„Carmen“ und die Seebühne - eine Liebesbeziehung
„Carmen“ sei „eine Oper für diese einzigartige Seebühne, weil sie beide – wie die Liebe – Stürme, Gewitter, Aufhellungen und brennende Sonnenuntergänge durchmachen.“ Dieser Satz stammt vom französischen Regisseur Jérôme Savary, der die Oper in den Jahren 1991 und 1992 auf die Bregenzer Seebühne gebracht hat. Und tatsächlich haben die Bregenzer Inszenierungen der klassischen Geschichte um Carmen, Don José und Escamillo in der Vergangenheit immer wieder neue Akzente setzen können.
1974: Schmuggler auf Schiffen
Regisseur Paul Vasil und Ausstatter Toni Businger waren die ersten, die sich im Rahmen der Bregenzer Festspiele an den Stoff wagten. Für ihre „Carmen“-Inszenierung im Jahr 1974 wurde die Seebühne zu einer spanischen Stadt mit unterschiedlichen Stadtteilen umgebaut. Jeder der vier Akte der Oper spielte sich in einem anderen Stadtteil ab. Kleinere Anpassungen waren freilich nötig: So kamen die Schmuggler nicht aus dem Gebirge in die Stadt Sevilla, sondern mit Schiffen über den Bodensee.

Bregenzer Festspiele
1974 entstand für „Carmen“ gleich eine ganze Stadt auf der Seebühne
Auch abseits der Bühne war Flexibilität gefragt: Die beiden Darstellerinnen, die für die titelgebende Rolle vorgesehen waren, mussten wegen ihrer Schwangerschaften absagen. Einige Proben mussten daraufhin ohne Hauptfigur über die Bühne gehen. Am Ende konnten Debria Brown und Joann Grillo als Ersatz gefunden werden. Vor allem Brown eroberte als temperamentvolle, farbige „Carmen“ die Herzen des Publikums.
1991/1992: Der mechanische Stier
Bei den Bregenzer Festspielen 1991 und 1992 feierte „Carmen“ ein Comeback auf der Festspielbühne. Statt einer spanischen Stadt setzten Regisseur Jérôme Savary und Bühnenbildner Michel Lebois auf ein gewaltiges Gebirgsmassiv. Die Inspiration dafür stammte aus dem dritten Akt der Oper, der im Lager der Schmuggler in einem Gebirge spielt. Als Vorbild für die Gebirgslandschaft dienten Felsen unterhalb des Rhonegletschers in der Schweiz.

Bregenzer Festspiele/Karl Forster
Die „Carmen“-Inszenierung 1991/1992 sparte nicht mit optischen Reizen
Auf der Bühne sorgten ganze Heere von Tänzern, Chorsängern, Statisten und lebenden Tieren für Unterhaltung. Am Ende tötete Nebenbuhler Escamillo einen mechanischen Stier, während Don José Carmen tötet. Die Inszenierung platze „vor Ideen und Aktionen förmlich aus den Nähten“, schrieb die APA nach der Premiere am 23. Juli 1991. Nicht überall waren die Reaktionen so euphorisch. Manche Kritiker sahen das bunte Spektakel als zu großes Zugeständnis an den Geschmack der Massen.
2017: Rückkehr mit riesigen Spielkarten
Für die aktuelle „Carmen“ zeichnen Regisseur Kasper Holten und Stardesignerin Es Devlin verantwortlich. Dreh- und Angelpunkt ihrer Bühnenkonstruktion sind zwei überdimensionale Hände mit Höhen von 21 und 18 Metern, zwischen denen riesige Spielkarten durch die Luft gewirbelt werden. Die Idee dafür stammt einmal mehr aus dem dritten Akt der Oper: Carmen legt sich Karten, um einen Blick in die Zukunft werfen zu können. Insgesamt 59 dieser Spielkarten – jede davon 30 Quadratmeter groß und 2,5 Tonnen schwer – prägen das Bühnenbild.
Für Regisseur Holten ist „Carmen“ eine „Oper über Schicksal und Besessenheit“ von „zwei Menschen, die als Außenseiter behandelt werden, deren Wege sich kreuzen und die sich in einer leidenschaftlichen, aber ungesunden Beziehung aneinander klammern.“ Mit welchen weiteren Mitteln er und sein Team der Geschichte neues Leben einhauchen, ist noch bis Ende August bei den Bregenzer Festspielen zu sehen.