„Turandot“ geht „andere Wege“: Positive Aufnahme
Noch im Herbst letzten Jahres hatte der gebürtige Zürcher die Oper „Turandot“ für die Wiener Staatsoper inszeniert und dabei einige - wie er sagt - „Korrekturen“ vorgenommen. Diese wurden nun auch in der Bregenzer Wiederaufnahme geltend gemacht.
Die Oper habe ein großes Manko bei der Aufführung auf der Seebühne. Sie sei „nicht sehr aktionsfreudig“, so der Regisseur. Gerade der zweite Akt, wo Turandot die Geschichte ihrer Ahnin Lo-uling erzählt und damit erklärt, wie sie zu der wurde, die sie ist, sei eigentlich eher ein Oratorium. Das sei schon in einem Theater schwierig zu inszenieren, ganz zu schweigen von der Seebühne. „Da haben wir versucht, jetzt andere Wege zu finden, wie sie sich in diese Prinzessin verwandelt“, so Marelli.
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Durch Verdichtung „mehr gepackt“
Und diese Veränderungen stießen auf viel Gegenliebe: Das Publikum war begeistert, und auch die Kritiker fanden am Donnerstagabend nach der Premiere der Wiederaufnahme viel lobende Worte. Die feinen Veränderungen hätten gutgetan, sagte etwa Christoph Scheule vom BR Hörfunk Online. Auch für Charles Ritterband von der „Neuen Zürcher Zeitung“ verbesserte sich die Inszenierung deutlich. Gerade die Verdichtung im zweiten Akt sei vorteilhaft, dieser habe ihn so „mehr gepackt“.
Symphoniker „wahnsinnig schnell unterwegs“
Dass die Wiener Symphoniker unter Paolo Carignani das Tempo im Vergleich zum letzten Jahr erhöhten, war nicht nur für Ritterband äußerst positiv. Für Markus Thiel vom „Münchner Merkur“ waren sie sogar „wahnsinnig schnell unterwegs“ - er sei erstaunt gewesen über die „Schmucklosigkeit und Lakonie“. Aber: Für „Turandot“ als ernstes und brutales Stück sei das „sehr angemessen“, so Thiel. Sein Urteil: „Ein sehr runder Abend.“ Positiv hervorgehoben wurden auch die von Beleuchter David Cunningham kreierten Lichtstimmungen.
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Viel Applaus für Guanqun Yu
An der Besetzung änderte sich im zweiten Jahr nicht viel: Die drei Turandots des Premierenjahres - Katrin Kapplusch, Mlada Khudoley und Erika Sunnegardh - bleiben, insgesamt sind nahezu alle Hauptrollen gleich besetzt. Das habe die Möglichkeit geboten, stärker auf die verschiedenen Sängerpersönlichkeiten einzugehen, sagt Marelli. Bei der Premiere besonders begeistern konnte auch dieses Jahr wieder Guanqun Yu als die Sklavin Liu. Viel Jubel gab es auch für Rafael Rojas als Kalaf und Mlada Khudoley als Turandot.
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„Habe mich für Konzentration entschieden“
Ritterband blieb bei seiner bereits im Vorjahr geäußerten Kritik, dass der runde Projektionsscreen in der Bühnenmitte „kitschig“ sei und dass man eine so große Bühne stärker ausspielen müsse. Das Geschehen spiele sich mehr oder weniger nur auf einem Drittel ab - auch für Thiel ein Kritikpunkt.
Dieser Kritik begegnete der 66-jährige Opernregisseur schon im Vorfeld der Wiederaufnahme mit Gelassenheit. Es sei in Bregenz schwierig: Einerseits müsse man etwas für die Opernkenner bieten und andererseits auch noch etwas für das große Publikum, das unterhalten werden wolle. Da müsse man sich entscheiden - „und ich habe mich für die Konzentration entschieden“, so Marelli.
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Dramatische Liebesgeschichte
Inhaltlich steht im Mittelpunkt von Giacomo Puccinis letzter Oper eine chinesische Prinzessin und ihre Liebesgeschichte. Die schöne Turandot macht es den Männern nicht leicht: Wer sie heiraten will, muss zuerst drei schwierige Rätsel lösen. Wer es versucht und scheitert, den kostet das den Kopf. Keinem gelingt es, die Rätsel zu lösen - bis ihr eines Tages Prinz Kalaf verfällt und ihre Aufgaben bewältigt.
Er ist mit dem Gewinn - Turandots Hand - aber nicht zufrieden: Er strebt nach Turandots wahrer Zuneigung und stellt ihr seinerseits ein Rätsel. Wenn sie bis zum nächsten Morgen nicht herausfindet, wie er heißt, dann muss sie seine Liebe erwidern. Erfährt sie hingegen seinen Namen, dann ist er bereit zu sterben.
Die Begleiterin von Kalafs Vater, Liu, gibt den Namen des von ihr geliebten Prinzen selbst unter Folter nicht preis, sondern bezahlt ihr Geheimnis mit dem Tod. „Nessun dorma“ – diesen Befehl gibt Turandot für die schicksalsgeladene Nacht aus: Keiner darf schlafen, denn bis zum Morgen muss sie den Namen des unbekannten Prinzen erfahren haben. Der Befehl wurde zu einer der berühmtesten Arien.
Als Kalaf und Turandot alleine sind, wirft er ihr ihre Grausamkeit vor. Als er sie daraufhin küsst, ist ihr Widerstand gebrochen, und sie erzählt, dass sie ihn vom ersten Augenblick an gefürchtet und geliebt habe. Kalaf sagt ihr seinen Namen: „Liebe“.
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Oper blieb unvollendet
Wie der Liebesrausch von Prinzessin Turandot und Prinz Kalaf klingen soll, beschäftigte den Komponisten jahrelang. Mit den Worten seiner Textdichter war er unglücklich und skizzierte immer neue Möglichkeiten. Puccinis eigener Tod im Jahr 1924 ließ die Oper unvollendet,sein Zeitgenosse Franco Alfano komponierte auf Grundlage der Skizzen einen Schluss. Das Libretto stammt von Giuseppe Adami und Renato Simoni, die Oper basiert auf dem Schauspiel von Carlo Gozzi.
Die Oper feierte 1926 in Mailand ihre Uraufführung. Schon damals fehlten einige Szenen von Franco Alfano. Bei den Festspielen wird die Oper jetzt - erstmals überhaupt in Österreich - inklusive dieser gestrichenen Szenen gezeigt.
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Imposantes Bühnenbild
Zentraler Teil des imposanten Bühnenbildes ist eine 27 Meter hohe, 72 Meter lange Nachbildung der Chinesischen Mauer. Die 335 Tonnen schwere Mauer - zusammengesetzt aus rund 23.000 Stahl- und 6.000 Holzteilen - besteht aus 650 orangefarbenen, goldglitzernden Mauersteinen. In den Mauersteinen sind 59 Lautsprecher versteckt. Im Zentrum des Bühnenbilds ist eine kreisrunde Ebene mit einem Durchmesser von 16 Metern.
Weitere Aufführungstermine
- Juli: 22., 23., 24., 26., 29., 30.
- August: 2.,3., 4., 5., 6., 7., 9., 11., 12., 13., 14., 16., 18., 19., 20., 21.
- Mehr Infos auf: bregenzerfestspiele.com
Ebenfalls ein prägnantes Merkmal des Bühnenbilds stellt die Nachbildung von 205 etwa zwei Meter großen Terrakotta-Kriegern dar. Aufgrund der Dimensionen der Seebühne sind sie ein bisschen größer und im Ausdruck kräftiger ausgefallen als ihre realen Vorbilder. 144 der Krieger stehen auf dem Betonkern der Seebühne, die anderen im Wasser vor der Seebühne. 2,15 Meter tief unter der Wasseroberfläche verborgen verläuft kreisförmig um die Seebühne eine Karussellschiene. Ihr Umfang beträgt 191 Meter. Mehr dazu in Chinesische Mauer am Bodensee.
Elisabeth Gut, vorarlberg.ORF.at