Partei auf Richtungssuche
Acht Jahre lang ist Maria Vassilakou grüne Vizebürgermeisterin gewesen. Am Sonntag gab sie vor Medien bekannt, nicht mehr als Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl 2020 zur Verfügung zu stehen. Immer wieder polarisierte die Politikerin mit ihren Entscheidungen. Spätestens im Juni 2019 will Vassilakou ihre Funktion zurücklegen. Zurück bleibt eine Landespartei, die ihre Richtung finden muss.
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Während ihrer Amtszeit schossen sich die politischen Gegner von ÖVP und FPÖ regelmäßig auf die Wiener Grünen-Chefin ein. Auch mit dem Koalitionspartner SPÖ lief es nicht immer rund. Als besonders umstritten galt Vassilakous Plan, aus der Mariahilfer Straße eine Fußgängerzone inklusive zweier Begegnungszonen zu machen.

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Vassilakou zeigte sich bei der Bekanntgabe bewegt
Das Verkehrsprojekt wurde letztlich sogar zu einer Zerreißprobe für die österreichweit erste rot-grüne Landesregierung. Am Ende stimmten bei einer Anrainerbefragung 53,2 Prozent für eine Verkehrsberuhigung der Einkaufsstraße – sowohl Häupl als auch Vassilakou zeigten sich zufrieden. Die Umsetzung wird von vielen Wienerinnen und Wienern heute durchaus als Erfolg gewertet.
Parkpickerl erregte die Gemüter
Zu den Prestigeprojekten der 49-Jährigen mit griechischen Wurzeln zählen außerdem das 365-Euro-Jahresticket für die Wiener Linien, was die Zahl der „Öffi“-Nutzerinnen und –Nutzer deutlich ansteigen ließ, sowie das Parkpickerl in zahlreichen Wiener Gemeindebezirken. Dieses ließ vor allem ÖVP und FPÖ auf die Barrikaden steigen, die die Rechte der Autofahrer und Autofahrerinnen nicht berücksichtigt sahen.
Vassilakou tritt nicht mehr an
Vassilakou wird nicht erneut als Spitzenkandidatin der Wiener Grünen kandidieren. Das teilte sie am Sonntag in einer Pressekonferenz mit. Bis Mitte nächsten Jahres will sie ihre politischen Ämter abgeben.
Schließlich durften die Bezirke eigenständig entscheiden, ob sie das Pickerl einführen wollen. Bloß die schwarz regierten Bezirke weigerten sich und wurden dafür teilweise von den Wählerinnen und Wählern abgestraft. So hat der einstmals tiefschwarze 18. Bezirk Währing inzwischen eine grüne Bezirksvorsteherin, deren Wahlversprechen die Einführung des Parkpickerls war.
Causa Heumarkt spaltete Partei
Das Hochhausprojekt auf dem Heumarkt spaltete die Partei intern. Bei der Urabstimmung der Wiener-Grünen-Mitglieder stimmten 51,33 Prozent der Befragten dagegen. Ihre Weigerung, den Deal abzusagen, führte zu einer Rücktrittsdebatte, die Vassilakou mit der Vertrauensfrage auf der Landesversammlung im Herbst 2017 gerade noch einfangen konnte.

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Gemeinderat Peter Kraus will die Herausforderung als Spitzenkandidat der Wiener Grünen annehmen
Internationale Expertinnen und Experten sehen bei dem Heumarkt-Projekt großen Handlungsbedarf: Die Stadt Wien könnte durch den Bau des Hochhauses den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes verlieren. Den Unmut von Teilen der eigenen Basis hatte sich Vassilakou aber schon vorher mit ihrer Ankündigung vor der Wien-Wahl 2015 eingehandelt, im Fall von Verlusten für die Grünen zurückzutreten. Die Verluste kamen, Vassilakou aber blieb.
Wie geht es weiter?
Noch bis Dienstag können sich potenzielle Spitzenkandidaten und -kandidatinnen für einen Antritt für die Wiener Grünen bei der Wahl 2020 bewerben, die Lieblinge kristallisieren sich aber jetzt schon heraus. Nachdem sich Landessprecher Joachim Kovacs sowie die grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic selbst aus dem Rennen nahmen, bleiben als Favoriten noch zwei Männer: der junge Gemeinderat Peter Kraus und der langjährige Klubchef David Ellensohn.

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Ellensohn ist ein „alter Hase“ im Rathaus und gilt deshalb als geeignet
Kraus, Sprecher der Grünen Andersrum Wien, kann auf Unterstützung aus der lesbisch-schwulen Community zählen. Der 31-Jährige steht einerseits für Erneuerung und Öffnung. Andererseits wird aber angenommen, dass er Vassilakous Kurs weiterführen würde, was bei der grünen Anti-Heumarkt-Front wohl auf wenig Begeisterung stoßen dürfte. Seine Kandidatur inszenierte er gekonnt auf Sozialen Netzwerken.
Entscheidung fällt im November
Ellensohn kann durchaus als grüner Gegenpol zu Kraus gesehen werden. Er ist 55 Jahre alt, hat viel Erfahrung im Rathaus und steht für das linke Lager der Grünen. Zum Thema Heumarkt sagte er, es sei „kein grünes Vorzeigeprojekt“. Ellensohn gilt als guter Rhetoriker. In Parteikreisen wird ihm eher eine Abnabelung von der SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig zugetraut als Kraus. Die Parteibasis stehe eher hinter Ellensohn.
Die Entscheidung fällen die Parteifunktionäre und -funktionärinnen im November nicht alleine, sondern mit den Mitgliedern sowie externen Wählerinnen und Wählern – und diese sind wohl ein unberechenbarer Faktor. Eine Neuwahl schloss Ludwig übrigens vor Kurzem im Ö1-Interview aus. Die Regierungskoalition werde auch mit einem neuen grünen Landeschef bestehen bleiben und weiterhin zusammenarbeiten, sagte er.
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