Themenüberblick

Wie Eltern ihre Kinder unterstützen können

Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien über die Herausforderungen, die die Einschulung für Kinder und Eltern mit sich bringt, und warum sie davon abrät jeden Tag nach Sternchen zu fragen und vom „Ernst des Lebens“ zu sprechen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

ORF.at: Welche Bedeutung hat die Einschulung im Leben eines Kindes?

Die Einschulung ist ohne Zweifel ein kritisches Lebensereignis, es sollte jedoch unbedingt ein positives sein, das heißt, das Kind sollte sich auf die Schule freuen und keine Angst davor haben. Diese Freude sollte auch nach Schuleintritt erhalten bleiben.

ORF.at: Wie geht es den Eltern am ersten Schultag ihres Kindes?

Eltern sind häufig selbst aufgeregt, wenn ihre Sprößlinge in die Schule kommen. Denn jeder hat Erinnerungen an die Schule – positive, weniger positive –, die in so einer Situation wieder präsent werden. Wichtig ist jedoch, dass negative Rückerinnerungen nicht an die Kinder weitergegeben werden. Vielmehr soll die Freude am Lernen und auf die Schule unterstützt und gefördert werden.

ORF.at: Während im Kindergarten meist nach Lust und Laune herumgetollt werden kann, müssen Taferlklassler mehrere Stunden am Tag ruhig sitzen. Kann das anfangs ein Problem sein?

Schulfähigkeit umfasst viele Bereiche. Dazu gehört auch das Einhalten von Regeln, das Ruhig-sitzen-Können – zumindest für einige Zeit, wohl nicht mehrere Stunden – sowie Aufmerksamkeit und Konzentration über einen längeren Zeitraum.

ORF.at: Welche weiteren Herausforderungen bringt die Einschulung mit sich?

Während Kinder für ihre Leistungen und Lernergebnisse in der Familie meist sehr viel, oft auch nur Lob bekommen, erleben manche Kinder in der Schule, dass sie nicht alles verstehen und können und anderen Kindern das Lernen leichter fällt. Der Umgang mit Frustration ist daher eine weitere Herausforderung. Wichtig ist hier die Einfühlsamkeit und Unterstützung durch die Eltern.

Kinder speziell aus Einkindfamilien stehen zu Hause auch häufig im Mittelpunkt, um den sich alles dreht. In der Schule wird jedoch erwartet, dass sich das Kind in eine Klassengemeinschaft einfügt, was für „Prinzessinnen“ und „Prinzen“ oft gar nicht so einfach ist. Eltern sollten das im Vorfeld bedenken.

ORF.at: Wie können Eltern ihre Kinder beim Start in die Schule unterstützen – schon vor dem ersten Schultag und in den Tagen und Wochen danach?

Sie können die Freude am Lernen, die Neugier auf Neues unterstützen und die Sicherheit vermitteln, dass das Kind es schaffen wird.

ORF.at: Was können Eltern falsch machen?

Wenn das Kind jeden Tag gefragt wird, ob es alles richtig gehabt hat, ob es genug „Sternchen“ bekommen hat, dann erzeugt das Stress, und es besteht die Gefahr, dass die Freude am Lernen und der Schule abnimmt, insbesondere bei Kindern, die nicht so erfolgreich sind.

Wenn Eltern wollen, dass die Kinder ihnen von der Schule erzählen, dann sollten sie im Gegenzug von ihrer Arbeit erzählen. Was sie gemacht haben, was ihnen Freude bereitet hat, was besonders gut gelungen ist und auch was weniger gut gelaufen ist. Denn Eltern sind nicht nur Erziehungsberechtigte, sondern auch Modelle und Vorbilder.

ORF.at: Und wie sollten Eltern reagieren, wenn Freude und Aufregung nach einigen Wochen Schule abklingen und das Kind die Schule doch nicht mehr so toll findet?

Hier ist es wichtig herauszufinden, woran das liegt. Denn im Allgemeinen gehen die meisten Volksschulkinder gerne in die Schule. Wenn es an Misserfolgen in der Schule liegt, könnten Beispiele aus der eigenen Schul- oder Berufserfahrung helfen.

Wichtig ist es zu vermeiden, dass das Kind sich einredet: „Ich kann das einfach nicht“, „ich bin zu dumm dafür“. Denn daraus kann ein negativer Kreislauf entstehen: Das Kind lernt nichts und bekommt dann bestätigt, dass es den Stoff nicht kann. Vielmehr sollte gemeinsam identifiziert werden, wo die Probleme liegen und wie das Kind lernen sollte, damit diese bewältigt werden.

ORF.at: Auch mit dem Übertritt in die Neue Mittelschule (NMS) oder Allgemeinbildende höhere Schule (AHS) und später in die Oberstufe beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Ist der erste Schultag in der Sekundarstufe eins oder zwei mit dem allerersten Schultag vergleichbar?

Nein, sicherlich nicht. Die Kinder kommen ja mit der Erfahrung von vier Jahren Schule in die Sekundarstufe eins. Hier ist jedoch die große Umstellung, dass man in jedem Fach eine andere Lehrperson hat, die nicht weiß, was in den anderen Stunden gemacht wurde, welche Leistungen die Kinder dort erbringen mussten, welche Aufgaben sie bekommen haben.

Damit gibt es auch keine klare Bezugsperson mehr, sondern viele Lehrpersonen, die unterschiedliche didaktische Konzepte haben und unterschiedliche Anforderungen stellen. Das ist schon eine Herausforderung. Der Übergang in die Sekundarstufe zwei ist sicherlich fließender.

ORF.at: Wie können Eltern ihre Kinder beim Übergang in die Sekundarstufe eins und zwei unterstützen?

In den höheren Schulstufen stellt sich folgendes Problem ein: Die Schülerinnen und Schüler haben mehr Wissen und sie arbeiten im Mittel mehr für die Schule; gleichzeitig sind jedoch ihre Schulnoten im Mittel schlechter. Wenn man das auf den Arbeitsmarkt überträgt, würde das heißen: Man kann mehr, arbeitet länger, bekommt jedoch weniger Geld.

Konsequenz ist, dass viele Schülerinnen und Schüler frustriert sind. Hier können die Eltern unterstützen, indem sie die Notwendigkeit von Wissen und Kompetenzen, aber auch von erfolgreichen Abschlüssen für den Arbeitsmarkt und das spätere Berufsleben vermitteln.

ORF.at: Zurück zur Volksschule: Während es in kleinen Ortschaften oft so ist, dass Kinder gemeinsam vom Kindergarten in die Volksschule wechseln, ist es in Städten nicht selten, dass ein Kind am ersten Schultag kein einziges anderes Kind in der Klasse kennt. Welchen Unterschied macht das?

Der Übergang vom Kindergarten auf die Schule ist ohne Zweifel leichter, wenn ich diesen mit meinen Freundinnen und Freunden gemeinsam machen kann. Das Einstellen auf viele neue Menschen ist sicher eine zusätzliche Herausforderung. Gleichzeitig wird dadurch aber der Aufbau eines neuen Freundeskreises ermöglicht. Damit wird man auf ähnliche Situationen im späteren Leben vorbereitet. Die bisherigen Freundschaften aus dem Kindergarten sollten natürlich weiter gepflegt werden.

ORF.at: Heute sprechen die Schülerinnen und Schüler in der Volksschule ihre Lehrerin meist mit „Du“ und dem Vornamen an. Hat sich die Atmosphäre und die Art des Miteinanders in den letzten Jahrzehnten verändert?

Im Vergleich zu der Zeit, als ich in die Volksschule gegangen bin, hat sich sehr viel verändert. Damals waren sowohl Lehrpersonen als auch Eltern Respektspersonen. „Du“ zur Lehrerin oder freche Worte zu Eltern waren undenkbar. Dass diese Hierarchie aufgelöst wurde, finde ich sehr begrüßenswert. Allerdings habe ich das Gefühl, dass es manchmal an einem respektvollen und wertschätzenden Umgang – und zwar wechselseitig – mangelt.

ORF.at: Was ist am viel zitierten „Ernst des Lebens“ dran? Ist diese Floskel noch zeitgemäß?

Ich würde von der Verwendung dieser Floskel dringend abraten. Ob das Leben fröhlich oder ernst ist, das haben wir selbst – zumindest großteils – in der Hand. Und zwar über das ganze Leben. Ich empfehle den Frohsinn. Auch wenn Optimismus nicht alleine reicht, um Herausforderungen zu bewältigen, so hilft er uns doch dabei, uns ihnen zu stellen.

Link: