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Landesweit Tausende auf der Straße

Erstmals seit Jahren weht der russischen Führung seit der Fußball-WM im Land innenpolitisch wieder Wind entgegen: So gingen am Sonntag erneut Tausende Russen über das Land verteilt auf die Straße, um gegen die geplante Pensionsreform von Präsident Wladimir Putin zu demonstrieren.

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Nach Behördenangaben nahmen in Moskau 7.500 Menschen an zwei Demonstrationen teil - eine beteiligte NGO sprach gar von 9.000. In Sankt Petersburg waren es offiziellen Angaben zufolge 2.500 und in der Wolga-Stadt Samara 1.000. Viele trugen die roten Fahnen und Banner der Kommunistischen Partei, die die Demonstration organisiert hatte.

„Kannibalistische Reform“

„Heute protestieren wir in ganz Russland gegen die kannibalistische Reform“, sagte der langjährige Parteichef Gennadi Sjuganow. Geht es nach den Organisatoren, soll das nur ein neuer Beginn der Proteste sein - für kommendes Wochenende sind weitere Demonstrationen geplant.

Proteste in Russland

AP/Dmitri Lovetsky

Insbesondere die Kommunisten machen gegen die Pensionsreform mobil - hier in Sankt Petersburg

Zuletzt Zugeständnisse Putins

Selbst jüngste Ankündigungen konnte die Wut vieler Menschen offenbar nicht lindern: So hatte Präsident Wladimir Putin erst am Mittwoch in einer Fernsehansprache Zugeständnisse bei den Reformplänen gemacht. So solle das Pensionsantrittsalter für Frauen nicht wie ursprünglich vorgesehen um acht, sondern nur um fünf Jahre angehoben werden und künftig bei 60 Jahren liegen.

Zuvor sollte das Pensionsantrittsalter bei Frauen schrittweise von 55 auf 63 Jahre und bei Männern von 60 auf 65 Jahre angehoben werden. Es ist die erste Anhebung des Pensionsantrittsalters in Russland seit fast 90 Jahren. Eine Anhebung dürfte dazu führen, dass viele Männer den Pensionsantritt kaum erleben - sie werden im Durchschnitt nur 65 Jahre alt.

Mehr Pensionisten, weniger Arbeitskräfte

In Russland steht eine steigende Zahl von Pensionisten einer abnehmenden Zahl von Arbeitskräften gegenüber, unter anderem eine Folge der geburtenschwachen Jahrgänge nach der Jahrtausendwende. Zudem leidet die Wirtschaft unter den Sanktionen des Westens.

Proteste in Russland

Reuters/Sergei Karpukhin

Die meisten Menschen gingen in Moskau auf die Straße

Auch Nawalny mobilisiert

Die Kommunistische Partei sagte, sie werde die Pläne trotz der Änderungen nicht unterstützen. Auch der prominente Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat für kommendes Wochenende zu Protesten gegen die Pläne aufgerufen. Am Montag vergangener Woche war er zum zweiten Mal binnen vier Monaten zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Ende Juli waren im Protest gegen die Reform Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen - auch damals hatten die Kommunisten mobilisiert.

Laut den unabhängigen Meinungsforschern vom Lewada-Zentrum lehnten unmittelbar nach der Bekanntgabe rund 90 Prozent der Russinnen und Russen die Reform ab. Unmut hatte auch der Zeitpunkt gebracht: Die Regierung hatte die Pläne am 14. Juni im Schatten der Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft mitgeteilt, als das ganze Land in Vorfreude auf das Turnier schwelgte.

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