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„Kandidaten in Käfighaltung“

Die Zahl der TV-Duelle zur Nationalratswahl lässt die Korrespondenten ausländischer Medien staunen. „Kandidaten in Käfighaltung“, titelte die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) am Donnerstag die Duellbeobachtung ihres Korrespondenten Peter Münch. Was in Deutschland undenkbar wäre, ist im heimischen Wahlkampf Alltag. Und die Stimmung: „Wie bei einer Fußball-WM“.

„Intrigantenstadl“ („Spiegel“), „Wahlkampf auf Österreichisch“ („stern“) und „Quizbürger kämpfen um ein Seychellenticket“ („SZ“) - ein bisschen müssen sich die Korrespondenten die Augen reiben, wenn sie den heimischen Wahlkampf beobachten. Fürchtete man für den deutschen Bundestagswahlkampf die Großmanipulation des Kreml via Facebook, so stellt man in Österreich fest: „Schmutzkübelkampagnen“, die kann man auch im Hinterzimmer organisieren - auch wenn am Ende niemand weiß und sagen kann, wer in diesen Hinterzimmern sitzt.

„Das könnte ein Gemetzel geben“

Besonders auffällig für die deutschen Kolleginnen und Kollegen: die Zahl der TV-Duelle - und die Rhetorik. „Das könnte ein Gemetzel geben“ - solche Moderationseinleitungen wie jüngst auf Puls4 sind auch in deutschen Privatmedien nicht bekannt. „SZ“-Korrespondent Münch ist jedenfalls erstaunt von der Vielfalt der Formate und der Lust zur Debatte, welche die unzähligen Duelle und Konfrontationen nebst der Silberstein-Causa mit sich brächten. „Redundanzen sind unvermeidbar“, so Münch mit Blick auf die Formate. Bei einem mehrstündigen Abend samt Nachanalyse müsse man schon für „die Werbepausen dankbar sein“.

„Kurz polarisiert wie Merkel“

Für Stephan Löwenstein von der „FAZ“ riecht die politische Stimmung nach Wechsel. Der Medienwahlkampf fasziniert ihn weniger als der Umstand, dass mit Sebastian Kurz (ÖVP) und Christian Kern (SPÖ) zwei Spitzenkandidaten im Raum stünden, die zwar hinlänglich bekannt seien und von denen jeder für sich gute Umfragewerte habe - die Wechselstimmung somit keine sei, die mit dem Profil der Kandidaten verbunden sei.

Aber, so Löwenstein: „Kurz polarisiert in Österreich ähnlich, wie Merkel das im deutschen Wahlkampf tat – aber mit umgekehrtem Vorzeichen. Wer Merkel akzeptabel fand, konnte auch SPD, FDP oder Grüne wählen, wer sie ablehnte, wählte ganz rechts. Kurz dagegen eint die eigene Truppe und scheint Zustimmung von der Rechten auf sich zu ziehen.“

Gerald Heidegger, ORF.at

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