Bands setzen Zeichen gegen Rassismus
Mit einer Schweigeminute zu Ehren des bei einer Messerattacke im deutschen Chemnitz getöteten 35-Jährigen hat in der sächsischen Stadt am Montagabend ein Konzert gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt begonnen. Schon in den frühen Abendstunden versammelten sich laut Stadt Zehntausende Menschen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die Stadt sprach am frühen Abend von schätzungsweise 50.000 Besuchern, die Polizei schätzte zuvor, dass 30.000 Menschen an dem Konzert teilnahmen. Mehrere Musiker und Bands, darunter Die Toten Hosen, Marteria sowie Kraftklub hatten die Veranstaltung nach den Ausschreitungen in der sächsischen Stadt auf die Beine gestellt.

AP/Jens Meyer
Zehntausende Besucherinnen und Besucher fanden sich schon am frühen Abend ein
Die Infrastruktur der Stadt gab angesichts des regen Zustroms streckenweise nach: Nach Polizeiangaben war das Mobilfunknetz im Bereich der Veranstaltung „#wirsindmehr“ zum Teil überlastet. „Bitte stellen Sie sich auf die Situation ein“, forderte die Polizei auf dem Kurznachrichtendienst Twitter auf. Auch der öffentliche Nahverkehr wurde im Stadtzentrum eingestellt. Zudem warnte die Polizei vor überlasteten Zügen. Allein aus Leipzig seien etwa 5.000 Menschen per Bahn nach Chemnitz angereist. Für die Rückreise stünden am Abend aber nur drei Züge für jeweils maximal 800 bis 1.000 Fahrgäste zur Verfügung.
Konzert begann mit Schweigeminute
Das Konzert unter dem Motto „#wirsindmehr“ begann mit einer Schweigeminute für jenen 35-Jährigen, der vor gut einer Woche in Chemnitz durch Messerstiche getötet wurde. Anschließend war es wiederholt zu Demonstrationen rechter Gruppierungen gekommen, es gab auch Angriffe auf Ausländer. In einem auf Facebook veröffentlichten Aufruf fordern die Initiatoren des Konzerts Solidarität mit jenen Ausländerinnen und Ausländern, die insbesondere nach dem Tod des Mannes angegriffen wurden. Zugleich wandten sie sich gegen eine Instrumentalisierung der Tat durch die Rechten.
„Wichtig zu zeigen, dass man nicht allein ist“
Unmittelbar vor dem Konzert forderten die beteiligten Musiker Unterstützung für diejenigen Menschen, die sich tagtäglich gegen Rechts engagieren. Es sei „wichtig zu zeigen, dass man nicht allein ist“, sagte Felix Brummer von der Chemnitzer Band Kraftklub am Montag vor Journalisten. Das Problem Rechtsextremismus werde „leider morgen nicht weg sein“.
Campino von den Toten Hosen sagte, es gehe bei dem Konzert nicht nur darum, Musik zu hören, sondern sich „solidarisch zu erklären mit denen, die hierbleiben, die den Kampf jeden Tag durchziehen“. „Alles, was Anstand hat“, müsse sich gegen den rechten Mob stellen.
Gegendemonstration wurde nicht genehmigt
Eine vom PEGIDA-Ableger THÜRIDA für Montagabend geplante Gegenveranstaltung lehnte die Stadt Chemnitz aus Platzgründen ab, wie es offiziell hieß. Zudem wurden nach Polizeiangaben jegliche Spontandemonstrationen untersagt.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierte unterdessen die Unterstützung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für das Konzert. Steinmeier hatte den Hinweis dazu auf Facebook geteilt. Kramp-Karrenbauer sagte dem Fernsehsender „Welt“, sie finde das „sehr kritisch“.

Reuters/Hannibal Hanschke
Zahlreiche Bands sagten ihre Unterstützung zu
Sie verwies darauf, dass die Rostocker Punkband Feine Sahne Fischfilet, die ebenfalls in Chemnitz mit dabei war, 2011 im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern als linksextremistisch aufgeführt wurde. Medienberichten zufolge hat sich die Gruppe inzwischen von früheren Texten etwa zu Gewalt gegen Polizisten distanziert.
Land befasst sich mit Polizeibesetzung
Der Innenausschuss im sächsischen Landtag befasste sich in Dresden auf Antrag der Grünen auch mit der Unterbesetzung der Polizei angesichts Tausender, auch rechter Demonstranten. Sie hatten die Sondersitzung des Innenausschusses nach den Ausschreitungen am Sonntag und Montag vergangener Woche beantragt.
Konzert gegen Fremdenhass in Chemnitz
ORF-Korrespondent Andreas Jölli berichtete in der ZIB1 von dem Konzert in der sächsischen Stadt Chemnitz.
Die Grünen sprachen nach der Sitzung von einem „kompletten Planungsversagen“. Die Polizeiführung habe angesichts der bundesweiten Mobilisierung der rechten Szene zu spät und falsch reagiert. Sowohl die Grünen als auch die Linken im Landtag forderten personelle Konsequenzen in der Polizeiführung.
Mit dem Fall Chemnitz wird sich am Dienstag auch der Verfassungs- und Rechtsausschuss des sächsischen Landtags befassen. Für Mittwoch hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine Erklärung zum Thema „Für eine demokratische Gesellschaft und einen starken Staat“ angekündigt.
Links: