Österreicher wollen Milch regional & frisch
Am 1. Juni ist der von der Welternährungsorganisation gemeinsam mit dem Internationalen Milchwirtschaftsverband ins Leben gerufene „Weltmilchtag“ gefeiert worden. Die einen feierten und propagierten dabei Milch als gesundes Lebensmittel, das quer durch alle Altersgruppen getrunken werden soll. Die anderen organisierten sich auf Anti-Milch-Plattformen und sprachen sich gegen den Milchkonsum aus, weil dieser, so ein wesentlicher Vorwurf, der industriellen Tierhaltung Vorschub leiste.
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Dass Österreich ein Land der Milchtrinkerinnen und -trinker sei, wollte die Vermarkuntgsplattform AMA zum Weltmilchtag über die Bande eindrucksvoll untermauern. Die Österreicher trinken ihren Kaffee am liebsten mit Milch, so eine Umfrage, die die AMA zum Weltmilchtag in Auftrag gegeben hatte.
Österreicher lieben es nicht haltbar
Dass besonders „gesunde“ Milch möglichst „wiesennah“ von möglichst glücklichen Kühen kommen und sich durch große „Frische“ auszeichnen müsse, widerlegt ein Blick nach Süden. Die Italiener trinken das Gros ihrer Kaffees im Verlauf eines Tages ohnehin eher schwarz und wenn nur am Vormittag mit Milch. Ein klassischer Cappuccino in Italien wird aber fast immer mit Haltbarmilch zubereitet – und „Heu-„ und „Wiesenmilch“-Sorten sind in italienischen Supermarktregalen eher eine Rand- und Ausnahmeerscheinung.
In Österreich trinke fast jede zweite Konsumentin Kaffee, so die AMA-Umfrage, „mit viel Milch“, 24 Prozent der Frauen „mit wenig Milch“. 27 Prozent der Männer, will die AMA herausgefunden haben, tränken ihren Kaffee am liebsten als schwarzes Getränk pur. „Caffe Latte ist eindeutig ein ‚Frauengetränk‘, der Kleine Schwarze die Bastion der Männer“, so die AMA, die hinzufügte: "Für die Zubereitung von Milchkaffees muss es eindeutig Frischmilch oder ESL-Milch (beworben als „länger frisch", Anm.) sein. Nur fünf Prozent der Befragten schmeckt Haltbarmilch im Kaffee besser als die frischen Sorten.“

ORF.at/Zita Klimek
In Österreich soll am besten keine H-Milch in den Latte Macchiato
Milchkonsum und Gender-Stereotype
In der Bewerbung von Lebensmitteln, so ergab eine Studie des Instituts für Ernährungswissenschaft der Uni Wien, würden die Themen Milch und Kaffee, aber auch Tee eher mit Frauen in der Darstellung in Verbindung gebracht, während Männer gendermäßig in der Darstellung mit den Themen Fleisch und Bier assoziiert würden.
Zum heutigen Weltmilchtag melken wir die Blechkuh. Gibt es heute eigentlich noch solche Milchautomaten?
(Markt zum Wochenende, 1963) #ORFarchiv #abgestaubt
Gepostet von ORF am Freitag, 1. Juni 2018
Der Lebensmittelhandel in Österreich verwies zum Weltmilchtag jedenfalls auf die Bedeutung von Eigenmarken im Milchvertrieb und auf die Bedeutung von lokalen Kooperationen in diesem Bereich und bei der Wahrnehmung von Konsumenten. In anderen Worten: Österreicher wollten nach dieser Lesart gerade bei der Milch einen regionalen Bezug und setzten dabei auf die Bedeutung, dass die Milch aus Österreich kommen solle. Im Bereich der Milch- und Molkereiprodukte liege der Umsatzanteil österreichischer Produkte am dauerhaft gelisteten Sortiment sogar bei bis zu 95 Prozent, betonte der Handel in einer Aussendung.
60 Prozent der Milch gehen ins Ausland
Allerdings sagte der Handel zum Thema Milch auch: Nur rund 25 Prozent der in Österreich erzeugten Milch kämen in die Regale der heimischen Lebensmitteleinzelhändler. 15 Prozent seien für die Gastronomie bestimmt. Der Hauptanteil der in Österreich produzierten Milch, also 60 Prozent, werde ins Ausland verkauft.
Zum Thema der niedrigen Preise für die Milchbauern verweist der Handel auf die Deregulierung der Milchmärkte. „Der niedrige Milchpreis wird heute im Wesentlichen von den Weltmärkten bestimmt und setzt die heimischen Milchbauern tatsächlich stark unter Druck“, argumentierte der Handel, der hier auf internationaler Ebene keine Gestaltungsmacht sieht. Aber, so fügte man im Handel hinzu: Aktionspreise für Milch gebe es in Österreich so gut wie nie. Das unterscheide die Milch von anderen Produkten im Lebensmittelhandel.
30.000 Bauern in der Milchproduktion
Rund 30.000 Bauern leben nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Österreich von der Milchproduktion. Im Schnitt hat ein heimischer Milchbetrieb 18 Kühe. Für einen Liter Milch bekämen die Milchbauern, so rechnet die steirische Landwirtschaftskammer vor, im Schnitt (Jänner bis April 2018) nicht einmal ein Drittel oder nur magere 32,86 Cent vom Preis im Supermarktregal.
Damit, so die Kritik der Kammer, ließen sich die Herstellungskosten der Milchbauern nicht decken. Und das Aufgehen der Preis-Kosten-Schere führe dazu, dass immer mehr Milchviehbetriebe ihre Stalltüren für immer geschlossen hätten.
AMA ortet Steigerung bei Abnahmepreis
Der Milchpreis für April 2018 lag laut AMA bei 36,50 Cent pro Kilo, was eine Steigerung von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeute. Auf EU-Ebene sprach die AMA von einem Milchpreis für die Bauern von 33,4 Cent je kg.
Dass Viehwirtschaft und insbesondere die Milchwirtschaft auch den Erhalt der Kulturlandschaft förderten und damit eine Grundlage für den Tourismus lieferten, betonte der Bauernbund in einer Aussendung zum Weltmilchtag. Bauernbund-Präsident Georg Strasser kritisierte aber auch die Preispolitik der Supermarktkonzerne und zeigte sich enttäuscht, dass die Arbeit heimischer Milchlandwirte oft hinter „anonymen Eigenmarken“ verschwinde.
„Propagandabilder der Industrie“
Kritik am Weltmilchtag kam in Österreich von Tierschützerinnen und Tierschützern, etwa dem Verein gegen Tierfabriken. Jährlich feiere sich die Milchindustrie selbst mit „Propagandabildern“ von saftigen Wiesen und Berichten über den „angeblichen Gesundheitsvorteil des Kuhmilchkonsums“. Hinter der idyllischen Maske verberge sich aber die traurige Realität von „kranken Hochleistungskühen und abtransportierten oder getöteten Kälbern“, so die Organisation. Kritisiert wurde auch, dass die von den Mutterkühen getrennten Kälber oft durch ganz Österreich, ja quer durch Europa transportiert würden.

ORF.at/Christian Öser
Wenn die Kälber in der Nähe der Mutter bleiben: Biorinder in Aderklaa an der Stadtgrenze zu Wien
Kritik gab es auch an der „Zwangsbesamung“ und Schwängerung der Kühe für die Milchproduktion. Auch in anderen Ländern riefen Plattformen zum Milchboykott auf, um gegen die Bedingungen der Zwangstierhaltung zu protestieren.
Ist Milch gesund oder nicht?
Die Frage, ob Milch nun gesund sei oder nicht, ist selbst auf ernährungswissenschaftlicher Ebene wenn schon nicht eine Glaubens-, so dann doch eine Lagerfrage. Können die einen auf den Nutzen des Calcium-Anteils, der Aminosäuren und der Fette in der Milch verweisen, ja, Studien mit dem blutdrucksenkenden Effekt des Milchkonsums vorweisen, verweisen andere auf Studien, die zeigen, dass das Milchtrinken von Kindern mitverantwortlich für die Bildung von Allergien sei. Allerdings: Unter Verdacht stehen in dieser Klasse auch Lebensmittel von Nüssen bis hin zu Eiern, blickt man auf die Empfehlungen des deutschen Bundesinstitutes für Risiko-Abschätzung.
Zehn bis fünfzehn Prozent der Erwachsenen in Westeuropa vertragen Milch aufgrund einer Laktoseintoleranz nicht. Für die Verdauung von Milch ist das Enzym Lactase entscheidend, das Menschen vor allem im Kleinkindalter, während sie gestillt werden, in der größten Menge zur Verfügung haben. Später geht der Anteil dieses Enzyms im Körper teilweise, ja gänzlich zurück, was dann die schlechtere Verträglichkeit von Milch im erwachsenen Alter begründet.
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