tod im Roten Meer, hinter ihm die ägyptischen Verfolger in Form von Heer und Pharao, ist diese Intention jedenfalls unübersehbar.

Sophia Felbermair, ORF.at

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